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"Ich ärgere mich nicht"

Von Walter Hämmerle

Politik
© Moritz Ziegler

ÖVP-Klubobmann August Wöginger über die Macht des Parlaments, die Rückkehr von Pilz und die Arbeit mit der FPÖ.


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Wien. Formal betrachtet, säße August Wöginger bei jedem Konflikt mit der Regierung am längeren Hebel. Immerhin ist der 43-jährige Oberösterreicher aus dem Bezirk Schärding seit Dezember Chef der stärksten Fraktion im Nationalrat. So mächtig will sich der ÖVP-Politiker dann aber doch nicht im Interview präsentieren.

"Wiener Zeitung": Herr Klubobmann, ist die Fraktion ein Machtzentrum in der ÖVP von Sebastian Kurz?August Wöginger: Wir sind stark gewachsen, von 47 bei der Wahl im Jahr 2013 auf 62 Abgeordnete, davon sind 34 neu. Die ÖVP stellt jetzt den stärksten Klub. Bei der Klausur vergangene Woche haben wir uns mit unseren Ministern abgestimmt, auch die Ausschussarbeit besprochen. Und jetzt geht es darum, das Regierungsprogramm abzuarbeiten, und zwar gemeinsam mit dem Koalitionspartner.

Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle: Sind Sie als Klubobmann der stärksten Fraktion ein Gestalter oder hilfsbereiter Dienstleister der Regierung?

Für mich ist entscheidend, dass das Gemeinsame im Vordergrund steht; das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Regierung. Die Position des Klubs lautet daher: Wir wollen in die Gesetzeswerdung eingebunden sein, aber wir wollen die Projekte des Regierungsprogramms gemeinsam umsetzen. So sehe ich auch meine Rolle als Klubobmann. Besprochen ist, dass die Bereichssprecher bereits im Entstehungsprozess des Gesetzesentwurfs einbezogen werden.

Zur Not würden Sie als Klub ohnehin am längeren Hebel sitzen: Die Mandatare beschließen die Gesetze, nicht die Ministerialbürokratie.

Es geht um etwas anderes. Die Menschen wollen nicht mehr, dass innerhalb einer Regierung die Parteien ständig miteinander streiten. Damit soll es jetzt vorbei sein, und das sehe ich auch als meinen persönlichen Auftrag als Klubobmann und als Sozialsprecher der Neuen Volkspartei.

Wahlen werden immer mehr zu Abstimmungen über die Person an der Spitze, andere Kandidaten verblassen. Ist es demokratiepolitisch der Weisheit letzter Schluss, dass sich die Parteien immer mehr zu Kanzler-Wahlvereinen verengen?

Das sehe ich nicht so. Sebastien Kurz hat es geschafft, eine breite Bewegung auf die Beine zu stellen. Sicher, er war der Motor, aber ihm haben sich viele angeschlossen. Hinzu kommt, dass wir die Vorzugsstimmen aufgewertet haben, was die Rolle der Wähler stärkt. Ich selbst bin stolz darauf, dass ich rund 7100 Vorzugsstimmen erhalten habe.

Die Bürger hatten allerdings keine Chance, diese neuen Gesichter politisch näher kennenzulernen. Interviews mit den bekannten ÖVP-Quereinsteigern waren kaum oder gar nicht möglich.Alle Kandidaten wurden öffentlich präsentiert, mehrmals sogar. Und es wird noch ausreichend Gelegenheiten geben, die neuen Mandatare selbst zu Wort kommen zu lassen, denn die Legislaturperiode dauert ja noch bis Ende 2022.

Peter Pilz hat nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung sein Mandat nicht angenommen. Nun will er es doch zurück, obwohl es sogar Ermittlungen der Justiz gibt.

Ich habe es als richtig empfunden, dass Pilz sein Mandat nicht angenommen hat. Seitdem hat sich an den Vorwürfen nichts geändert, außer, dass eine gewisse Zeit vergangen ist. Es ist an Pilz, diese Vorwürfe zu entkräften, und damit verbunden ist aus meiner Sicht eine eventuelle Rückkehr ins Parlament.

Wann haben Sie sich das letzte Mal über die FPÖ geärgert?

Ich ärgere mich grundsätzlich nicht, weil ich ein positiv gestimmter Mensch bin.

Diverse Sager aus den Reihen der FPÖ sorgen aber verlässlich für medialen Wirbel, sei es über die "konzentrierte" Unterbringung von Flüchtlingen oder zur staatlichen Integrität Bosnien-Herzegowinas.

Für mich zählt, dass wir das Vereinbarte rasch abarbeiten. In dieser Hinsicht funktioniert es mit der FPÖ ausgezeichnet.

Zu den "Unruhestiftern" zählt auch FPÖ-Klubchef Gudenus. Haben Sie mit ihm seine außenpolitischen Aussagen besprochen?

Mein Hauptansprechpartner auf parlamentarischer Seite ist auf FPÖ-Seite Walter Rosenkranz. Das Regierungsprogramm lässt auch keinen Zweifel an der pro-europäischen Ausrichtung dieser Regierung. Daran wird sich nichts ändern.

Gudenus ist demnach kein Akteur in Sachen Regierungskooperation?

Auch andere Parteien haben neben dem Klubobmann noch einen geschäftsführenden. Wie gesagt, mein Ansprechpartner ist Rosenkranz.

Bei der Pflege wurde der Zugriff des Staats auf das Vermögen abgeschafft, bei der geplanten Abschaffung der Notstandshilfe im Zusammenhang mit der Reform der Arbeitslosenversicherung soll es genau dazu kommen. Warum?

Diese Koalition tritt an, um eine neue Gerechtigkeit durchzusetzen. Österreich hat ein ausgezeichnetes soziales Netzwerk, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Wir wollen aber den Leistungsgedanken stärken. Wir wollen all jenen helfen, die sich selber helfen wollen, aber nicht können. Für alle anderen kann es keine dauerhafte Unterstützung der Steuerzahler geben. Dieses Prinzip kann ich als langjähriger Sozialpolitiker voll unterstützen. Klar ist aber auch, dass wir uns um die Gruppe der Langzeitarbeitslosen verstärkt kümmern müssen. Das Schlüsselwort lautet hier sicherlich Qualifikation.