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"Ich benötige keine Hilfe der Bundes-SPÖ"

Von Christian Rösner

Politik
© Diva Shukoor

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig spricht über die Kosten seiner Vorhaben und sein Verhältnis zur Mutterpartei.


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Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat diese Woche ein großes Paket an Vorhaben präsentiert - Gratis-Ganztagsschule, eine Pflege- und Lehrplatzgarantie, ein 100-köpfiges Einsatzteam für Sofortmaßnahmen, einen Wien-Bonus bei Ausschreibungen für Wiener Unternehmen, 16 neue Medizinische Zentren, 200 zusätzliche Kanzleikräfte in Spitälern und vieles mehr. Mit der "Wiener Zeitung" hat er über die Kosten dieser Vorhaben gesprochen, über seine Beziehung zur Bundes-SPÖ und über sein Verständnis von Wahlkämpfen.

"Wiener Zeitung":Herr Bürgermeister, Sie haben ganz viele Ankündigungen gemacht - was kostet eigentlich dieser Wahlkampfauftakt, von dem Sie sagen, dass er eigentlich gar keiner ist?Michael Ludwig: Nachdem wir immer eine sehr seriöse Finanzpolitik betreiben und im Unterschied zu anderen ein Null-Defizit geschafft haben, sind wir auch in der Lage, finanzielle Schwerpunkte zu setzen. Und die liegen mit der Gratis-Ganztagsschule im Bildungssystem und bei den Kindern und Jugendlichen, was auch ein wichtiger integrationspolitischer Schritt ist - und mit der Pflegegarantie bei der älteren Generation.

Wie viel wird das kosten?

Für die Ganztagsschulen haben wir im ersten Schritt 25 Millionen Euro im Jahr vorgesehen.

Und das 100-köpfige Einsatzteam?

Das sind bereits bestehende Kräfte. Nun bündeln wir hier unsere Möglichkeiten und es wird unter gemeinsamer Führung Personal aus verschiedenen Bereichen zusammengefasst. Damit machen wir Wien noch sicherer.

Gibt es nicht schon genug "Einsatztruppen" in Wien - was passiert dann mit den Waste-Watchers?

Die Waste-Watchers werden weiter bestehen. Das neue Einsatzteam schreitet überall dort prompt ein, wo rasch Maßnahmen gesetzt werden müssen. Insbesondere bei Anliegen aus der Bevölkerung, die im Übrigen zunehmend digital über App "Sags Wien" kommen.

Ein Gesamtbudget für die von Ihnen genannten Vorhaben gibt es also nicht?

Nein, weil es sich um unterschiedliche Themenbereiche handelt. Im Schulbereich wissen wir genau, um wie viele Plätze es sich handelt, aber im Pflegebereich muss erst die tatsächliche Nachfrage eruiert werden, genauso wie im Lehrlingsbereich. Aber es ist Vorsorge getroffen worden, dass wir das alles auch umsetzen können.



Das trifft auch auf den Spitalsbereich zu?

Dort versuchen wir, Menschen, die über 50 sind und am Arbeitsmarkt zunehmend unter Druck kommen, die Möglichkeit zu geben, neue Funktionen im administrativen Bereich zu übernehmen. Damit bleibt den Ärzten mehr Zeit für die Patienten. Genau das wurde im Bereich der Schulverwaltung bereits im Rahmen der "Aktion 50 plus" erfolgreich umgesetzt.

Wie viel wird das kosten?

Das ist immer von der Einstufung abhängig - ich würde Sie nur gerne umgekehrt fragen: Werden eigentlich die Minister auch immer nach den Kosten gefragt? Mir wäre noch nie aufgefallen, dass die Minister, die in den vergangenen Tagen so vieles angekündigt haben, nach den Kosten gefragt wurden.

Ich gehe davon aus, dass meine Kolleginnen und Kollegen immer nach den Kosten fragen, aber die Politiker oft rhetorisch ausweichend antworten.

Na wenn das so ist, werde ich versuchen, einen Rhetorikkurs zu besuchen, um diese Fragen auch entsprechend beantworten zu können. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Journalisten offensichtlich große Freude damit haben, wenn sie Nicht-Antworten bekommen, und es toll finden, wenn alles inszeniert ist.

Andere Frage: Ist nach Ihrer Ankündigung dieser vielen Vorhaben jetzt nicht schon das ganze Pulver verschossen, bevor der Wahlkampf überhaupt erst losgeht? Oder planen Sie nach Kurz-Manier, wöchentlich ein Thema nach dem anderen aus dem Köcher zu ziehen?

Der Unterschied zu den anderen Parteien ist: Wir machen das, was wir ankündigen. Und das sehe ich auch als meine Aufgabe an - egal ob jetzt eine Wahl ansteht oder nicht.

Das Krokodil FPÖ hat seine Zähne verloren, was macht die Wiener SPÖ ohne ihren Lieblingsgegner?

Ich habe keine Gegner in der Politik. Ich habe politische Mitbewerber, die mich nur sehr am Rande interessieren. Ich finde es viel wichtiger, dass wir festlegen, was wir in der Sozialdemokratie wollen und wo meine Ziele als Bürgermeister für die Zukunft liegen - dabei schaue ich wenig nach links oder rechts. Ich bin davon überzeugt, dass wir für die Wienerinnen und Wiener ein sehr vielversprechendes inhaltliches Angebot stellen werden. Darauf konzentrieren wir uns.

Die Grünen würden am liebsten sofort wählen - gemeinsame Aktivitäten sind kaum wahrzunehmen, die Koalitionsparteien scheinen sich schon deutlich voneinander abzugrenzen. Wie sehen Sie derzeit das Verhältnis zu den Grünen?

Wir haben erst vor kurzem ein Klimabudget beschlossen und einen Klimarat installiert, es gibt also viele gemeinsame Aktivitäten. Aber natürlich haben sich die Grünen schon sehr stark für den Wahlkampf positioniert und haben bereits bei einer Landesversammlung ihre Liste beschlossen. Das machen wir noch nicht, weil wir glauben, dass noch viel Zeit bis zur Wien-Wahl ist. Wir werden wie geplant unseren Parteitag erst am 16. Mai haben.

Aber man spürt bereits jetzt schon stark, dass sowohl SPÖ als auch Grüne versuchen, etwa das Klimathema an sich zu reißen.

Die SPÖ braucht das Klimathema nicht an sich zu reißen, weil wir seit mehr als 20 Jahren ein Klimaschutzprogramm haben und mein Amtsvorgänger bereits in seiner vorigen Funktion als Umweltstadtrat Schritte gesetzt hat, die international große Anerkennung gefunden haben. Und als Wohnbaustadtrat habe ich ebenfalls viele Maßnahmen, etwa im ökologischen Wohnbau gesetzt - wie etwa die größte Passivhaussiedlung Europas.

Die SPÖ braucht die Grünen also gar nicht?

Aufgrund des letzten Wahlergebnisses natürlich schon.

In der SPÖ dürften viele unzufrieden mit den Grünen sein - vor allem mit Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Birgit Hebein.

Ich führe eine gut funktionierende Koalition mit den Grünen. Dass es bei zwei Parteien in manchen Themenfeldern unterschiedliche Sichtweisen gibt, liegt auf der Hand. Ich habe aber Birgit Hebein vor kurzem gesagt, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen mit der ÖVP auf Bundesebene die Koalition in Wien noch mehr zu schätzen lernen wird.

Es wird gemunkelt, dass eine rot-schwarze Koalition nach der Wahl bereits ausgemachte Sache ist, nachdem es ständig gemeinsame Auftritte von Ihnen und Wirschaftskammerpräsident und Wiener Wirtschaftsbund-Chef Walter Ruck gibt.

Ich habe mit Walter Ruck ein sehr gutes inhaltliches und persönliches Einvernehmen. Ich lege auch großen Wert auf Zusammenarbeit mit allen Sozialpartnern - das unterscheidet Wien auch von anderen Teilen unseres Landes. Da profitieren alle Beteiligten davon.

Wie stehen Sie zur türkisen Seite der ÖVP, also Sebastian Kurz und Gernot Blümel? Letzterer soll ja als Spitzenkandidat für die Wien-Wahl ins Rennen gehen und als potenzieller Vizebürgermeister gehandelt werden.

Beide sind so sehr mit der Bundespolitik beschäftigt. In der Wiener Stadtpolitik nimmt man sie wenig wahr. Von daher bewerte ich die Bundesregierung und die Minister nach ihren Tätigkeiten für Wien: Unter Türkis-Blau waren wir diesbezüglich nicht sehr verwöhnt.

Es gab noch keinerlei Gespräche oder Annäherungsversuche bezüglich einer möglichen künftigen Zusammenarbeit in Wien?

Ich habe mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien ein gutes Einvernehmen. Das heißt aber nicht, dass alle Parteien für Koalitionen in Frage kommen. Von daher versuche ich auch als Wiener Bürgermeister, über alle Parteigrenzen hinweg zu wirken, und sehe darin auch meine Aufgabe. Für Gespräche über Koalitionen ist es zu früh, zuerst müssen einmal die Wähler entscheiden. Es scheint aber schon so zu sein, dass es von manchen politischen Kräften durchaus auch Überlegungen gibt, fernab der SPÖ Koalitionen zu schmieden.

Bei der Präsentation Ihrer Vorhaben für Wien war nirgends ein SPÖ-Logo zu sehen - versuchen Sie sich von der momentan sehr glücklosen Bundes-SPÖ abzugrenzen?

Ich führe einen Wahlkampf als Wiener Bürgermeister und Spitzenkandidat der Wiener SPÖ, bei dem ich keine sonstige Unterstützung benötige. Denn jeder trägt dort die Verantwortung, wo er zur Wahl steht.

Finden Sie, dass die Vertrauensfrage, die nun Pamela Rendi Wagner stellen will, nicht einmal mehr den Eindruck erweckt, dass die Bundes-SPÖ noch immer nur mit sich selbst beschäftigt ist?

Wenn die Bundesparteivorsitzende die Vertrauensfrage stellt und das auch als eine persönliche Entscheidung darstellt, dann ist das auch eine persönliche Entscheidung.

Wann wird in Wien gewählt?

Anfang Oktober.