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Eine Billion Dollar an Zweithypotheken. | Hohe Chance für Schuldner, ungeschoren davonzukommen. | Boston. Shawn Schlegel zog zum Beginn der US-Immobilienblase vor sieben Jahren nach Phoenix in Arizona, um vom Boom auf dem Häusermarkt zu profitieren. Er kaufte ein Haus, nahm darauf eine Zweithypothek auf, um noch ein Haus zu kaufen. Dann wiederholte er diese Transaktion. Jetzt gehören ihm drei Häuser und ein Stück Land in der Wüste. Und er hat Schulden. Denn als er seine Haus-Spekulation begann, dachte niemand daran, dass Immobilien je an Wert verlieren könnten.
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Schlegel, der als Immobilienmakler arbeitet, erzählt: "In diesem Geschäft wurde mir beigebracht, all dein Kapital einzusetzen, um zu wachsen. Ich hätte niemals gedacht, dass der Wert eines Hauses von 265.000 Dollar auf 65.000 Dollar abrutschen könnte." Sein Geschäft liegt jetzt brach, und der 38-Jährige sitzt auf 100.000 Dollar Schulden. Die stammen aus einer auf Hypothekenabsicherung basierenden Kreditlinie, der in den USA weit verbreiteten Home Equity Loan, bei der Geld - für den Kauf eines weiteren Hauses oder auch von Autos oder Booten - gegen Verpfändung des Wertes des ersten Hauses aufgenommen wird.
Mit dem Einbrechen der Häuserpreise sind diese Darlehen oft nicht mehr gedeckt, und die Banken verlangen ihr Geld zurück.
Privatkonkurs rettetvorübergehend das Haus
Viele Amerikaner, die auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms solche nachrangigen Beleihungen aufgenommen haben, zahlen die Raten nun einfach nicht mehr. Dies zeigt die veränderte Haltung der Bevölkerung gegenüber Banken seit der Wall-Street-Krise. "Ich bin doch kein Sklave der Bank", begründet Schlegel seinen Zahlungsverzug.
Im Grunde handelt es sich um einen kleinen Sektor der toxischen Papiere, die die Finanzmärkte erschüttert hatten. Der amerikanische Bankiersverband hat kürzlich einen Bericht vorgelegt, laut dem die Zahlungsausfälle bei den Zweithypotheken deutlich höher liegen als bei allen anderen Verbraucherdarlehen. "Es ist ein Zeichen, dass auf Dauer eine Menge Leute in Schwierigkeiten sind, besonders wegen der Arbeitsmarktlage", sagt Chris George, Direktor von CMG Mortgage in Kalifornien.
Im Vorjahr haben die Kreditgeber elf Milliarden Dollar an nicht einzutreibenden Home Equity Loans abgeschrieben und 20 Milliarden an Ausständen aus immobiliengesicherten Kreditlinien. Allein im ersten Quartal dieses Jahres wurden acht Milliarden als Verluste abgeschrieben.
Wer sein Darlehen nicht zurückzahlt, handelt sich jahrelangen Ärger ein und verliert seine Kreditwürdigkeit. Viele Schuldner melden deshalb Privatkonkurs an, das hindert die Bank zumindest vorübergehend, ihr Haus zur Zwangsversteigerung zu geben. Auch wenn die Banken die beliehenen Häuser übernehmen und versteigern lassen könnten, kommen sie dennoch nicht auf ihre Kosten. Denn der Wert der Immobilien liegt häufig deutlich unter den aufgenommenen Krediten.
Die Chance, ungeschoren davonzukommen, ohne dass die Bank die Gelder eintreibt, seien gut, sagt Immobilien-Rechtsanwalt Chris Combs aus Arizona. "Bis zu einem gewissen Grad lohnt das unmoralisches Handeln." Auch Schlegel bezahlt nicht und will die Sache aussitzen. Vor anderthalb Jahren prozessierte sein Darlehensgeber gegen ihn, setzte auch eine Lohnpfändung durch. Aber dennoch bekommt er regelmäßig seine Lohnschecks. "Der Fall liegt irgendwo in der Warteschlange", sagt er. "Vielleicht komme ich einfach so davon."