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"Ich bin ein Keynesianer"

Von Walter Hämmerle und Clemens Neuhold

Politik
Fünf Jahre länger arbeiten - so wie die Schweden. Wenn Österreich das schaffte, gäbe es kein Budgetdefizit, sagt Leitl.
© Andy Urban

Der Wirtschaftskammerpräsident über Schweden und Reichensteuern.


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"Wiener Zeitung": Was kann Michael Spindelegger besser als Werner Faymann?Christoph Leitl: Er kann besser mit den vorhandenen Steuermitteln umgehen. Spindelegger sagt, es braucht keine neuen Steuern - Faymann will neue Steuern. Wer höhere Steuern will, muss wissen, dass er damit der Wirtschaft schadet.

Was muss Ihre Partei, die ÖVP, tun, um am 29. September die Nationalratswahlen zu gewinnen?

Den Menschen wieder Vertrauen in die Zukunft geben.

Das ist leichter gesagt als getan.

Mit neuen Steuern stärke ich jedenfalls kein Vertrauen. Wenn jeder Sorge haben muss, ob denn das, was er sich aufgebaut hat, auch sinnvoll war oder ob es nicht doch klüger gewesen wäre, wenn er es sich ein bisschen gemütlich gemacht hätte, dann läuft etwas falsch. Wir sollten endlich damit beginnen, uns an den Besten zu orientieren und nicht immer nur am Durchschnitt. Ich will, dass Österreich zu den Besten gehört.

Die SPÖ pocht auf Gerechtigkeit und fordert höhere Steuern für die wirklich Reichen. Tatsächlich haben viele das Gefühl, dass Millionäre in diesem Land nicht wirklich fair besteuert werden.

Sie übersehen dabei eines: Die wirklich Wohlhabenden leisten seit 1. Jänner einen noch nicht einmal budgetwirksamen höheren Beitrag: die Solidarabgabe auf die Spitzeneinkommen und die Vermögenswertzuwachssteuer. Beides habe ich mitgetragen, auch die Finanztransaktionssteuer hat meine Unterstützung, aber was will man denn jetzt noch?

Die milliardenschweren Rettungspakete für die Banken treffen im Vergleich dazu die kleinen Leute viel härter.

Im Gegenzug müssen die Banken hohe Abgaben bezahlen und zugleich noch ihr Eigenkapital erhöhen. Beides gleichzeitig geht aber nur schwer, also bremsen sie bei der Kreditvergabe - und treffen wen damit? Die kleinen Unternehmen, die Gründer.

Herr Leitl, Sie haben das Konjunkturpaket der Regierung gelobt. Sind Sie ein Keynesianer?

Ja, der bin ich, allerdings im doppelten Sinn des Wortes. Keynes hat man nämlich immer nur sehr einseitig zitiert mit der Forderung, man müsse in schlechten Zeiten hineinbuttern. Keynes hat allerdings auch gesagt, dass in guten Zeiten Reserven geschaffen werden müssen. Deshalb bin ich ein Befürworter eines über den Konjunkturzyklus ausgeglichenen Budgets; wenn wir wieder Wachstumsraten von zwei, drei Prozent haben, müssen wir Überschüsse erwirtschaften - für schlechtere Zeiten.

Tolle Theorie, ist in Österreichs Geschichte nur nie passiert.

Doch, einmal immerhin, unter Kanzler Julius Raab 1954. Lang, lang ist’s her. In Schweden dagegen ist das auch in der jüngeren Vergangenheit gelungen: Die senken jetzt die Unternehmenssteuern, machen Budgetüberschüsse, haben auch seit der Krise 2008 ihre Staatsschulden deutlich gesenkt und zahlen deutlich geringere Zinsen. Die Schweden arbeiten im Durchschnitt um fünf Jahre länger als wir Österreicher. Würden wir das auch so halten, hätten wir kein Budgetdefizit.

Die ÖVP verspricht - bis 2025 - 420.000 zusätzliche Jobs zu schaffen. Reichlich hochgegriffen, oder?

Das ist ein langfristiges Projekt; mir geht es jetzt um kurzfristige Maßnahmen, um die derzeit nicht rosige Situation zu bewältigen. Wir müssen die Löcher stopfen, aus denen das Geld rinnt: bei den Pensionen, bei der Gesundheit, bei der Bürokratie. Und: Warum haben wir das teuerste, aber nicht das beste Bildungswesen? Wir sinken im Standortranking immer weiter ab, Schweden und die Schweiz steigen auf. Wir Österreicher reden uns zu oft die Lage schön.

Die Regierung scheint wild entschlossen, noch vor den Wahlen die Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht abzuschließen und ist bereit, dafür auch ordentlich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Ist das vertretbar für Sie?

Ich will mich in Sozialpartnerverhandlungen zwischen Regierung und Lehrergewerkschaft nicht einmischen, allerdings glaube ich, dass der Denkansatz völlig falsch ist. Zuerst muss im Bildungskonzept der Zukunft festgelegt werden, wie wir die Talente unserer Kinder am besten fördern. Dann müssen wir den Weg und die Maßnahmen zu diesem Ziel fixieren. Und erst dann interessiert mich das Dienst- und Besoldungsrecht der Lehrer. Dieses neue Dienstrecht wird uns beim internationalen Pisa-Test sicher nicht nach vorn katapultieren. Dazu müssten wir die Talente und Begabungen unserer Kinder deutlich besser ausschöpfen.

Die ÖVP verspricht 980 Euro Entlastung pro Jahr und Haushalt. Darin steckt auch Kritik an Ihren Mitgliedern, vor allem am Lebensmittelhandel, wo die Preise teils weit überdurchschnittlich ansteigen.

Sie haben recht, aber in Österreich gibt es Kartellbehörden, und die sind verdammt professionell und haben auch schon als Korrektiv eingegriffen. Was mir viel mehr Sorgen bereitet, ist die öffentliche Hand und deren Tarife und Gebühren für Wasser, Parken etc. Es gibt Studien, die bescheinigen Österreich um 10 bis 15 Prozent überteuerte Energiepreise - wo ist hier ein Regulator, der einmal hart durchgreift? Wer seine Preise über der Inflationsrate erhöhen will, sollte dies von einer Aufsichtsbehörde sachlich prüfen lassen müssen.

Was ist aber mit den überteuerten Preisen im Supermarkt, sind Ihre Mitglieder vor Kritik gefeit?

Nein, die Betriebe werden sogar strengstens überprüft; hier gibt es die Bundeswettbewerbsbehörde und das Kartellamt. Hier gibt es ein Korrektiv, das bei Bedarf tätig wird. Im öffentlichen Bereich fehlt das.

Die Regierung verspricht den Bürgern ein Nulldefizit bis 2016. Ist das glaubwürdig angesichts schleppender Konjunktur, geringerer Steuereinnahmen und Milliarden für die verstaatlichten Banken?

Ich kann Ihnen eines versichern: Vom Herbeiwünschen bekommen wir gar nichts! Das Nulldefizit bis 2016 müssen wir uns hart erarbeiten. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, werden wir das nicht schaffen. Wir brauchen intelligente Maßnahmen für die Konjunktur, aber ohne weitere Verschuldung. Ein weiterer Hebel auf diesem Weg ist das reale Pensionsantrittsalter. Mit dem Pensionssystem der Schweden hätte Österreich kein Defizit.