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Ich bin ganz ruhig . . .

Von Petra Rosenberger

Reflexionen

Hören Sie nicht schon seit ihrer Kindheit immer wieder Sätze wie "Streng Dich an", "Mach schnell" oder "Reiß Dich zusammen"? Dies alles sind Sätze, die uns das Anspannen gelehrt haben. Ist es nicht an der Zeit, endlich entspannende Wort zu hören? Darum wenden Sie doch das Blatt und probieren Sie es einmal mit Autogenem Training.


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Das Wort wird vom griechischen "autos" (selbst) und "genos" (erzeugen) hergeleitet und heißt übersetzt etwa "selbst entstehendes Üben". Das Autogene Training als übende Methode ist im Eigentlichen integraler Bestandteil der "autogenen Psychotherapie", einer wissenschaftlich anerkannten Psychotherapiemethode.

Der Berliner Neurologe Johannes Heinrich Schultz gilt als Erfinder dieses Verfahrens zur konzentrativen Selbstentspannung, welches unabhängig von kulturellem Umfeld und Religion überall anwendbar sein sollte. Er entwickelte das Autogene Training in den 20er Jahren aus systematischen Beobachtungen an hypnotisierten Patienten. Im Gegensatz zur Hypnose basiert das Autogene Training ausschließlich auf Autosuggestion. Schultz stellte es 1927 erstmals der Öffentlichkeit vor .1932 erschien sein grundlegendes Werk mit dem Titel "Das autogene Training (konzentrative Selbstentspannung)".

Diese Entspannungstechnik gilt heute als die am häufigsten verwendete, weil sie besonders leicht - sogar in wenigen Wochen - erlernbar und überall durchführbar ist. So empfehlen Ärzte und Psychologen schon Kindern ab dem achten Lebensjahr das Autogene Training zu erlernen, um zum Beispiel Prüfungsangst zu mildern. Das heißt, die Technik ist zwar für jung und alt bestens geeignet, jedoch nicht für Menschen, die an einer akuten Psychose, an einer schweren Depression, an Schizophrenie oder Demenzen wie der Alzheimer-Krankheit leiden. Diese Erkrankungen müssen natürlich ärztlich behandelt werden.

Erfolgreich eingesetzt wird das Autogene Training bei psychosomatischen Beschwerden wie Asthma, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, stressbedingten Verdauungsstörungen, Wetterfühligkeit, Schlafstörungen oder innerer Unruhe.

Die Wirkung beruht vor allem auf der positiven Beeinflussung des vegetativen Nervensytems: durch autosuggestive Formeln werden unter anderem Blutdruck und Atemfrequenz gesenkt. Auf diesem Weg entsteht ein Zustand der tiefen Entspannung.

Bei der Therapie von Süchten wie der Raucherentwöhnung wird das Verfahren ebenso erfolgreich angewendet wie zur Leistungssteigerung und Regeneration im Sportbereich. Und wissenschaftlich-experimentelle Studien bestätigen seit Jahren den Erfolg, weshalb auch Krankenkassen bereits kostenlose oder günstige Kurse anbieten.

Wie wird autogenes Training nun erlernt und durchgeführt?

Zum Zwecke eines Selbststudiums befinden sich unzählige Bücher , CDs oder DVDs auf dem Markt. Mediziner und Psychologen raten aber eher erst zu fachkundig geleiteten Gruppen- oder Einzelkursen, um keine "Fehlprogrammierungen" auszulösen. Die Übungen sollten in einem ruhigen Raum in lockerer Kleidung stattfinden.

Nun wird eine passive Haltung eingenommen, wobei Anfänger zur besseren Entspannung vorzugsweise liegen. Als beliebte Position gilt die sogenannte "Droschkenkutscherhaltung", bei der man mit gesenktem, nach vorn gebeugtem Kopf sitzt, wobei die Hände entspannt auf den Oberschenkeln ruhen. Bei geschlossenen Augen konzentriert man sich nun auf eine Zielformel (z.B.: "Ich bin ganz ruhig.") und sagt sich diese mehrere Male aufmerksam im Geiste vor. Nach einiger Zeit stellt sich nun tatsächlich ein Ruhegefühl - also ein Erleben des Vorgestellten - ein. Diese Autosuggestion wird nach ungefähr 20 Minuten bewusst verlassen, d.h. "zurückgenommen"("Dynamisierung").Die Arme werden ohne schnelle Bewegungen angespannt und die Augen nach tiefem Durchatmen langsam geöffnet.

Zwei Stufen der Entspannung

Die Übungen werden stufenweise erlernt. Die so genannte Unterstufe oder Grundstufe, dient vor allem der Entspannung und besteht üblicherweise aus folgenden Teilen und zugehörigen Formulierungen:

1. Ruhe-Übung ("Ich bin ganz ruhig.") - nach Schultz eigentlich Zielvorstellung.

2. Schwere-Übung ("Arme und Beine sind ganz schwer.") - dient der Muskelentspannung.

3. Wärme-Übung ("Arme und Beine sind ganz warm") - verbessert Durchblutung.

4. Atem-Übung ("Die Atmung geht ruhig und regelmäßig; "Es atmet mich.") - reguliert Atemfrequenz.

5. Sonnengeflechts-Übung (Das Sonnengeflecht/die Leibmitte ist strömend warm.")

6. Kopf-Übung/Stirnkühle-Übung(Der Kopf ist klar, die Stirn ist kühl.") - gegen Müdigkeit.

Die Oberstufe des Autogenen Trainings sollte man nicht als Fortsetzung der Unterstufe verstehen, da es sich hierbei um vertiefte Selbsterkenntnis und Charakterbildung handelt. Ein Problem soll durch Suggestion soweit gelöst werden, dass die ausübende Person dadurch Linderung, wenn nicht sogar Heilung erfährt. Diese Technik arbeitet mit tagtraumartigen Bildern und dringt relativ tief in psychotherapeutische Bereiche vor. Sie sollte nur mit Hilfe von ausgebildeten Therapeuten durchgeführt werden.

Es empfiehlt sich, Autogenes Training regelmäßig anzuwenden, denn mit zunehmendem Training verstärkt sich die Wirkung der Übungen und überträgt sich auf den ganzen Körper. Dabei braucht es täglich nur einige Minuten Zeit, um unser Wohlbefinden positiv zu beeinflussen.

Literaturempfehlungen:

J.H. Schultz, "Bionome Psychotherapie", Thieme 1951

Helmut Brenner, "Autogenes Training - Der Weg zur inneren Ruhe", ISBN-3-936142-62-9

Delia Grasberger,"Autogenes Training";Mit Übungs-CD,G&U 2008, ISBN-978-3-7742-5571-5

Kontakte:

www.vhs.at (laufend Kurse)

www.sjk-wien.at (SDS Gesundheitszentrum am St. Josef Krankenhaus, Auhofstrasse 189, 1130 Wien, Tel: 01/878440)

www.oberlaa.at/mentalebalance.html