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"Ich bin nicht die zweite Wahl"

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv
"Eine extrem herausfordernde und spannende Aufgabe": Hahn freut sich auf Brüssel. Foto: WZ/Robert Strasser

Hahn: Hatte die breite Unterstützung der gesamten Regierung. | EU-Kodex: Hahn will Obmann-Job mit Barroso besprechen. | Wien-Wahl: "Suche nach Spitzenkandidat hat Priorität". | "Wiener Zeitung": Aus einem wochenlangen Machtkampf zwischen SPÖ und ÖVP um die Nominierung des künftigen EU-Kommissars gingen Sie als Kompromisskandidat hervor. Fühlen Sie sich als zweite Wahl? | Johannes Hahn: Nein, überhaupt nicht, weil mein Name ja genauso wie jener von Wilhelm Molterer auf der Liste gestanden ist, die der Bundeskanzler schon vor Wochen EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso übergeben hat.


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Und das hatte offensichtlich auch etwas mit den zur Diskussion stehenden Ressorts zu tun.

Es gab also Zusagen für bestimmte Ressorts?

Nein, aber ich stehe für eine gewisse Themenpalette und die Bundesregierung wollte die Chance auf eine breite Auswahl wahren. Natürlich würde ich gerne in den Bereichen Wissenschaft und Forschung auf europäischer Ebene weiterarbeiten, das sind klare Zukunftsressorts.

Warum hat es dann in der Vergangenheit stets geheißen, erst wenn das Ressort feststehe, könne man die Person nominieren.

Das Ressort auszuverhandeln ist jetzt eine Sache zwischen dem Bundeskanzler und dem EU-Kommissionschef.

Welche Wunden zwischen SPÖ und ÖVP bleiben nach den Auseinandersetzungen der letzten Wochen?

Alle Beteiligten sind längst wieder zur Tagesordnung übergegangen. In der Öffentlichkeit entsteht manchmal ein verzerrter Eindruck: Wenn wir einer Meinung sind, heißt es, die Koalition kuschelt. Wenn nicht, sagt man, wir streiten. Dass die Dinge in der Realität anders vonstatten gehen, geht dabei leider unter.

Aber immerhin hat Bundeskanzler Werner Faymann relativ elegant den erklärten ÖVP-Favoriten Molterer über die Klinge springen lassen.

Ich habe bei der Nominierung die breite Unterstützung der beiden Koalitionsparteien erhalten, es ist eine gemeinsame Entscheidung.

Sie haben erklärt, auch als EU-Kommissar weiter Obmann der Wiener ÖVP bleiben zu wollen. Das dürfte schwer werden, heißt es doch im Kodex der EU-Kommission: "Kommissionsmitglieder dürfen kein wie auch immer geartetes öffentliches Amt ausüben."

Der Kodex sagt auch klar, aktive Parteimitgliedschaften sind erlaubt. Ich werde die Wiener Situation in den nächsten Tagen mit Präsident Barroso persönlich besprechen. Grundsätzlich will ich mir alle Möglichkeiten offen halten. Fakt für mich ist: Sobald ich das Amt des Kommissars antrete, werde ich mich nicht mehr zu parteipolitischen Fragen der Wiener Politik äußern oder auftreten.

Aus den Bezirken melden sich bereits Stimmen, die auf Ihren raschen Rückzug von der Parteispitze drängen. Der mächtige Döblinger Bezirksvorsteher Tiller ist der Wortführer dieser Gruppe.

Ich habe bereits mit Tiller geredet und dabei auch gesagt, dass das keine besonders kluge Aktion von ihm war.

So leicht wird sich die Debatte nicht einfangen lassen.

Die Frage des Spitzenkandidaten für die Wien-Wahl im Oktober 2010 ist entscheidend, die müssen wir zuerst klären. Und wenn dieser oder diese feststeht, dann wird er faktisch auch die Kompetenzen eines Landesparteiobmanns besitzen.

Die Wiener ÖVP steht vor schwierigen Zeiten: Eine Wahl steht vor der Tür und der Obmann und Spitzenkandidat geht nach Brüssel. Verstehen Sie, dass sich viele Funktionäre nun von Ihnen im Stich gelassen fühlen?

Ja, das kann ich bis zu einem gewissen Grad verstehen, ist es doch eine verständliche menschliche Reaktion, die auch eine gewisse Anerkennung für meine bisherige Arbeit beinhaltet. Ich habe aber einen sehr teamorientierten Stil praktiziert - und auf diesem Team kann man für die Zukunft weiter aufbauen.

Sie haben der Wiener ÖVP einen betont liberalen Anstrich gegeben, dieser Weg soll also auch in Zukunft weiterverfolgt werden?

Ja, es zeigen ja auch alle Umfragen, dass wir auf einem guten Weg sind. Es gibt keinen Grund, die Partei neu auszurichten.

Was war der größte Fehler beziehungsweise das größte Versäumnis in der Hochschulpolitik der vergangenen Jahre?

Dass es bislang nicht gelungen ist, die SPÖ in eine hochschulpolitische Diskussion herein zu holen. Österreich ist in eine europäische Realität eingebettet, die man nicht einfach ignorieren kann. Entscheidend ist: In Österreich existieren für alle Bereiche des tertiären Sektors Zugangsbedingungen oder Gebühren. Mit Ausnahme der Universitäten. Wer es etwa die Aufnahme in die Pädagogische Hochschule nicht schafft, geht an die Universität in das Fach Lehramt. Das ist widersinnig.

Unser vorrangiges Ziel muss es sein, die Absolventenzahlen an den Universitäten zu steigern. Einem entsprechenden Plan werde ich mich auch in den kommenden Wochen intensiv widmen. Zum Vergleich: In Deutschland studieren derzeit zwei Millionen Studenten, in Österreich sind es 240.000. Im vergangen Jahr haben in Deutschland 300.000 Studenten ihr Studium erfolgreich abgeschlossen, das heißt jeder Siebente. In Österreich haben wir 24.000 Absolventen, es bendet also nur jeder Zehnte sein Studium. Da haben wir ziemlichen Aufholbedarf.

Welchen Fehler sollte Ihr Nachfolger im Ministerium auf keinen Fall machen?

Er sollte, so wie ich es hiermit halte, seinem Nachfolger öffentlich keine Ratschläge erteilen.