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"Ich dachte, dass ich sterben muss"

Von Daniel Bischof

Zwei Jahre teilbedingte Haft für Mann, der sich als Chirurg ausgegeben haben soll.


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Wien. Auch heute noch ist Frau T. von dem Eingriff traumatisiert. Sie beginnt zu weinen, als sie davon erzählt. Erst nachdem ihr ein Wasser gereicht und Zeit zur Erholung gegeben wurde, kann sie weiterreden. Frau T. wollte sich ihren Busen operieren lassen, mit dessen Form sie nach der Geburt ihres Kindes unzufrieden war. Auf Facebook stieß sie auf ein Gesundheitszentrum, das auf derartige Operationen spezialisiert war. Doch der Eingriff ging schief.

"Ich habe gespürt, wie das Silikon unter der Haut verschoben wurde", schildert die 24-Jährige vor Gericht. Eine Narkose hatte sie nicht bekommen. Sie habe dem Arzt gesagt, dass sie furchtbare Schmerzen habe. Dieser habe ihr eine Spritze gegeben, die auch nicht geholfen habe, und sei dann eine Zigarette rauchen gegangen. Danach habe er, ohne sich zu desinfizieren, weitergemacht. Handschuhe und Mundschutz habe er nicht getragen. "Ich dachte, dass ich sterben muss", erklärt sie.

Durchgeführt wurde die Operation von einem 42-jährigen Mann, der am Montag am Wiener Straflandesgericht wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und schwerer Körperverletzung von einer Einzelrichterin verurteilt wurde. Der bisher Unbescholtene erhielt eine zweijährige Haftstrafe, davon acht Monate unbedingt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.

"Mann war nicht zugelassen"

Zu den Vorwürfen bekannte sich der Angeklagte schuldig: "Ich bedauere es außerordentlich", sagte er. "Ich hätte an diesem Ort überhaupt nicht das Skalpell benutzen sollen", meinte er. Mehr wollte der Mann nicht sagen: Er machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

"Der Mann war bei uns nicht als Arzt zugelassen. Wir haben ihn in keiner Datei", erklärte ein Sprecher der Wiener Ärztekammer der "Wiener Zeitung". Der 42-Jährige war in einer Institution in Meidling tätig, die sich im Internet als Gesundheitszentrum anpries. Sie dürfte durchaus erfolgreich gewesen sein. "Dort haben immer Menschen gewartet", erklärte eine Zeugin. "Bei diesem angeblichen Zentrum handelt es sich um keine Gruppenpraxis oder sonst ein medizinisches Zentrum", erklärte der Sprecher. Daher sei der Ärztekammer das Zentrum nicht bekannt gewesen.

In dem Zentrum wurden laut Staatsanwaltschaft Wien grundlegendste Hygienebestimmungen missachtet. Chirurgische Eingriffe wurden auf einem Massagetisch vorgenommen, der Angeklagte soll teils in Straßenkleidung operiert haben. Einer Frau wurden eigenen Angaben zufolge auch Fantasieprodukte verabreicht: Ihr wurde eine gelbartige Flüssigkeit in den Busen gespritzt, die diesen angeblich wachsen lassen sollte. Das sei eine neuartige Behandlungsmethode, sei ihr gesagt worden.

Konkret ging es um sechs Fälle: Vier Frauen und zwei Männer sollen unsachgemäß behandelt worden sein. Sie hatten teils erheblich unter den Nachfolgen zu leiden. So infizierte sich bei Frau T. die Wunde. Bei einem Facharzt musste sie sich nachoperieren lassen: "Er hat gesagt, dass ich sonst sterben könnte."

"Die habe ich versäumt"

Ob der Angeklagte, ein Slowake mit libanesischen Wurzeln, eine medizinische Ausbildung hat, ist unklar. Er selbst gab an, sechs Jahre in der Slowakei Medizin studiert zu haben. Nur eine Prüfung habe ihm zum Abschluss gefehlt: "Die habe ich versäumt."

"Das ist furchtbar, wenn man als Patient so behandelt wird", meinte sein Verteidiger Herbert Eichenseder. Sein Mandant habe gewusst, dass er sich Probleme schaffe. Doch habe er nun einmal versucht, in "Österreich Fuß zu fassen", nachdem ein Kollege aus der gemeinsamen Arztpraxis in Bratislava ausgestiegen sei.

Im Internet finden sich auch Berichte, größtenteils aus der Slowakei, über den Mann. Bereits im Oktober 2016 schrieb eine englische Zeitung über ihn, weil er Fotos von seinen Operationen im Internet veröffentlicht hatte, ohne Einwilligung seiner Patienten, die darauf entblößt zu sehen sind.

In Wien nahm der Mann noch bis mindestens August 2017 Eingriffe vor. Die für Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht zuständige MA40 wurde auf den Fall aufmerksam und zeigte ihn bei der Staatsanwaltschaft an. Detailinfos wurden der "Wiener Zeitung" auf Anfrage nicht bekanntgegeben. Ein Bericht, wonach die slowakischen Behörden Wien im Oktober 2017 über die Praktiken des Mannes informierten, wurde seitens der MA40 jedoch bestätigt.