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Ich danke Bundesministerin Susanne Raab

Von Robert Menasse

Befreit man das Gemeinte aus dem Gesagten, wird eigentlich ein klares Bekenntnis zur gedruckten Tageszeitung deutlich.


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Die Regierung hat die Absicht, die Print-Ausgabe der "Wiener Zeitung" einzustellen, den ORF zusammenzustutzen und stärker unter politische Kontrolle zu bringen, kurz: öffentlich-rechtliche Medien massiv zu beschädigen. Die Türkisen sind eben fixiert auf Message Control, ihrem neuen Spezialgebiet, nachdem sie ihre Kompetenz in Europa- und Wirtschaftspolitik verloren haben.

Von den Grünen allerdings hätte man erwarten können, dass sie die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Medien für die Demokratie kennen und bereit sind, sie zu verteidigen. Aber die grünen Regierungsmitglieder schweigen, stimmen also wie schon in anderen hochproblematischen Fällen durch Schweigen zu, während die grüne Mediensprecherin beweist, dass sie den Schnellkurs "Rede frei von der türkisen Leber weg und nimm dir kein Blatt vor deren Mund" mit "Sehr gut" absolviert hat.

Die Probleme mit dem "Digitalen"

Nun liegen alle meine Hoffnungen bei Medienministerin Susanne Raab. Diese hat nämlich unlängst durch ein Statement gezeigt, dass sie zumindest unbewusst ahnt, wie schädlich die geplante Medienreform für die österreichische Öffentlichkeit und Demokratie wäre. Wir müssen nur das unbewusst von ihr Gemeinte aus dem Gesagten befreien. Sie sagte: "Die Zukunft des Medienmarkts ist das Digitale. Diesen Weg bestreitet die ‚Wiener Zeitung‘ nun auch."

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Gehen wir das durch. Sie hebt an mit "Die Zukunft". Natürlich weiß Frau Raab, dass man von einer Ministerin nicht erwartet, dass sie eine Hellseherin ist und in die Zukunft schauen kann. Im Politischen verweist der Begriff Zukunft ja zunächst auf die kritische Reflexion der Gegenwart. Demokratische Politik ist Gestaltungsanspruch in der Gegenwart, in der ihr Zeit übertragen wurde. In dieser ortet sie Defizite und Desiderate, reagiert auf Krisen und nutzt Chancen, immer auf der Suche nach einem Ausgleich widersprüchlicher gesellschaftlicher Interessen. Zukunft ist also in der Politik nur die Agenda, die heute ansteht. Deshalb setzt Frau Raab in ihrem Statement das Prädikat nicht ins Futur ("Die Zukunft ... wird sein ..."), sondern folgerichtig ins Präsens ("Die Zukunft ... ist ...").

Und wo ortet Frau Raab heute also Defizite und Probleme, die einer gesetzlichen Regelung bedürfen? Im "Digitalen". Sie sagte nicht "Digitalisierung", die ein Prozess ist, der natürlich immer weitergehen wird und der weit in die Zukunft hinein reicht, von der wir ja nicht wissen, was sie alles bringen wird, sie sagte "das Digitale", verwies also auf den heutigen Stand der Dinge, mit dem wir Erfahrungen haben und wo sich genug Probleme zeigen, die wir nun lösen müssen. (Dann kann sich die Zukunft sehen lassen.)

Nun ist "das Digitale" ein weites Feld, hat alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen, weshalb Medienministerin Raab natürlich klarmachen muss, dass sie nur im Bereich ihres Ressorts Verantwortung trägt. Deshalb präzisiert sie, in welchem Bereich gesetzlich eingegriffen werden müsse: nämlich im "Medienmarkt". Und das ist interessant. Sie sagte nicht "Medien", sie sagte nicht "die klassischen und die neuen Medien", sie sagte nicht "Medienmarkt und öffentlich-rechtliche Medien", sie sagte nur "Medienmarkt".

Und diesem stehen die öffentlich-rechtlichen Medien bekanntlich gegenüber, als seriöses Korrektiv der Content-Produzenten. Ministerin Raab sagte also: Ich rede nicht von öffentlich-rechtlichen Medien, die ja Teil der Daseinsvorsorge für eine demokratische Gesellschaft sind, ich rede nur vom Markt mit seinen partikularen ideologischen und/oder finanziellen Interessen, zumal dieser Markt ja zunehmend den öffentlichen Diskurs beschädigt: durch neue Medien, wie wir sie kennengelernt haben ("das Digitale"), die noch nicht vom Medienrecht erfasst sind, und durch Fake, Politikerpressung, Inseratenkorruption und so weiter. Das gehört endlich geregelt.

Das öffentlich-rechtliche Korrektiv stärken

Ja, das sagte sie, wenn man ihr Statement genau liest, das hat ihr ihre innere Stimme in den Mund gelegt. Und letztlich, wenn man das weiterdenkt, auch die Konsequenz daraus: Wer den Markt vernünftigerweise ordnen will, muss das Korrektiv stärken, also die öffentlich-rechtlichen Medien, die sie deshalb in ihrem Statement nicht unter den Begriff "Markt" subsumierte, und eben deshalb auch nicht in einem Atemzug mit dem "Markt" nannte.

Dies legte ihr eine innere Stimme in den Mund, und um keinen Zweifel daran zu lassen, wie wir ihr Statement zu verstehen haben, setzte sie fort: "Diesen Weg bestreitet die ,Wiener Zeitung‘ nun auch." Das Verbum "bestreiten" ist eine klare Ansage, eine sprachlich meisterhafte List von Frau Raabs Unbewusstem: Ja, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass es bloß um Marktgängigkeit gehen darf, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass sich Journalismus in Zukunft in digitalen Dienstleistungen erschöpfen soll, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass Print keine Zukunft hat, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass es der freien Entfaltung der Medienvielfalt dient, wenn öffentlich-rechtliche Medien im Würgegriff der Politik erdrosselt werden, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass es den Medien auf dem Markt automatisch besser geht und dies automatisch dem aufgeklärten gesellschaftlichen Diskurs dient, wenn öffentlich-rechtliche Medien beschädigt werden, die "Wiener Zeitung" bestreitet, dass staatliche Millionenförderung für Boulevardmedien eine sinnvolle Investition in Medienvielfalt ist.

Die "Wiener Zeitung" in die Zukunft führen

Und im Gegensatz zur Situation, wie sie Frau Ministerin Raab eingangs beschrieben hat ("Das Digitale ist ..."), bezeichnet sie nun dieses "Bestreiten" der "Wiener Zeitung" als "Weg", also als das Gangbare, das wirklich in die Zukunft führt. Ja, richtig, das ist der Weg, den die "Wiener Zeitung" gehen will und soll, und zwar, wie Ministerin Raab schließt: "nun auch." Mit diesem "Nun auch" sagt ihr Unbewusstes deutlich und mit spürbarer Zufriedenheit: Die "Wiener Zeitung" ist nicht alleine.

Frau Minister, hören Sie auf Ihre kluge innere Stimme! Und dann, mit der Vorgabe der Medienministerin, werden hoffentlich auch die Grünen innere Stimmen hören: die Stimme der Vernunft und die Stimme des Gewissens. Oder haben sie auch diese Stimmen schon verloren?