Studentenvertreterin fordert mehr Mitbestimmung in allen Bereichen. | "Forum Hochschule": Alternative zu Töchterles Hochschulplan?
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"Wiener Zeitung":Mit dem Forum Hochschule wollen Sie einen alternativen Hochschulplan erstellen. Erfinden Sie damit nicht das Rad neu? Immerhin gab es schon den Dialog Hochschulpartnerschaft, und Sie könnten sich ja auch in den Hochschulplan von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle einbringen...
Janine Wulz: Das Kernproblem des Hochschulplans ist unter anderem, dass er die Lebenssituation der Studierenden und den Alltag der Lehrenden komplett ausblendet. Von einer Basis zu starten, die zwei Drittel der Hochschulangehörigen ausspart, macht nicht viel Sinn. Wir wollen und müssen gemeinsam mit allen Hochschulangehörigen darüber diskutieren, in welche Richtung der Zug Hochschulbildung fahren soll.
Verlangen Sie damit nicht ein wenig zu viel direkte Demokratie?
Das Ziel soll sein, dass die Mitbestimmung in allen Lebensbereichen so groß wie möglich ist. Das ist meine Vision der Gesellschaft. Das brauchen wir auch in der Bildung und an den Hochschulen. Die Studierenden und Lehrenden müssen einbezogen werden, nur so können wir es schaffen, die Hochschulen zu den besten, die möglich sind, zu entwickeln. Töchterle regt sich darüber auf, dass es zwar viele Studienanfänger gibt aber zu wenige Absolventen. Dann muss man sich eben ansehen, was die Menschen daran hindert, ein Studium abzuschließen und warum der Drop-Out gerade am Ende des Studiums so hoch ist. Dann verliert die Unterstützung der Eltern, die Familienbeihilfe, die Stipendien und muss Studiengebühren zahlen. Kein Wunder, dass die Menschen dann arbeiten müssen und nicht fertig studieren können.
Dem könnte man entgegen halten, dass sie dann eben zu lange studieren. In vielen Ländern - zum Beispiel in den Niederlanden - müssen sich Studierende, die zu lange brauchen, eben irgendwann an den Studienkosten beteiligen.
Ja, aber diese Grenze bei 24 Jahren zu ziehen, wenn viele Studierende nach fünf Jahren BHS und Zivildienst überhaupt erst mit 21 zu studieren beginnen, ist absurd. Da geht sich gerade ein Bachelor in Mindeststudiendauer aus. Nicht die, die im 30. Semester sind, haben hier finanzielle Probleme, sondern die Regelstudenten.
Was ist das konkrete Ziel ihres "Forums Hochschule"?
Wir werden ganz konkrete, detaillierte Vorschläge ausarbeiten. Bezogen auf ein Beihilfensystem würde das zum Beispiel heißen, dass wir die Bezugsgruppen schon genau definieren. Ziel ist eine Verhandlungsbasis mit Töchterle. Ich erwarte mir, dass der Minister das ernst nimmt, wenn sich schon so viele Menschen zusammensetzen und seinen Job machen.
In der Hochschuldebatte besteht ein großer Graben zwischen Befürwortern und Gegnern von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen, wo es seit Jahren scheinbar keine Annäherungen gibt. Wie soll das jemals zusammenpassen?
Die Pläne, die derzeit vorgelegt werden, sind Ausdruck einer sehr einseitigen Betrachtungsweise. Ich hoffe, dass durch Diskussion auch andere Betrachtungsweisen in die Debatte Eingang finden.
Aber ist nicht auch Ihre Betrachtungsweise eine einseitige? Von Ihnen gibt es ja auch ein kategorisches Nein zu Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen.
Wir sind uns alle einig, dass eine Veränderung am Hochschulsektor eine andere Finanzierung braucht. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir tatsächlich das Ziel erreichen können, zwei Prozent des BIP in den Hochschulsektor zu investieren. Hier muss auch beispielsweise die ÖVP ihre Scheuklappen ablegen und anfangen, über Vermögenssteuern nachzudenken. Natürlich werden wir uns dagegen verwehren, wenn es heißt: "Wir brauchen mehr Geld für die Hochschulen und das sollen Studierenden zahlen." Es ist eine Frage der Prioritätensetzung.
Ist es nicht aber auch ein bisschen unfair, dass die Steuerzahler - auch die Gleichaltrigen, die vielleicht schon seit fünf Jahren arbeiten - die finanzielle Last für die Studienplätze tragen müssen?
Dazu muss man sagen, dass Akademiker drei Mal mehr Steuern in ihrem Leben zahlen als Leute, die keinen akademischen Abschluss haben. Es findet also nicht statt, dass die Billa-Kassiererin jemand anderem das Studium finanziert. Ich sage damit nicht, dass unser Steuersystem gerecht ist, gerade, was die höheren Einkommen betrifft. Natürlich arbeiten viele Menschen neben ihrem Studium - diese Zeit verwenden sie dann aber nicht darauf, zu lernen oder ihre Diplomarbeit zu schreiben. Damit studieren sie länger und reizen ohnehin wieder das Zuschusssystem aus. Es ist beides irgendwie blöd. Das Ziel muss sein, dass die Leute Zeit dazu haben, sich mit dem Studium auseinanderzusetzen und nicht zu arbeiten oder wenn, dann in einem Job, der mit dem Studium zu tun hat.
Eine Arbeitsgruppe im "Forum Hochschule" soll sich mit Hochschulorganisation auseinandersetzen. Sollen die Unis trotz allem auch berufsbegleitende Studien anbieten?
Natürlich braucht es eine Prioritätensetzung für berufsbegleitende Studien.
Sie wollen auch das Beihilfensystem reformieren. Wie soll das aussehen?
Die Studierenden sind in Österreich die einzige erwachsene Gruppe, deren Sozialleistungen noch immer von den Eltern abhängig gemacht werden. Studierende werden also immer noch wie kleine Kinder behandelt. Ich würde vorschlagen, dass man sie als mündige Erwachsene behandelt und ihre finanzielle Absicherung auch auf Basis ihrer realen Lebensumstände bemisst und die Eltern außen vor lässt. Der erste Schritt wäre natürlich, die Familienbeihilfe direkt auszubezahlen. Der zweite Schritt, wären höhere Beihilfen, die einem größeren Bezieherkreis zu Gute kommen.
Also so etwas wie Mindestsicherung für Studierende?
Das wäre möglich, das müsste man im Detail ausdiskutieren. Es kann aber nicht sein, dass nur 18 Prozent der Studierenden Studienbeihilfe beziehen, aber 60 Prozent Teilzeit arbeiten.
Wie ist ihr Verhältnis zu Minister Töchterle?
Wir haben eine gute Gesprächsbasis. Ich glaube und erwarte mir, dass der Minister dazu bereit ist, auf unsere Vorschläge, aber auch auf unsere Kritik einzugehen.
Ist es für Sie hilfreich, dass er aus dem Universitätsbetrieb kommt?
Er kennt sich sicherlich gut aus, in dem wie Hochschulen organisiert sind. Er kennt sich aber nicht so gut aus, was den Lebensalltag von Studierenden betrifft. Da hoffe ich doch, dass er unsere Expertise annimmt.