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"Ich glaube, dass ein Deal wirklich möglich ist"

Von Arian Faal

Politik

Exklusiv-Interview mit Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wiener Zeitung: Die Atomgespräche sind in der einer sehr heiklen Phase so knapp vor dem Ende der Deadline am 24. November. Wie wahrscheinlich ist ein Deal?

Sergej Rjabkow: Ich glaube, dass ein Deal wirklich möglich ist. Alle Fragen sind bekannt und es wird nur darauf ankommen, ob die Verhandlungsparteien den politischen Willen dafür aufbringen.

Was sind die größten verbleibenden Brocken - die Zentrifugen und die Lockerung der Sanktionen?

Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen und die Verhandlungen öffentlich machen. Aber Sie wissen ja es heißt, nichts ist vereinbart, bevor nicht alles vereinbart ist. Dennoch, Sie haben Recht. Die wie von Ihnen angesprochenen Themen sind in der Tat sehr relevant.

Moskau hat ja angeboten, iranisches Nuklearmaterial nach Russland zu bringen. Können Sie uns da mehr dazu sagen?

Das ist eine der Ideen, einiges der nuklearen Materialen nach Russland zu transportieren. Es ist aber nur ein Vorschlag, und ob er realisiert wird, ist noch offen.

Was passiert eigentlich, wenn es keinen Konsens bis zur Deadline gibt? Teheran und Washington haben ja eine abermalige Verlängerung des Interim-Abkommens kategorisch abgelehnt.

Schauen Sie, wir haben überhaupt keine Plan-B-Option in der Schublade. Nicht weil, wir naiv sind, sondern weil wir unsere ganze Aufmerksamkeit den kommenden Verhandlungen widmen. Ich bin absolut positiv gestimmt und es sind Experten am Werk, also hoffe ich auf eine Einigung. Die iranische Außenamtssprecherin und der US-Außenminister John Kerry meinten, 90 Prozent seien bereits erledigt… Ich bin mit dieser Einschätzung einverstanden. Wissen Sie, Diplomatie ist in gewisser Weise wie Kunst. Das Bild erhält seine wichtigste Note erst zum Schluss und bevor nicht die letzten Pinselstriche vollbracht sind, kann man noch kein Urteil abgeben. Aber die letzten fünf oder 10 Prozent der Verhandlungen werden natürlich die schwierigsten.

Als ich Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif fragte, ob man den Atomstreit mit einem Zug vergleichen kann, der endlich im Endbahnhof ankommen will nach elf Jahren, meinte er, der Zug sei nie richtiger in Richtung Bahnhof gefahren. Teilen Sie diese Analyse?

Ich kann Zarifs Worte unterstützen. Ich selbst bin ja seit 2008 involviert in den Konflikt und ich kann Ihnen versichern, dass seither nie so professionell und auf Augenhöhe verhandelt wurde wie jetzt. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die Streitparteien wie eine Schiffscrew sind und versuchen müssen das Schiff richtig zu navigieren.

Kommen wir zu den Akteuren: Könnte es einen Einfluss auf den Ausgang der Verhandlungen haben, dass die ehemalige EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton Verhandlungsführerin bleibt? Es heißt ja, Sie kann sehr gut mit Zarif…

Wie heißt es so schön auf Russisch: Tausche nie die Pferde beim Überqueren eines Flusses. Lady Ashton hat ihren Job perfekt gemacht und ist auch als Verhandlungsführerin sehr kompetent und mit den Details vertraut. Die positive Chemie zwischen Zarif und Ashton wirkt sich natürlich sehr positiv aus.

Zarif wird von Kerry als einer der besten Außenminister der Welt bezeichnet…

Ich habe diese Meldung gesehen. Ich muss ihm Recht geben. Die Perser gehören zu den besten Diplomaten der Welt. Sie haben eine jahrtausende alte Kultur und Geschichte und, das macht sich auch bei den Verhandlungen bemerkbar. Sie würden nie etwas tun, was den Interessen ihres Landes widersprechen würde. Zarif führt die Verhandlungen mit dem notwendigen Respekt und Fingerspitzengefühl. Es ist eine sehr stolze Nation.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Oberste Geistliche Führer Ali Khamenei. Er hat Zarif mit "Flexibilität und Vertrauen" ausgestattet und die Hardliner im Iran zurückgepfiffen….

Ich hege keinen Zweifel daran, dass Khamenei nicht nur in die Verhandlungen involviert ist, sondern auch strikte Anweisungen gibt. Er sorgt dafür, dass Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Jedenfalls ist für uns ersichtlich, dass der politische Wille im Iran für einen Deal vorhanden ist.

Ein eventueller Deal muss vom iranischen und amerikanischen Team aber zu Hause verkauft werden, auch gegenüber den jeweiligen Hardlinern und das dürfte ein sehr schwieriges Unterfangen werden.
Also zu den Hardlinern möchte ich folgendes sagen. Es kann in einem Land jeder seine Meinung sagen und auch anderer Meinung sein als die Regierung. Sonst gäbe es ja keinen politischen Diskurs. Aber für die Obama-Administration wird es tatsächlich schwierig, einen Deal zu Hause zu verkaufen.

Die kommenden Gespräche finden in Maskat statt. Oman spielt seit vielen Jahren eine wichtige Vermittlerrolle…

Vollkommen korrekt. Das Sultanat ist schon seit Jahren hinter den Kulissen aktiv und war auch am Zustandekommen des Interim-Deals maßgeblich beteiligt. Maskat ist sehr bemüht, verantwortungsvoll und vorsichtig. Diplomatie kann nicht auf offener Kulisse in den Medien stattfinden. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber wenn es wirklich etwas Heikles zu besprechen gibt, dann geschieht dies hinter verschlossenen Türen. Der Sultan vom Oman, Qabus, bietet uns diese Option. Ich bin diesbezüglich auch mit dem iranischen Vizeaußenminister auf einer Linie, der gemeint hat, die kommenden Verhandlungen in Maskat werden den Ausgang des Konflikts bestimmen. Die kommende Woche ist eine Schlüsselwoche, wo die Weichen gestellt werden.

Abschließend zur Ukraine: Könnte eine Lösung des Atomstreits auch zu einer Entspannung zwischen Russland und dem Westen wegen der Ukraine-Krise beitragen?

Lassen Sie mich hier sehr offen sein: das hängt davon ab, wie sich die USA und die EU verhalten werden. Wenn man sich die ungerechtfertigten Sanktionen ansieht, die sie gegen uns verhängt haben, dann sage ich klar, dass wir das nicht akzeptieren. Es ist hart unseren Landsleuten zu erklären, was das Ganze eigentlich bedeuten soll. Denn es gibt in Russland viele Menschen, die glauben, dass die Ukraine-Sanktionen für den Westen nur ein Vorwand waren, um negative Schritte gegen Russland einzuleiten. Aber wissen Sie was? Was die USA und die EU da machen, ist mir völlig egal. Wir fürchten uns nicht vor unilateralen Aktionen.

Das klingt nach einem langwierigen Konflikt….

Wir haben in der Ukraine nichts Unrechtes getan. Es gab in der Krim eine Volksabstimmung, die unter Einhaltung aller demokratischen Standards abgelaufen ist. Dabei wurde entschieden, dass die Menschen dort wieder zu Russland gehören möchten. Manche Länder machen einige barbarischen Akte und ich verstehe nicht warum. Aber eines noch: Was in der Südostukraine passiert, damit hat Russland nichts zu tun.

Das Interview entstand in einer Cooperation zwischen der Austria Press Agentur und der Wiener Zeitung.