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"Ich hab’ halt immer meinen Pass mit"

Von Mathias Ziegler

Politik
"Ein Polizist, der meine Papiere kontrolliert, macht ja auch nur seinen Job", meint Simplice Mugiraneza.
© Moritz Ziegler

Stand-up-Comedian Simplice Mugiraneza alias Soso im Interview über Alltagsrassismus und Afrikaner als Exoten.


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Wien. Seit drei Jahren steht Simplice Mugiraneza alias Soso auf der Kabarettbühne und macht Witze darüber, wie es einem Afrikaner in Österreich geht. Obwohl - oder vielleicht auch gerade weil - die Lebensgeschichte des 31-Jährigen eigentlich gar nicht zum Lachen ist. Seine Familie flüchtete aus dem Bürgerkriegsland Burundi, 2001 kam zunächst sein Vater mit dem kleineren Bruder über Kenia nach Österreich, dann durfte Soso nachkommen. Seine Mutter kam erst später nach, weil die Familie sich zunächst nicht Flugtickets für alle vier leisten konnte. Vielleicht spielen diese Erlebnisse mit, wenn Soso die aktuelle Integrations- und Rassismus-Debatte etwas entspannter sieht als andere.

"Wiener Zeitung": Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Integration in Österreich?Simplice Mugiraneza: Ich finde es nicht so schlimm, wie viele Leute sagen. Es gibt auch Leute, die schnell aufgeben. Überall auf der Welt ist es schwierig. Rassismus gibt es überall, Protektion gibt es überall, Jobs sind überall Mangelware. Aber es stimmt schon auch, dass viele Österreich Angst vor dem Fremden haben. Das heißt aber nicht, dass sie alle Rassisten sind. Und als Afrikaner bin ich halt was Neues. Ich war schon in Gegenden in Österreich, in denen die Menschen noch nie zuvor einen Afrikaner gesehen haben. Ich bin halt was Exotisches. Ich versuche mit meinem Kabarett auch, eine Brücke zwischen Afrikanern und Europäern zu schlagen, indem ich auf eine lustige Art offen über Probleme spreche.

Sie sagen selbst, dass Sie dabei auf Political Correctness pfeifen . . .

Ich sage auch Dinge, die sich ein Nicht-Afrikaner nicht erlauben dürfte. Ich rede über fast alles, erzähle auch Dinge, bei denen das Publikum nicht weiß, ob es lachen oder Mitleid haben soll.

Was davon haben Sie selbst erlebt?

Alles. Aber natürlich wird es kabarettistisch überhöht.

Sehen Sie im Vergleich zu Ihrer Ankunft in Österreich einen Unterschied im Umgang mit Afrikanern?

Ja, schon. Wir werden immer mehr und sind auch langsam in den Medien präsenter. Ich glaube, dass zum Beispiel David Alaba dazu geführt hat, dass die schwarze Bevölkerung in Österreich mehr wahrgenommen und auch anerkannt wird.

Haben Sie lange gebraucht, um Deutsch zu lernen?

Ich bin noch immer dabei. Deutsch ist sehr schwierig. Nur bis vor drei Jahren brauchte ich es nicht unbedingt, weil ich einen Job als Lagerarbeiter hatte, da ging es auch so. Erst mit dem Kabarett ist es wirklich wichtig für mich geworden. Es war vorher kein Zwang da, perfekt Deutsch lesen und schreiben zu lernen.

Wie oft wurden Sie selber schon von der Polizei angehalten?

In Wien erst einmal. Ich habe einige Zeit in Linz gewohnt, da war es sehr schlimm. Dort gab es sogar monatliche Razzien in afrikanischen Klubs. Aber wenn ein Polizist meine Papiere sehen will, zeige ich die halt her, und es ist schnell erledigt. Jeder Polizist muss seine Arbeit machen und sich nicht dafür rechtfertigen. Sicher wird es auch welche geben, die das ausnutzen, weil sie ein bisschen rechts oder rassistisch sind. Aber es ist klar, dass die Polizei auf der Suche nach illegalen Einwanderern zuerst zu mir kommt, weil ich schwarz bin. In Afrika würde dafür ein Europäer auffallen. Ich habe halt meinen Reisepass immer mit. Ich mache da kein Drama daraus.

Aber einen Gag fürs Kabarett . . .

Ja, das ist viel Stoff für meine Comedy. Aber ich habe ein Problem damit, dass viele Leute sich von mir als Afrikaner grundsätzlich erwarten, dass ich jammere und sage, wie schlecht es mir hier geht. Es gibt Leute, die definieren sich als Opfer. Aber ich bin nicht der Typ, der nur über Missstände und Rassismus reden will. Ich habe in verschiedenen Ländern gelebt, bevor ich nach Österreich gekommen bin. Ich habe in Tansania an einer Privatschule Französisch gelernt - und eines Morgens war die ganze Schule leer, nachdem alle Kinder verhaftet wurden, weil wir Ausländer waren. Ich kann ja auch nicht zurück nach Burundi, wo die Leute einander gegenseitig umbringen. Soll ich mich jetzt aufregen, wenn mich hier ein Polizist kontrolliert?

Also machen Sie auch kein anklagendes Anti-Rassismus-Kabarett?

Ich will lieber über positive Dinge reden und alles Negative so schnell wie möglich vergessen. Ich erzähle lieber lustige Sachen, zum Beispiel wie ich in Kärnten im Fasching mit dem Auto von der Straße abgekommen bin und mir zwei Einheimische geholfen haben. Die waren beide voll betrunken, und der eine hat gefragt, warum ich überall so schwarz bin. Und noch bevor ich antworten kann, sagt der andere: "Herst, du Deppata, Fasching is!" So was hat nichts mit Rassismus zu tun - die haben einfach nur nicht erwartet, dass sie einen Afrikaner treffen, und das nicht realisiert.

Ein gutes Beispiel für den Umgang mit Rassismus ist für mich auch Dani Alves vom FC Barcelona: Der hat eine Banane, mit der er beworfen wurde, einfach aufgegessen. Man kann mit Humor Rassismus bekämpfen. Wenn ein Rassist mich beschimpft und ich mich darüber aufrege, erfülle ich ja ganz genau seine Erwartungen.

Wie kamen Sie überhaupt zum Kabarett?

Ich unterstütze mit einem Verein Straßenkinder in Afrika. Und bei einem Tag der offenen Tür wollte ich nicht nur lamentieren, sondern habe halt meinen Vortrag mit Gags aufgelockert. Das hat eine Frau auf Video aufgenommen, und als das Alexis Neuberg von Afrika TV gesehen hat, hat er mir gesagt, ich soll Comedy machen. So hat es angefangen.

Und ab heute gibt es "Soso’s Comedy Club" im Vindobona. Da kommen jeden Abend andere Gäste. Was darf man sich da erwarten?

Es ist richtige Stand-up-Comedy mit den verschiedensten Typen: Manche reden über Politik, andere über sich selbst. Es ist eine möglichst bunte Mischung, sehr multikulti, das war uns wichtig. Ich habe festgestellt, dass sich da in Österreich nicht viel tut, da dominiert das klassische Kabarett. Ich habe aber viele Künstler kennengelernt, die kaum gebucht werden, weil sie eben Stand-up machen. Da wollen wir jetzt ansetzen, weil ich überzeugt bin, dass das die Zukunft ist. In Deutschland hat schon jetzt alles, was dort erfolgreich ist - von Kaya Yanar über Bülent Ceylan bis zum "Quatsch Comedy Club" - mit Stand-up zu tun. Und da wird sich auch Österreich nicht verschließen können.

Soso’s Comedy Club
Vindobona Wien, Wallensteinplatz
Termine: 26. März, 17. April, 22. Mai, 16. Juni
Karten: Tel. 01/512 47 42, www.vindo.at