Im Jugendparlament in Tulln diskutieren Teenager über Europapolitik.
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Tulln. Es ist ein heißer Sommertag, die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Die Stimmung in der Jugendherberge in Tulln ist ausgelassen und entspannt: Es ist Mittagspause. Die Jugendlichen sitzen auf der Wiese und plaudern. Doch anstatt den Tag mit Freunden im Freibad zu verbringen, sitzen die Jugendlichen tagsüber in den düsteren Räumen der nahegelegenen Handelsschule im niederösterreichischen Tulln und machen sich Gedanken über die Zukunft der Europäischen Union. Sie sind Delegierte des Europäischen Jugendparlaments.
Mehr als hundert junge Menschen im Alter von 16 bis 22 Jahren nehmen am heurigen internationalen Forum in Tulln teil, 40 von ihnen aus Österreich. Das Thema der Veranstaltung lautet "Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert". Die Jugendlichen reisen aus ganz Europa an, um in verschiedenen Ausschüssen über Themen wie die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine oder die Eurokrise zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu finden. Gesprochen wird Englisch.
Am heutigen Dienstag, dem letzten Tag des Forums, wird die fertige Resolution präsentiert, in der sich die Arbeiten der insgesamt sieben Ausschüsse wiederfinden. "Ich habe etwas zu sagen, deswegen bin ich hier. Ich habe mich für den Stadtplanungs-Ausschuss gemeldet", sagt die 17-jährige Emilia Mroczko aus Polen. Sie verbringt die Mittagspause gemeinsam mit zwei ihrer neuen Freunde. Seit vergangenen Freitag ist sie in Tulln. Ihre Motivation, am Forum teilzunehmen, ist schnell erklärt: "Ich interessiere mich für Politik und Umwelt. Und ich will etwas Gutes tun, nicht einfach nur in den Ferien zuhause herumsitzen".
Die Teilnehmer haben sich im Vorfeld der fünftägigen Veranstaltung für einen Ausschuss beworben, der sie besonders interessiert. Bei der Ausschussarbeit lernen die Jugendlichen, logisch zu denken und zu argumentieren. Vor allem aber lernt die Jugend von der Jugend: Die Sitzungen werden von Moderatoren geleitet, die zwar schon einige Veranstaltungen der Organisation besucht haben, dennoch aber meist selbst noch Studenten sind. "Unser Präsident, der die Plenarsitzung leitet, ist mit 24 Jahren schon relativ alt", sagt Leo Kaindl, der die Veranstaltung mitorganisiert. "Man hat hier eine riesige Menge an Verantwortung, da lernt man viel", erklärt er. Auch das gesamte Organisationsteam einschließlich dem Projektleiter bestehen aus jungen Menschen; die meisten von ihnen sind Studenten, die unbezahlt arbeiten.
Politischer Einfluss gering
Die Mittagspause ist inzwischen zu Ende gegangen, und die Jugendlichen finden sich wieder in ihre Arbeitsgruppen ein. Der Spaß kommt trotzdem nicht zu kurz; auch nicht, wenn über ernste Themen wie die Eurokrise diskutiert wird. "Man spricht über europapolitische Probleme und lernt dabei auch gleich die Sicht der Leute kennen, die in den betroffenen Ländern leben", sagt eine der Teilnehmerinnen. Vor dem Forum haben die Delegierten eine Infosammlung zum Thema ihres Ausschusses erhalten und auch selbstständig recherchiert. Seit vergangenem Samstag haben sie ihre Fragestellungen bearbeitet und nach Lösungsvorschlägen gesucht. Das Ergebnis ist eine zweiseitige Resolution, die dann gemeinsam mit den Resolutionen der anderen Ausschüsse in einer Broschüre erscheint. Im abschließenden Plenum am heutigen Dienstag werden die einzelnen Resolutionen vorgestellt und diskutiert. Die fertige Broschüre wird dann an die jeweiligen Stellen innerhalb der EU und bei internationalen Sitzungen auch an die Europäische Kommission übermittelt. "Der politische Einfluss ist leider nicht gegeben", sagt Leo Kaindl. "Obwohl: Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard liest unsere Resolutionen."
Fabian Sommer ist Projektleiter des Tullner Forums. Seit acht Monaten planen er und sein Team die fünftägige Veranstaltung. Der Student ist seit 2010 Mitglied der Organisation. Für ihn ist die Arbeit eine persönliche und berufliche Bereicherung: "Man lernt, mit Menschen aus anderen Ländern umzugehen. Diese interkulturelle Kompetenz wird auch im Berufsleben immer wichtiger."