Viereinhalb Jahre Haft für Ex-Volleyballtrainer. Er soll sechs Mädchen missbraucht haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Wien. Er leugnet - und gesteht dann doch. Er beschwichtigt - und bereut dann doch. Herr H. ist ein wankelmütiger Mann. Mal sagt er dies, mal jenes. "Ich bin Hetero. Ich stehe auf Ältere. Nicht auf Kinder", meint er anfangs. Nur zwanzig Minuten später gibt er zu: "Ja, ich bin pädophil."
Seine pädophilen Neigungen bringen H. am Mittwoch vor einen Schöffensenat (Vorsitz: Sonja Höpler-Salat) des Wiener Straflandesgerichts. Sechs Mädchen soll der 61-Jährige von 2000 bis zum Sommer 2016 missbraucht haben. Er ist unter anderem wegen sexuellem Missbrauch von Unmündigen und Herstellung und Besitz von kinderpornografischem Material angeklagt. Auf Trainingslagern und in seiner Wohnung soll der Ex-Volleyballtrainer die Mädchen an ihren Geschlechtsorganen berührt und davon Fotos gemacht haben. Unzählige solcher Fotos wurden bei ihm sichergestellt. Sein jüngstes Opfer soll seine sechsjährige Enkeltochter sein. Er hat sie laut Anklage 41 Mal unsittlich berührt.
Laut den mutmaßlichen Opfern ging H. dabei immer nach demselben Schema vor. Der Wiener trainierte mit den Mädchen, schenkte ihnen Spielsachen und gab ihnen Nachhilfe in Englisch und Mathematik. Günstige Gelegenheiten soll er dann für seine Attacken benützt haben. Den Mädchen hat er laut deren Angaben dabei ein schlechtes Gewissen eingeredet: "Jetzt habe ich dir so viel gegeben." H. bekennt sich zu den Vorwürfen schuldig, redet sie aber klein. "Es war nicht gezielt."
"Kurzschlusshandlungen"
"Wann haben Sie das letzte Mal mit einer Erwachsenen geschlafen?", fragt die Richterin. "1989. Als meine Frau schwanger wurde." 1993 ließ sich das Paar scheiden. "Und hat sich Ihre sexuelle Ausrichtung seitdem geändert?" - "Nein." - "Wie kommt es dann dazu?" - "Kurzschlusshandlungen", murmelt er. "Kurzschlusshandlungen? Was bedeutet das?" - "Ich habe halt nicht nachgedacht." Einmal etwa habe sich ein Mädchen vor ihm heftig selbst befriedigt. Er habe ihr nur gezeigt, wie man das zärtlicher mache. "Das war für mich nicht so, dass das eine sexuelle Erregung war."
Bei der Polizei hatte H. noch ausgesagt, erregt gewesen zu sein. Als ihn die Richterin das vorhält, meint er, die Polizei habe ihn zu dieser Aussage quasi gezwungen. Nachdem ihn Höpler-Salat aufklärt, dass er wegen Verleumdung bestraft werden könnte, wenn er die Polizisten fälschlicherweise beschuldige, gibt er ein sexuelles Motiv doch zu.
"Mein Sohn ist früh gestorben. Meine Frau hat nie Sex wollen", erklärt er. Nach der Trennung habe er sich "mehr und mehr in den Sport hineingearbeitet" - H. war jahrelang Betreuer in einem Verein. Die Erfolge, der Gewinn der Meisterschaft, die Anerkennung, die Nähe und Zuneigung der Mädchen sei alles für ihn gewesen: "Das kann man gar nicht erklären." Er wolle nun eine Therapie machen, damit "ich nie wieder ein Kind angreife". Zum Schluss entschuldigt er sich bei den Mädchen und seinen Eltern.
"Hat Opfer gezielt ausgesucht"
Die Mädchen werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, ihre vor der Polizei gemachten Angaben werden nicht öffentlich erörtert. Staatsanwältin Julia Kalmar fordert aus generalpräventiven Gründen eine angemessene Sanktion, da "beinahe täglich Übergriffe in verschiedenen Sportdisziplinen ans Tageslicht kommen". Der Privatbeteiligtenvertreter Lian Kanzler - er vertritt drei Betroffene - betont, dass H. systematisch vorgegangen sei: "Er hat seine Opfer gezielt ausgesucht und zu ihnen eine emotionale Bindung aufgebaut." Die Opfer würden noch immer an den Übergriffen leiden. Kanzler bekommt vom Senat je 1000 Euro pro Betroffener an Schadensgutmachung zugesprochen. Mit seinen weiteren Forderungen wird er auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Der Schöffensenat verurteilt H. zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe. H. ist damit einverstanden, die Staatsanwältin nicht: Sie hält die Strafe bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren für zu gering. Sie meldet Berufung an. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.
Schuldeinsicht mildernd
"Wenn Sie nicht umfassend geständig gewesen wären, wäre die Strafe höher ausgefallen", so die Richterin. H. wird neben seiner Schuldeinsicht und seiner Unbescholtenheit zugutegehalten, "dass Sie nicht bis zum Äußersten gegangen sind. Es ist zu keinem Geschlechtsverkehr gekommen." Dessen ungeachtet sei "klar, dass Sie diesen Mädchen übel mitgespielt haben. Man kann nur hoffen, dass sie diesen Rucksack nicht ewig mit sich herumtragen müssen."