)
Krankheit bis heute unheilbar. | Immer mehr Patienten und Angehörige betroffen. | Wiener Firma entwickelt Impfstoff. | Frankfurt a. Main/Wien . "Wie heißen Sie?" - "Auguste." - "Familienname?" - "Auguste." - "Wie heißt ihr Mann?" - "Ich glaube Auguste." Das Gespräch zwischen dem Psychiater Alois Alzheimer und seiner Patientin Auguste D. schrieb Medizingeschichte. Damit begann im November 1901 die Erforschung einer nach wie vor unheilbaren Krankheit, an der heute, in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft, immer mehr Menschen leiden: Die Alzheimer-Krankheit. Vor 100 Jahren starb Auguste Deter in der "Anstalt für Irre und Epileptische" in Frankfurt am Main.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Mit dem Tod dieser Patientin war es erstmals möglich, sich wirklich anzuschauen, was im Kopf passiert", so der Geschäftsführer der deutschen Hirnliga, Thomas Kunczik. Schon zu Lebzeiten der als "Auguste D." geführten Patientin dokumentierte Alzheimer (1864 - 1915) seine Beobachtungen sehr genau. Auf 31 handgeschriebenen Seiten notierte er zum ersten Mal die Symptome der Krankheit, die 1910 seinen Namen bekam: "Abnehmen des Gedächtnisses..., zweckloses Herumwirtschaften in der Wohnung..., schien sich nicht mehr auszukennen..., versteht manche Fragen nicht..., lässt beim Schreiben Buchstaben aus..."
Wahnvorstellungen und Eifersuchtsideen
Als Auguste Deter 1901 in die Frankfurter Klinik eingeliefert wurde, gab die damals 51-Jährige an, sie habe sich selbst verloren. "Fünf Jahre vor ihrer Einlieferung hatten bei ihr Wahnvorstellungen und Eifersuchtsideen begonnen", erläuterte der Mediziner Sven Rahming, der gerade eine Doktorarbeit über Auguste Deter erstellt. Nach seinen Erkenntnissen veranlasste der Ehemann, dem sie diverse Verhältnisse unterstellte, eine Untersuchung beim Hausarzt - dieser wies die Frau prompt ein. In dieser "Irrenschloss" genannten stattlichen Villa in einem Park in der Frankfurter Innenstadt praktizierte der gebürtige Unterfranke Alzheimer seit 1888. Der Fall der Eisenbahnkanzlistenfrau Auguste D. interessiert ihn brennend: Dem Mediziner ist der Gedächtnisverlust der noch relativ jungen Frau ein Rätsel, die bis dahin völlig gesund war sowie weder erblich vorbelastet noch traumatisiert ist.
Auch als Alzheimer 1903 Frankfurt verlässt und nach München wechselt, behält er seine Patientin im Auge. Sogar über ihren Tod am 8. April 1906 "um 3/4 6 Uhr morgens" hinaus: Alzheimer lässt sich ihr Gehirn schicken, um es zu untersuchen. Er entdeckt massiven Zellausfall und Ablagerungen. Ein halbes Jahr später stellt er den Befund in Tübingen bei der "Versammlung Südwestdeutscher Irrenärzte" vor. Sein Vortrag endet mit den Worten: "Mein Fall Auguste D. bot klinisch ein so abweichendes Bild, dass er sich unter keine der bekannten Krankheiten einreihen ließ."
"Damit begann die Alzheimer-Forschung", erläuterte Hirnliga-Geschäftsführer Kunczik. "Es hat sich seitdem viel getan, aber wir haben noch immer kein Medikament, das Alzheimer heilen kann, und wissen auch nicht, ob und wann wir es kriegen werden."
Dabei wird meist "vergessen" bzw. ignoriert, dass die Alzheimer-Krankheit nicht nur Millionen Menschen unmittelbar betrifft, sondern auch deren Angehörige, die mit extremen Problemen infolge dieser besonderen Form der Demenz konfrontiert sind.
Wiener Impfstoff geht in klinische Erprobung
Laut aktuellen Untersuchungsergebnissen aus Österreich nimmt die Alzheimer-Krankheit mit 89 Prozent die führende Position unter allen Formen der Demenz ein. Laut Hochrechnungen werden im Jahr 2040 mehr als 200.000 Menschen mit Demenzen in Österreich leben, die meisten mit Alzheimer. Ein junges Wiener Unternehmen ist nun dabei, einen Impfstoff gegen Alzheimer zu entwickeln: Die Affiris GmbH, die seit April 2004 operativ tätig ist, und von den beiden ausgewiesenen Biotechnologen Frank Mattner und Walter Schmidt gegründet wurde. Schmidt gilt als Pionier der österreichischen Biotech-Szene, er gründete bereits 1998 zusammen mit dem "Biotech-Papst" Max Birnstiel und anderen Kollegen die seit 2005 börsegelistete Firma Intercell.
Affiris will maßgeschneiderte Impfstoffe gegen Krankheiten mit ungelöstem medizinischen Bedarf entwickeln, die Alzheimer-Krankheit ist aktueller Schwerpunkt. Nach der präklinischen Entwicklung soll der Affitope Impfstoff AD-1 nun Ende des Jahres in die klinische Erprobung der Phase I gehen. Die nötige Finanzierung dafür ist, wie das Unternehmen vergangene Woche mitteilte, durch einen Investor gesichert.