Sponsoreinnahmen sind kaum noch zu steigern. | Reduktion der Spielstätten in Überlegung. | "Wiener Zeitung": Sie haben Erfahrung als private Unternehmerin und leiten mit den Salzburger Festspielen ein großes Kulturfestival. Was sind die wesentlichsten Unterschiede zwischen der Führung eines gewinnorientierten Privatunternehmens und einer Kulturinstitution?
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Helga Rabl-Stadler: Der gravierendste Unterschied ist vermutlich, dass Kunst ihre Rechtfertigung niemals aus ihrer Rentabilität beziehen kann. Trotzdem sind die wirtschaftlichen Anforderungen an die Salzburger Festspiele und ihr Management enorm. Für sechs Wochen sind wir ja jeden Sommer mit 3600 Mitarbeitern der größte Betrieb des Landes Salzburg.
Es ist eine Riesenverantwortung, dass die Festspiele nicht nur künstlerischer, sondern auch ökonomischer Motor einer ganzen Region sind. Weil ich aus der Wirtschaft komme, hadere ich nicht mit den ökonomischen Anforderungen, sondern versuche professionell damit umzugehen.
Die Bedeutung der Festspiele für den Tourismus und die Umwegrentabilität für die öffentliche Hand über die zusätzlichen Steuereinnahmen werden von den Verantwortlichen der Festspiele bei nahezu jeder Gelegenheit betont.
Mein Freund Jürgen Flimm ist als Intendant gelegentlich allerdings schon erstaunt, dass unsere ökonomische Leistung für dieses Land so wenig gewürdigt wird. Politiker aller Fraktionen sind ja sehr verwöhnt von uns, weil wir ein sicherer Umsatzbringer und sicherer Bettenfüller sind. Während die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Städtetouristen 1,5 Tage beträgt, bleibt ein Festspielgast im Schnitt eine Woche.
Flimm und Sie haben mit zunehmender Vehemenz eine Erhöhung der Subventionen für die Festspiele gefordert, die Sie nächstes Jahr vermutlich bekommen werden.
Wir stehen vor dem Problem, dass wir mit der Subventionshöhe von 1997 die Kosten von 2008 stemmen müssen, weil wir seit elf Jahren nicht einmal die jährliche Inflation abgegolten bekommen haben. Wir haben sehr gekämpft, damit wir eine dreiprozentige Erhöhung bekommen. Das ist keine vollständige Abgeltung, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Salzburger Festspiele spielen mit rund 75 Prozent einen vergleichsweise hohen Anteil ihrer Kosten durch eigene Erlöse ein. Ist diese Quote noch steigerbar?
Meines Erachtens absolut nicht, eher im Gegenteil. Wir verfügen vermutlich über die höchste Eigenwirtschaftlichkeit eines europäischen Kulturbetriebs. Während manche deutsche Opernhäuser an die 80 Prozent ihrer Ausgaben als Subventionen bekommen, ist die Relation bei uns beinahe umgekehrt. Wegen der ständig steigenden Gagen und Löhne und weil die Zuwendungen von Sponsoren kaum noch steigerbar sind, rechne ich damit, dass unser Eigenwirtschaftlichkeitsgrad tendenziell etwas rückläufig sein wird.
Gleichzeitig sind viele Aufführungen regelmäßig ausverkauft. Aus ökonomischer Sicht deutet die Tatsache, dass eine Ware ständig ausverkauft ist, darauf hin, dass ihr Preis zu niedrig ist.
Das ist eine prinzipiell durchaus berechtigte Überlegung, die uns in ähnlicher Form auch von Unternehmensberatern bereits mehrfach nahe gebracht wurde.
Werden Sie also die Kartenpreise erhöhen?
Wir haben bei den teuersten Kartenkategorien ohnehin bereits die höchsten Preise der Welt. Ich glaube daher, dass unsere Preise das richtige Niveau haben. Wichtig ist allerdings, in diesem Zusammenhang zu betonen, dass keineswegs alle Karten so teuer sind und 50 Prozent unserer Karten weniger als 100 Euro kosten. Man kann bei Kartenpreisen nicht nur ökonomische Maßstäbe anlegen. Aus Gründen der Reputation der Festspiele wäre es vermutlich nicht gut, die Preise signifikant zu steigern. Was wir allerdings gelegentlich überlegen, ist, bei einer Premiere mehr zu verlangen als bei folgenden Vorstellungen.
Eine Art Promi-Zuschlag für die Premieren?
Wir haben es 2006 bei "Figaro" gemacht. Natürlich könnte man bei solchen vorhersehbaren Publikumserfolgen wie "Roméo et Juliette" mehr verlangen. Aber im Gegensatz zu Repertoirhäusern, wo bei späteren Vorstellungen häufig die zweite Besetzung zum Einsatz kommt, sind bei uns alle Vorstellungen gleich gut besetzt.
Wenn die Subventionen nicht einmal im Ausmaß der Inflation steigen und die Kartenpreise nicht mehr steigerbar sind, wo soll dann das Geld für die steigenden Sachkosten, Künstlerhonorare und Gehälter herkommen?
Kleine Anpassungen der Kartenpreise wird man immer wieder einmal machen, denn seit 1995, seit ich Präsidentin bin, waren wir diesbezüglich sehr zurückhaltend. Und man wird überlegen müssen, wie viele Spielstätten man bespielt. Wir wollen im Herbst eine Klausurtagung abhalten, in der wir dem Kuratorium der Festspiele Vorschläge machen, wie es programmatisch und finanziell weitergehen soll.
In welche Richtung werden diese Vorschläge gehen?
Ich glaube trotz des engen Finanzkorsetts nicht, dass es einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Festspiele bedarf. Nachjustierungen in manchen Bereichen können aber notwendig sein. Da ist so manche Nebenveranstaltung, die von nicht so überragendem künstlerischen Wert ist, aber einige finanzielle Belastungen bringt.
Das bedeutet, dass Sie eine Reduktion der Zahl der Spielstätten überlegen?
So ist es.
Bedeutet das tendenziell einen Verzicht auf vorhersehbar weniger publikumsträchtige Produktionen neuerer Musik?
Keineswegs. Es muss die richtige Mischung sein. Das haben wir der Politik bereits deutlich zu verstehen gegeben. Wenn wir nächstes Jahr "Al gran sole" von Luigi Nono im Programm haben, dann ist das ein teuer zu produzierendes Stück, das sicher nicht ausverkauft sein wird - aber das muss drinnen sein. Wenn wir heuer "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók spielen, dann muss - oder will - man gleichzeitig "Roméo et Juliette" haben, wo man das Geld verdient.
Man braucht also vorhersehbare Erfolge, um sich mit diesen Cash-Cows Ausgefalleneres leisten zu können?
Ich will das hässliche Wort Cash-Cow nicht verwenden, weil das meinen Freund Jürgen Flimm regelmäßig auf die Palme treibt. Aber in Wahrheit ist es so, wie wir es aus der Managementlehre kennen: Wenn man einen Kulturbetrieb erfolgreich führen will, muss es Produktionen geben, die Geld bringen. Wenn das sichergestellt ist, kann man sich andere Projekte vornehmen, die Geld kosten.
Die Sponsoreneinnahmen der Festspiele betrugen zuletzt 4,6 Millionen Euro, wovon die fünf großen Sponsoren - Nestlé, Audi, Siemens, Uniqa und Credit Suisse - jeweils etwa 700.000 Euro pro Saison zahlen. Um das gleiche Geld bekommt man in der Farbbeilage der Sonntagsausgabe der "Kronen Zeitung" nicht einmal ein halbes Jahr lang ein ganzseitiges Inserat. Wieso ist das Sponsoring der Salzburger Festspiele nicht teurer?
Ich finde auch, dass Kultursponsoring sehr preiswert ist, vor allem verglichen mit Sportsponsoring. Und wenn man den Umfragen glaubt, ist Kultursponsoring besonders sympathisch. Ich bemühe mich natürlich, diese Beiträge langsam zu steigern, und vor allem bemühe ich mich, mittels mehrjähriger Verträge mit den Sponsoren finanzielle Planungssicherheit zu erreichen.
Trotzdem bekommen Sie 13 Millionen von der öffentlichen Hand und erlösen weniger als fünf Millionen von privaten Sponsoren. Ist das nicht ein Missverhältnis?
Die Argumentation gegenüber bestehenden und potenziellen Sponsoren ist schwieriger geworden. Da spielen auch Themen wie Rentabilitäten und Shareholder-Value eine Rolle. Denn solche Konzerne sind ja keine Mäzene, das sind Sponsoren, und die wollen für ihr Geld eine messbare Gegenleistung. Ich bin darum auch zunehmend bemüht, wohlhabende Privatleute zu finden, die uns unterstützen. Das ist uns beispielsweise mit Charles Simonyi gelungen, der uns über seine Stiftung eine Million Dollar für das Bartók-Projekt gegeben hat.
Das sind manchmal zugänglichere Partner als Unternehmen, die gerade mit Restrukturierung befasst sind oder wo die Entscheidungen weit weg von Salzburg fallen.
Sie haben in jüngster Zeit mehrfach das österreichische Anti-Korruptionsgesetz kritisiert - unter anderem, weil es den Kartenverkauf an Sponsoren behindert.
Vollkommen richtig. Dieses Anti-Korruptionsgesetz schadet uns offensichtlich sehr, denn gerade Menschen, die es sehr genau nehmen, wollen nicht in den Geruch kommen, jemanden bestechen zu wollen oder selbst bestechlich zu sein. Das berechtigte Anliegen, Bestechung hintan zu halten, wird durch eine völlig unberechtigte Kriminalisierung der Gastfreundschaft diskreditiert.
Aber derartige Beschränkungen gibt es mittlerweile in vielen Ländern. Die Salzburger Festspiele werden sich mit solcherart geänderten Rahmenbedingungen wohl abfinden müssen.
Uns hat das ziemlich überfallsartig getroffen. Ich hätte es begrüßt, wenn Kulturinstitutionen die Möglichkeit gehabt hätten, zum Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen. Ich habe um eine authentische Interpretation des Ministeriums gebeten. Ich hoffe nur, dass es praktikable Regeln gibt.
Zur PersonHelga Rabl-Stadler wurde 1948 als Tochter des späteren ORF-Generalintendanten Gerd Bacher in Salzburg geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften, Publizistik und Politikwissenschaften. 1970 übersiedelte sie nach Wien und arbeitete als Journalistin. Von 1983 bis 1990 gehörte sie als ÖVP-Abgeordnete dem Nationalrat an, 1988 wurde sie Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer. Von 1991 bis 1995 war sie Bundesparteiobmann-Stellvertreterin der ÖVP. 1995 legte sie alle politischen und standespolitischen Funktionen zurück, nachdem sie im Jänner dieses Jahres Präsidentin der Salzburger Festspiele geworden war. Ihr Vertrag endet 2011.