Bundespräsident Fischer glaubt an Iran-Deal bis Ende Juni.
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Wien. Nach dem Rahmenabkommen zwischen dem Westen und dem Iran zeigt sich Bundespräsident Heinz Fischer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" optimistisch, dass bis zum Sommer eine endgültige Lösung im Atom-Konflikt erzielt werden kann. Die vier verbliebenen Hauptstreitpunkte: die Anzahl der iranischen Zentrifugen, die Gültigkeitsdauer eines etwaigen Deals, der Zeitplan für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Teheran - und die Frage, ob und wie weit das iranische Waffen- und Raketenprogramm bei einem Abkommen thematisiert wird. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bescheinigte dem Iran kürzlich, sich weiterhin an den Interimsdeal vom November 2013 zu halten. Zugleich bemängelte die Behörde in ihrem jüngsten Bericht, dass der Gottesstaat weiterhin bei zwei von fünf Punkten, die die Atombehörde im Mai mit dem Iran vereinbart hatte, die volle Zusammenarbeit mit den IAEO-Kontrolleuren verweigert. Vermisst wird ein Informationsaustausch über eine angebliche Durchführung von Experimenten mit Hochexplosivstoffen und über Modellrechnungen für Atomexplosionen. Laut Heinz Fischer gibt es keine brauchbare Alternative zu einer Verhandlungslösung.
"Wiener Zeitung": Herr Bundespräsident, in den Atomstreit mit Teheran ist Bewegung gekommen. Was sagen Sie zum politischen Rahmenabkommen zwischen den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland und dem Iran vom 2. April?Heinz Fischer: Die Verhandlungen waren sehr schwierig, aber auch sehr wichtig. Offenbar war bis zuletzt nicht sicher, ob die USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich, Russland, Deutschland und der Iran einen gemeinsamen Nenner finden können. Die Tatsache, dass es mit der Rahmenvereinbarung geklappt hat, ist positiv und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch der Status quo ist noch kein Endpunkt in den Verhandlungen.
Glauben Sie, dass es bis zur Frist am 30. Juni gelingen wird, den 12 Jahre andauernden Streit rund um die iranische Urananreicherung endgültig zu lösen?
Die Chancen sind dafür intakt. Ziel ist es, die Non-Proliferation von Nuklearwaffen in Bezug auf den Iran aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig soll aber Teheran eine friedliche Nutzung der Atomtechnologie ermöglicht werden.
Was sagen Sie zur Reaktion des Obersten Geistlichen Führers des Iran, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, der meinte, noch sei nichts erledigt und unterschrieben?
Die Reaktion war skeptisch zurückhaltend, was neuerlich unterstrichen hat, dass noch ein Stück des Weges zu gehen ist. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass in der skeptischen Äußerung des Obersten Religionsführers auch ein Stück Taktik steckt und dass wir bis 1. Juli ein faires und kluges Resultat erreichen können, das die Zustimmung der 5+1-Gruppe und des Iran erhalten kann.
Sie haben den Dialog mit dem Iran immer verteidigt und wurden dafür oft kritisiert. . .
Die Bereitschaft zum Dialog ist ein Grundprinzip der internationalen Diplomatie. Dies gilt nicht nur für den Iran. Ich habe mich immer schon für den Dialog ausgesprochen und werde von dieser Ansicht auch nicht abweichen.
Es gab viele Kritiker des Rahmen-Deals: die Hardliner im Iran und in den USA, Israel und die sunnitischen Golfstaaten - was sagen Sie zu deren Ablehnung?
Bei einer Verhandlung gibt es zwei Verhandlungspartner, die unterschiedliche Positionen haben. Nach einer Übereinkunft gibt es dann meistens die einen, die meinen, das Ergebnis geht ihnen zu wenig weit, und die anderen, denen es zu weit geht. Das ist nicht ungewöhnlich.
Israel hat das Abkommen besonders kritisiert und als "historischen Fehler" bezeichnet. . .
. . . aber sie haben keine vernünftige Alternative. Im Wesentlichen gibt es in diesem Konflikt drei mögliche Positionen: Entweder man sucht einen Kompromiss oder man lässt den Kompromiss nicht zustande kommen. Dann ist die Konsequenz, dass der Iran tatsächlich Atomwaffen entwickelt. Drittens gäbe es noch die Möglichkeit einer militärischen Lösung. Der zweite und dritte Weg sind aber keine tauglichen Optionen und daher abzulehnen. Daraus ergibt sich, dass Variante eins die beste aller Möglichkeiten ist.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht das anders und hat am Abkommen scharfe Kritik geübt . . .
Ich sage das hier ganz unverblümt: Ich halte sie für falsch. Netanjahus Analyse, dass keine Lösung besser ist als eine Verhandlungslösung, teile ich nicht. Und die EU-Staaten auch nicht. Und US-Präsident Obama auch nicht.
Wie stehen die Chancen, dass Sie als erstes Staatsoberhaupt der EU seit 2005 heuer in den Iran fliegen?
Ich freue mich, dass an so einer Reise medial offenbar großes Interesse besteht. Bei meiner ersten Unterredung mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani vor zwei Jahren haben wir besprochen, dass ich den Iran besuchen werde. Nachdem jetzt das Rahmenabkommen mit dem Iran steht, ist eine Reise im zweiten Halbjahr 2015 wahrscheinlich geworden. Wir werden zeitgerecht beginnen, einen geeigneten Termin zu suchen. Alle können sicher sein, dass wir dabei eine im beiderseitigen Interesse gelegene Vorgangsweise wählen werden.
Werden Sie hierbei von einer Wirtschaftsdelegation begleitet?
Mein Besuch soll im Kern ein politischer sein. Der Iran ist ein wichtiges Land in einer wichtigen Region. Daher steht der politische Aspekt im Vordergrund.
Ob ein Regierungsmitglied mit wirtschaftlicher Kompetenz oder eine Wirtschaftsdelegation mitreist, steht noch nicht fest. Der erste Schritt ist, dass wir das endgültige Verhandlungsergebnis abwarten. Dann fixieren wir den Termin, und erst dann geht es um die Zusammensetzung der Delegation.
Wechseln wir das Thema: Was sagen Sie zu den aktuellen Querelen rund um das König-Abdullah-Dialogzentrum (Kaiciid)? Am morgigen Freitag ist ja vom Kanzleramtsministerium und Außenministerium mit dem Kaiciid die nächste, vielleicht entscheidende Runde anberaumt.
Ich kann Ihnen bestätigen, dass es an diesem Freitag Verhandlungen geben wird. Ob sie entscheidend werden, kann man immer erst im Nachhinein sagen. Ich vertraue auf das Fingerspitzengefühl und die Geschicklichkeit aller Beteiligten und hoffe, dass eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann.
Zum Zentrum per se möchte ich sagen, dass ich dem Grundgedanken, der dem Kaiciid zugrunde liegt, grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Daher warten wir einmal den Verhandlungsprozess ab.
Es heißt, dass Saudi-Arabien sehr echauffiert ist wegen Österreichs Verhalten in der Causa und einige Diplomaten verstimmt sind . . .
Ich glaube nicht, dass sich der saudische König Salman zu Einzelheiten geäußert hat, daher werde auch ich mich nicht dazu äußern. Wenn es aber Verstimmungen zwischen saudischen und österreichischen Diplomaten gibt, hoffe ich, dass diese über die üblichen Kanäle gelöst werden können.
Das Pulverfass Naher Osten - Stichwort Jemen, Libanon, Irak, Syrien, die Rivalität zwischen Riad und Teheran sowie der israelisch-palästinensische Konflikt - droht zu explodieren. Österreich war immer ein Vermittler in der Region. Was können Sie tun, um einen Beitrag zu leisten?
Mich interessiert die Lage im Nahen Osten seit Jahrzehnten, seit Bruno Kreisky, der vor genau 45 Jahren österreichischer Bundeskanzler wurde. Die Lage war schon vor 40 Jahren kompliziert und in den letzten Jahren wurde sie noch komplizierter. Die Zahl und die Dimension der Probleme ist nicht kleiner, sondern größer geworden. Ich glaube jedenfalls, dass wir noch sehr lange mit den Problemen in dieser Region beschäftigt sein werden. Die Länder dieser Region brauchen Stabilität und Ruhe. Europa sollte ein verlässlicher und glaubwürdiger Gesprächs- und Wirtschaftspartner sein. Und die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten müssen in der Region selbst gelöst werden - so wie in unserer Geschichte die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten.
Dieses Interview ist eine Koproduktion zwischen der "Wiener Zeitung" und der Austria Presse Agentur (APA).