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Ich kam, sah und machte ein Selfie

Von Judith Belfkih

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Dass die Digitalisierung unser Leben radikal verändern wird, steht außer Zweifel. Wie die Automatisierung unsere täglichen Abläufe künftig prägen wird, ist noch Inhalt von Gedankenspielen. Sie schwanken zwischen Jubelbildern einer entspannten, von niederer Arbeit befreiten Menschheit und düsteren Szenarien absoluter Kontrolle und Manipulation. Digitalisierung wird dabei meist als höhere Macht empfunden. Ideen, wie man konstruktiv mit den neuen Möglichkeiten umgehen kann, finden sich - noch - selten. Und wenn, dann sind sie meist recht fragwürdig.

In den USA entsteht gerade ein neuer Museumstyp, der hofft, sich im Kampf um Shares und Likes an die Spitze zu setzen. Auf den ersten Blick scheinen Orte wie die Dream Machine oder das Museum of Ice Cream wie maßgeschneidert für die selbstverliebte Netzgemeinde: Sie liefern statt Inhalten fantastische Hintergrundwelten. Dreidimensionale Fototapeten mit flauschigen Wölkchen, Glitzervorhängen oder überdimensionaler Zuckerwatte. Die Installationen haben nur einen Zweck: Sie sind Selfie-Spots in ungewöhnlichem Setting. Das Museumsobjekt ist der Besucher selbst, der sich durch in den Fantasiewelten ablichtet. Kunstfaktor gleich null, Reflexionsfaktor ebenso. Instagram-Faktor extrem hoch. Solche Projekte sind die logische Verlängerung virtueller Fluchtwelten in der Wirklichkeit, das Raum gewordene Snapchat. Ich kam, sah und machte ein Selfie - auf diese Formel wird sich die digitale Zukunft hoffentlich nicht beschränken.