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EINe "Rebellion" in der Regierungskoalition zwang Puigdemont, den Unabhängigkeitskurs fortzusetzen.
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Barcelona/Brüssel. Carles Puigdemont hielt diesen Herbst ganz Spanien im Atem. Zur Erinnerung: Der damalige katalanische Präsident ließ am 1.Oktober eine umstrittene Abstimmung zur Unabhängigkeit Kataloniens durchführen. Eine überwältigende Mehrheit stimmte für die Loslösung. In den darauffolgenden Wochen scheute sich Puigdemont davor, klar Stellung zu beziehen. Immer wieder appellierte er an Madrid, das Gespräch zu suchen. Und an Brüssel, dass die EU doch vermitteln sollte. Für Beobachter war bald klar: Ganz wohl ist Puigdemont in Sachen Alleingang bei der Unabhängigkeit nicht. Doch er hatte sich in eine ausweglose Situation gebracht.
Puigdemont vertraute damals vor allem seinem Amtskollegen im Baskenland, dem Präsidenten (oder Lehendakari) Iñigo Urkullu, mit dem er seit Sommer fast täglich im Kontakt stand.
Die katalanische Tageszeitung "La Vanguardia" veröffentlicht nun Auszüge aus dem Nachrichtenverkehr zwischen den beiden Präsidenten autonomer spanischer Regionen, um die Hintergründe der katalanischen Situation besser verständlich zu machen.
"Ich werde Neuwahlen ausrufen." Diese Nachricht übermittelte der damalige katalanische Präsident, Carles Puigdemont an Urkullu am 26.Oktober. Neuwahlen - das war der eine Ausweg, den Madrid Puigdemont gelassen hatte. Denn Puigdemont musste sich bis zum 26. Oktober erklären, ob er nun eine Unabhängigkeit ausgerufen hatte oder nicht. Madrid machte seine Position glasklar: Sollte die katalanische Regierung weiter aus der Reihe tanzen, werde die Region unter Zwangsverwaltung gestellt. Oder man lasse das Ganze hinter sich, indem die Region Neuwahlen abhält.
Doch sieben Stunden, nachdem Puigdemont sich zu Neuwahlen entschlossen hatte, machte er eine Kehrtwende. Seine öffentliche Erklärung verschob sich immer wieder. Um zwei Uhr am Nachmittag schrieb er Urkullu: "Ich habe hier eine Rebellion. Ich kann es nicht aufhalten."
Und schließlich schloss Puigdemont am Abend jenes Donnerstags Neuwahlen aus und blieb auf Konfrontationskurs mit der Zentralregierung.
Am Freitag setzte dann Madrid alle notwendigen Schritte, um mit Samstag den 28. Oktober die bisherige katalanische Regierung formell mittels Veröffentlichung im Amtsblatt für abgesetzt zu erklären. Kurz danach flüchtete Puigdemont mit einer Handvoll anderen abgesetzten Regierungsmitgliedern nach Brüssel. Der Rest blieb in Spanien. Und sitzt derzeit wegen Rebellion und Aufruhr in Untersuchungshaft.
"Probleme mit zwei Parteien"
Urkullu unterstützte Puigdemont, so gut wie er konnte. Der Baske legte sich besonders nach der Rede des spanischen Königs Felipe VI. ins Zeug. Denn der König hatte am 3.Oktober jegliche Unabhängigkeitsbemühungen barsch in die Schranken gewiesen und bedauerte nicht einmal die überzogene Gewaltanwendung, die sich die spanische Polizei in Katalonien leistete.
Urkullu war sich bewusst, dass mit der Rede die Stimmung für nationalistische Bewegungen in Spanien schrumpfte. Zudem machte der König auch klar, dass er keinerlei internationale Mediation wünsche. Auf dieses Pferd hatte die katalanische Regierung lange gesetzt. Dieser Ausweg schien nun verstellt. Urkullu rief am 8.Oktober die Kirche an, ob nicht der Vatikan vermitteln würde. Die Antwort war negativ.
Schon bald war klar, dass Puigdemont ein von anderen Politikern Getriebener war. Er vertraute Urkullu an, dass er Probleme mit den zwei der Parteien hätte, die seine Regierung beziehungsweise die Abstimmung zur Unabhängigkeit erst möglich gemacht hatten. Denn diese Parteien wollten keinerlei Einlenken gegenüber der Regierung in Madrid. Dabei handelte es sich einerseits um Personen aus der ERC - Esquerra Republicana de Catalunya, der republikanischen Linken, eine der Parteien von Puigdemonts Regierungsbündnis "Junts pel Si" - das "Ja" steht für ein "Ja zur Unabhängigkeit". Und anderseits mit der linksnationalistischen CUP (Candidatura d’Unitat Popular), die zwar nicht formell Mitglied im Bündnis war, aber der notwendige Mehrheitsbeschaffer in Unabhängigkeitsfragen.
Während der Entzug der Autonomie immer näherrückte, versuchte auch Urkullu, den Prozess aufzuhalten. Er entwarf etwa einen Brief für Puigdemont, mit einem neuen Beschwichtigungsmodell: Nämlich, dass Puigdemont die Unabhängigkeit ja gar nicht erklärt hatte. Deswegen gebe es keinen Grund, der Region die Autonomie zu entziehen. Ein Brief, den Puigdemont vervielfältigen ließ und an Außenstellen in ganz Europa schickte. Auch die "Wiener Zeitung" bekam diese Erklärung übermittelt.
Die Zentralregierung hat nun für den 21.Dezember Neuwahlen in Katalonien ausgerufen. Dieses Wochenende startete Puigdemont seinen Wahlkampf aus Belgien. Ziel sei es, das Streben nach Unabhängigkeit durch die Wahl festzuschreiben. Seine Liste beinhaltet Kandidaten der konservativen Katalanischen Europäischen Demokratischen Partei (PDeCAT) sowie unabhängige Kandidaten.
Puigdemont hatte ursprünglich mit einer einheitlichen Liste von Unabhängigkeitsbefürwortern antreten wollen. Die ERC lehnte dies aber ab. Puigdemont bedauerte in am Wochenende den Mangel an Geschlossenheit innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung.
Einer Erhebung des Instituts Metroscopia sagte den Separatisten-Parteien zusammen einen Stimmenanteil von 46 Prozent voraus nach 47,7 Prozent bei der Wahl 2015. Auch die Parteien, die für einen Verbleib der Region in Spanien sind, können mit 46 Prozent rechnen. 2015 hatten sie weniger als 40 Prozent erhalten.
Einer Umfrage der Zeitung "El Pais" zufolge wollen nur knapp ein Viertel der Katalanen die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen.