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"Ich kann mich nicht erinnern"

Von Marina Delcheva

Politik

Wenig Konkretes bei ersten Ausschussbefragungen von Ex-Staatskommissärin Kanduth-Kristen.


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Wien. Der erste Befragungstag im Hypo-Untersuchungsausschuss hat hinter verschlossenen Türen, mit Gedächtnislücken und Enthaltungen begonnen. Im Vorfeld der Sitzungen nutzten die Fraktionsführer den Medienandrang, um noch einmal auf die Querelen rund um den Ausschuss hinzuweisen. Rainer Hable, Fraktionsführer der Neos, nannte den Ausschuss einen "Vertuschungsausschuss", weil ein Großteil der Akten als vertraulich klassifiziert sind und somit nicht medienöffentlich.

"Das ist nicht der Geist des neuen Ausschusses", sagte Werner Kogler, er sitzt für die Grünen im Ausschuss, vor Beginn der Sitzung. Kritik gab es auch an den Unmengen an nicht aufbereiteten Daten und die "Aktenwurst", durch die man sich "zu Tode scrollen" müsse. Unklar ist außerdem, ob und welche Namen von der Zeugenliste veröffentlicht werden. Die Regierungsfraktionen und zum Teil die FPÖ sehen das naturgemäß anders. "Es ist doch egal, wie die Staatskommissärin heißt. Früher haben sie sich beschwert, dass zu wenige Akten da sind, jetzt sind es zu viele", konterte Kai Jan Krainer von der SPÖ am Rande des Ausschusses.

Die Frage der Vertraulichkeit wird den 20. U-Ausschuss der Zweiten Republik - übrigens der erste, der von der Opposition eingesetzt wurde - wohl bis zum Ende begleiten. Wegen der neuen Informationsordnung des Parlaments sind viele Dokumente von den Ministerien und Behörden selbst mit der Vertraulichkeitsstufe eins oder mehr klassifiziert. Sie sind also grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Verfahrensrichter Walter Pilgermaier und Vorsitzende Doris Bures haben aber die Möglichkeit, bestimmte Sachverhalte der Stufe eins für öffentlich zu erklären. Das ist zumindest am ersten Tag nur teilweise passiert. Der Beginn der Befragung der zweiten Staatskommissärin war nicht medienöffentlich.

Gedächtnislücken und Enthaltungen

Die erste Zeugin im U-Ausschuss war die ehemalige Hypo-Staatskommissärin Sabine Kanduth-Kristen. Sie wurde 2002 vom damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser für fünf Jahre in die Hypo entsandt. In dieser Funktion musste sie regelmäßig Berichte über den Zustand der Bank an die FMA senden und den Aufsichtsrats- und Risikomanagementsitzungen beiwohnen. Das bedeutet auch, dass sie theoretisch auf Missstände oder auf Probleme rund um faule Kredite hätte hinweisen müssen. Außerdem war sie bis 2009 Aufsichtsratsvorsitzende der FMA.

Aus dieser Zeit scheint Kanduth-Kristen recht wenige Erinnerungen mitgenommen zu haben. Auf die Fragen der Fraktionsmitglieder antwortet sie oft: "Ich kann mich nicht mehr erinnern." Aus der Befragung geht hervor, dass Kanduth-Kristen im Rahmen ihrer Tätigkeit ihr Einspruchsrecht nicht wahrgenommen hat und auch keinen Anlass gesehen hat, auf drohende horrende Kreditausfälle, überbordende Haftungen oder mangelndes Risikomanagement hinzuweisen. Dabei haben sowohl der Rechnungshof als auch die Nationalbank im Auftrag der FMA schon 2004 beziehungsweise 2006 in ihren Prüfberichten die Kreditvergabe und das Risikomanagement der Hypo Alpe Adria stark kritisiert. Kanduth-Kirsten konnte sich nicht daran erinnern, ob sie diese Berichte erhalten und gelesen habe. Die Fraktionsmitglieder kritisierten Kanduth-Kristens Umgang mit der Kreditvergabe der Hypo. Als Beispiel nannte Hable die Kreditvergabe an die Hypo Alpe Adria Consultants AG in Liechtenstein, wegen der Anklagen gegen frühere Hypo-Chefs bevorstehen.

Vergabe von Blankokreditfür Grundstückskauf

Damals wurde ein Kredit in der Höhe von 37 Millionen Euro für den Ankauf eines Grundstücks auf der kroatischen Insel Pag vergeben. Aus den Protokollen der Aufsichtsratssitzung geht hervor, dass dieser Kredit als Blankokredit, also ohne weitere Sicherheiten, eingestuft wurde, der Vergabe aber zugestimmt wurde. Einen Einspruch habe Kanduth-Kristen nicht erhoben. Zu konkreten Fällen wollte sich die Befragte nicht äußern. Sie sagte lediglich, dass Risikokredite sehr wohl Thema im Aufsichtsrat der Bank seien.

Kai Jan Krainer von der SPÖ wies auf die horrenden Landeshaftungen hin, die Kärnten für seine Hypo übernommen hatte. Trotz EU-Vorgaben, diese mit 2007 auslaufen zu lassen, stiegen sie zwischen 2003 und 2007 von 6 auf über 24 Milliarden.

"Ich habe natürlich nicht überprüft, ob das realistisch ist", antwortete Kanduth-Kristen auf die Frage, ob sie in ihrer Rolle als Staatskommissärin diesbezüglich Bedenken geäußert habe. Sie habe auch nicht im Zuge der 2006 bekannt gewordenen Swap-Verluste Alarm geschlagen. "Ich gehe davon aus, dass ich meine Funktion nach damaligen Kenntnissen und nach bestem Wissen und Gewissen ausgeübt habe. Wenn der Ausschuss zu einem anderen Ergebnis kommt, werde ich das zur Kenntnis nehmen", sagt sie.

Rainer Hable konterte: "De facto hat die FMA-Aufsicht ohne Sie stattgefunden, wenn Sie nicht in Berichten, Gesprächen oder Entscheidungen eingebunden waren."

Sorge um Kreditmanagement

bei Hypo

Die zweite Staatskommissärin, Angelika Schlögel, folgte Mitte 2007 Kanduth-Kristen in der Hypo nach. Im öffentlichen Teil ihrer Befragung räumt auch sie ein, dass sie nie einen Beschluss innerhalb der Hypo beeinsprucht hat. Schon 2008 hat sie in einem Bericht an die FMA kritisch festgestellt, dass die Eigenmittel der Bank sehr knapp bemessen seien, woraufhin die Aufsicht ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. In dieser Zeit wurde auch langsam das Ausmaß der Hypo-Krise sichtbar, weil etwa die Kreditausfallsrate um ein Vielfaches stieg.

In ihrer Amtszeit fällt etwas die Hypo-Übernahme durch die BayernLB. "Das Risikomanagement war natürlich ein Kritikpunkt in den Berichten und in internen Revisionen. Aber die Bayern haben einen neuen Risikomanager beauftragt, und mein Eindruck war, dass man sich da ernsthaft damit beschäftigt hat", sagte Schlögel. Die Bayern hätten dann, vor allem im Zuge der horrenden Kreditausfälle, einen neuen Kurs und strengere Prüfungen eingeleitet.

2009 stellte die Notenbank in einem Prüfbericht eine Reihe von Übertretungen des Bankwesengesetzes innerhalb der Hypo, etwa bei der Kreditvergabe oder bei Wertberichtigungen, fest. "Das gesamte Bankgeschäft der Hypo wird nach Strich und Faden kritisiert. Das war eine systematische Aushebelung aller Kontrollinstanzen." Trotz allem habe die Staatskommissärin keinen Alarm bei der FMA geschlagen.