Abdul Fattah al-Sisi trat als Armeechef zurück, um als Präsident zu kandidieren. Er steht schon jetzt als Wahlsieger fest.
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Kairo. Es hat lange gedauert, bis der Armeechef und Feldmarschall Abdul Fattah al-Sisi bereit war, seine Uniform abzulegen und als Zivilist zu den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen anzutreten. Denn so fordert es die ägyptische Verfassung. Als er seine Kandidatur am Mittwochabend im Staatsfernsehen bekanntgab, wirkte al-Sisi bedrückt. Er habe der Armee über 45 Jahre lang angehört und es falle ihm schwer, sie jetzt zu verlassen. Al-Sisi gab sein militärisches Amt auf und trat als Verteidigungsminister zurück.
Er sprach Hocharabisch, was dem Ganzen eine offizielle Note verlieh. Bei allen anderen Reden, die ihn seit dem Sturz Mohamed Mursis letzten Sommer in die Öffentlichkeit rückten, flocht er immer wieder Worte des gesprochenen Ägyptisch-Arabisch ein. Er werde der Nation nicht den Rücken kehren, wenn das Volk ihn rufe, gab der 59-Jährige als Begründung für die Entscheidung zur Kandidatur an. Am Sonntag soll der Wahltermin bekanntgegeben werden. Dann werden Bewerbungen der Kandidaten registriert. Doch ohnehin scheint niemand mehr al-Sisi die Präsidentschaft nehmen zu können.
Drei Monate lang habe al-Sisi sich intensiv auf diesen Schritt vorbereitet, sagte Amr Moussa der ägyptischen Zeitung "Al Ahram". Dabei war der ehemalige Außenminister Mubaraks und spätere Generalsekretär der Arabischen Liga zum engsten Berater des Feldmarschalls avanciert. Moussa war auch federführend bei der Ausarbeitung der neuerlich mit 98 Prozent Zustimmung angenommenen Verfassung. Allerdings hatten sich nur knapp 39 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Noch bei den vorigen Präsidentschaftswahlen trat Moussa selbst als Kandidat auf, hatte aber gegen dem Islamisten Mohamed Mursi keine Chance. Dieses Mal will der 77-Jährige nicht wieder antreten, er unterstützt stattdessen die Kandidatur al-Sisis.
Und überhaupt machen sich Gegenkandidaten rar. Auch Mohammed el Baradei, der frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger, will nicht gegen al-Sisi ins Rennen gehen. Dabei wurde er lange Zeit als aussichtsreicher Oppositionspolitiker der Revolution betrachtet.
Lediglich der beim letzten Mal Drittplatzierte, Hamdeen Sabahi, erwägt, al-Sisi herauszufordern. Allerdings werden Stimmen in seiner Umgebung lauter, er solle sich keiner Kampfabstimmung mit al-Sisi unterziehen.
Die Armee gibt Halt
Dieser hat nun Bedenken, dass er alleine dastehen wird und forderte in seiner Rede alle "Willigen" auf zu kandidieren. Die Wahl solle demokratisch ablaufen. Denn für die Islamisten, besonders die Muslimbrüder, ist die Nominierung des Armeechefs eine Legitimierung für ihre Behauptung, die Entmachtung Mursis sei ein Militärputsch gewesen. Dieses Argument hat auch Gewicht in den revolutionären Kreisen, die zwar gegen die Amtsführung Mursis demonstrierten, seinen Sturz aber als zu überhastet bezeichneten und die blutige Auflösung der Protestlager von Mursi-Anhängern durch die Sicherheitskräfte scharf verurteilten.
Al-Sisis Wahl zum Präsidenten gilt trotzdem schon jetzt als sicher. Nach der Verkündung seiner Kandidatur zogen jubelnde Ägypter durch die Innenstadt von Kairo. Hupkonzerte waren zu hören und Autokorsos überall sichtbar. Für manche Beobachter ist diese Euphorie aber völlig unverständlich.
Denn es ist nur knapp drei Jahre her, da wollte die Mehrheit der 83 Millionen Ägypter einen Militär - Hosni Mubarak - loswerden. Dieser hatte vor mehr als 30 Jahren ebenfalls seine Generalsuniform ausgezogen, um Präsident zu werden. Warum will man nun also wieder einen Militär im höchsten Staatsamt? "Wir brauchen einen starken Mann", bekommt man zur Antwort, wenn man nach dem offensichtlichen Widerspruch fragt. "Die Armee ist das Einzige, was wir derzeit haben." Und tatsächlich sind die Streitkräfte die zurzeit einzig funktionierende Institution am Nil, der einzige Pfeiler, an dem sich die Menschen orientieren und festhalten.
Es gibt kein Parlament, beide Kammern sind aufgelöst. Regierung und Präsident sind kommissarisch ernannt. Die Wirtschaft taumelt dem Bankrott entgegen. Gewerkschaften existieren nur auf dem Papier. Und die liberale und säkulare Opposition aus den Revolutionstagen vermag es bis heute nicht, ein konsensfähiges Konzept vorzulegen, das eine Mehrheit der Ägypter akzeptieren könnte. Diese Alternativlosigkeit spielt den Militärs voll in die Hände. So meinte al-Sisi denn auch, er habe keine andere Wahl, als zu kandidieren. Er müsse "Ägypten retten".
Dass auch die Militärs mit ihrem Willen zum Machterhalt teilweise zu dieser Situation beigetragen haben, sehen die meisten Ägypter indes nicht. Sie haben genug von Straßenkämpfen, revolutionären Parolen und Demonstrationen, die ihnen keine Verbesserung der Lebensumstände gebracht haben. Ungeduldig sehnen sie einen "Messias" herbei, der sie von den Plagen des Alltags erlöst. Dieser Erlöser soll nun Abdul Fattah al-Sisi sein. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass der Karrieresoldat in Zivil diesen Erwartungen nur schwer gerecht werden kann.