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"Ich nehme keine Bitcoins mehr an"

Von Martin Punz

Politik

Die Kursschwankungen der virtuellen Währung versetzen die Welt in Aufregung. In Wien ist man gelassen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bitcoin total kollabiert, ist sehr hoch, ist Robert Shiller, amerikanischer Träger des Wirtschaftsnobelpreises, überzeugt. Vergangene Woche stürzte der Kurs um mehr als ein Drittel auf weniger als 8000 Euro ab. Inzwischen ist die digitale Münze zwar immer noch knapp unter 10.000 Euro wert. Die Volatilität ist aber hoch. China und Südkorea, wo die virtuelle Währung groß im Geschäft ist, wollen ein Verbot erlassen. Doch wie steht es in Wien um das virtuelle Geld, das eigentlich eine digitale Währung sein sollte, die ohne Geschäfts- und Notenbanken auskommt? Wo kann in Wien überhaupt mit Bitcoins bezahlt werden? Und wie sinnvoll ist das bei derart hohen Kursschwankungen überhaupt?

In Wien bieten aktuell rund 30 Stellen die Möglichkeit an, via Bitcoins seine Rechnung zu begleichen. Die "Wiener Zeitung" hat sich unter einigen dieser Unternehmen umgehört.

Martin Gaisch etwa betreibt ein Werkzeuggeschäft im 15. Bezirk. In den Regalen stapeln sich Bohrmaschinen, Schleifpapier, Lacke und andere Handwerksgegenstände. Das Besondere an seinem Betrieb: Seit Dezember hängt ein kleiner selbstgedruckter Zettel in der Auslage. "Bitcoin accepted" ist darauf zu lesen. Hier - wo man es nicht sofort vermuten würde - werden also die digitalen Münzen akzeptiert. Technisch funktioniert das ganz unkompliziert. Jeder der Bitcoins hält, hat ein sogenanntes Wallet - eine digitale Briefbörse sozusagen. Dort ist das virtuelle Geld gespeichert. Die Wallet funktioniert wie eine reale Geldbörse und existiert nur einmal und an einem bestimmten Speicherort. Also beispielsweise auf dem Laptop oder dem Handy. An der Kassa wird dann der unverwechselbare und individuelle QR-Code der eigenen Wallet direkt vom Handydisplay gescannt und der korrekte Betrag an Bitcoins wandert automatisch von der eigenen in die Digitalgeldbörse von Martin Gaisch.

Resignierender Zauberer

Die Initiative dafür ging von anderen aus. "Kurz vor Weihnachten hat mich ein Bekannter gefragt, ob er nicht auch in Bitcoin bezahlen kann", erklärt der Werkzeugfachmann. Kurzerhand habe er diese Bezahlmöglichkeit eingeführt. "Es kostet mich nichts und ist eine zusätzliche Möglichkeit für die Kunden", führt Gaisch aus. Der Bekannte bezahlte schließlich einen 800 Euro teuren Akkuschrauber mit der Kryptowährung. Das wären 0,08 Bitcoin. Die genauen Beweggründe kennt der Unternehmer nicht, selber würde er jedenfalls kein Werkzeug mit Bitcoins kaufen. Bis auf die eine Person, wollte das bisher auch sonst noch niemand. "Ich besitze Bitcoins, aber ein großes Zukunftsmodell sehe ich aktuell nicht, was das Bezahlen betrifft", so das Urteil des Ladenbesitzers.

Während Unternehmer wie Gaisch gerade erst mit Bitcoins begonnen haben, hat sich bei anderen schon wieder Resignation breitgemacht. Der Zauberkünstler Philipp Kainz bot sehr früh eine Bitcoin-Bezahlmöglichkeit für seine Zaubershows an. Genutzt wurde sie nicht. Kein einziger Kunde hat in den letzten drei Jahren in Bitcoins bezahlt. "Ich nehme keine Bitcoins mehr an. Ich wüsste im Moment auch nicht genau, wie ich die Umsatzsteuer handhaben sollte. Um etwaige Fehler zu vermeiden und aufgrund fehlender Nachfrage habe ich diese Zahlungsart wieder eingestellt", erklärt der Künstler.

Das Tian Bistro am Spittelberg nahm ebenfalls eine Vorreiterrolle ein, was Kryptowährungen betrifft. Im rein vegetarischen Lokal steht sogar ein Automat, an dem direkt Bitcoins gekauft werden können. "Das passiert zurzeit sicher zwei bis drei Mal am Tag", erzählt eine Kellnerin.

Der Bitcoin-Hype hält an. Vor allem jetzt da der Kurs im Vergleich zum Ende des Vorjahres wieder gesunken und die Digitalwährung billiger zu bekommen ist. Die hauseigenen Smoothies oder die Linsensuppe müssen aber mittlerweile wieder in Euro bezahlt werden. "Es wurde nicht so angenommen und zahlt sich zurzeit einfach nicht aus", erklärt ein anderer Kellner. Zu hoch sind die sogenannten Mining-Gebühren derzeit. Denn auch bei Bitcoin-Zahlungen fallen Transaktionskosten an. Das technische System (Blockchain) hinter der Digitalwährung ist durch die starke Nachfrage überlastet, das lässt die Kosten für Überweisungen steigen.

"Bitcoins werden missbraucht"

Aber auch zuvor haben nur wenige Gäste ihre Mahlzeiten in Bitcoins bezahlt. "Bei den wenigen Personen, die das gemacht haben, war es eher die Neugierde und, dass man es halt einmal probiert hat." Wenn sich die Situation verändere, werde man wieder überlegen Kryptowährungen zu akzeptieren. Vorerst ist eine Pause vorgesehen.

Schauplatzwechsel. Auch Jörg Schaffler nimmt Bitcoins entgegen. Er betreibt eine Radwerkstätte im 8. Bezirk. Die Kellerräumlichkeiten erinnern an eine Mischung aus gemütlichem Beisl und klassischer Werkstatt. An der Kassa gibt es lederne Barhocker. Im dahinterliegenden Holzregal stehen Spirituosen, auf der Theke eine italienische Espresso-Maschine. Nebelschwaden hängen über der rustikalen Bar, vor dem Werkstättenbesitzer liegt der dazugehörige Tabak mitsamt Filtern und Drehpapier. Schaffler war früher Marktaufseher an der Börse. Vom Kapitalismus hat er aber genug. "Warum sollen wir uns von den gleichen Banken, die die Krise verursacht haben, nun sagen lassen, dass Kryptowährungen etwas Schlechtes wären?", fragt er. Er wolle Bitcoins unterstützen, weil er die Idee einer dezentralen Währung, die Banken teilweise obsolet werden lässt, begrüßt. Bezahlt hat damit aber auch bei ihm noch niemand. "Bitcoins werden meiner Meinung nach als Spekulationsobjekt missbraucht. Natürlich zahlt es sich nicht aus, einen Fahrradschlauch um 10 oder 20 Euro in Bitcoins zu bezahlen", erklärt er. Aber das Ganze werde sich in Zukunft einpendeln, die Kursschwankungen abnehmen.

Neben Schaffler steht eine Fender E-Gitarre aus den 1960er Jahren im Lokal - mittlerweile einige zehntausend Euro wert. Der Rest der Werkstatt ist vollgeräumt mit alten aufpolierten Rennrädern - ebenfalls begehrte Sammlerstücke. Was Bitcoins denn nun von solch klassischen Spekulationsobjekten unterscheide? "Die Technik hinter Bitcoins wird sich durchsetzen. Ob man das in Zukunft nun Bitcoins nennt oder nicht, ist egal. Es wird mit Kryptowährungen bezahlt werden", ist sich Schaffler sicher.

Anonyme Bezahlung

Einen ganz anderen Aspekt bringt Psychologin Barbara Singer ein. In ihrer Praxis im 2. Bezirk kann auch mit Bitcoins bezahlt werden. Singer bietet unter anderem sogenanntes "Ferncoaching" - also eine Therapie via Telefon oder Mailkontakt - an. "Das betrifft vor allem Menschen, die anonym bleiben wollen." Spätestens bei der Rechnung sei diese Anonymität aber dahin. Bei Bitcoins ist das anders: Ein Wallet hat nur eine bestimmte Nummer, läuft aber nicht auf einen Namen, wie es ein Bankkonto tut. "Diesen Gedanken fand ich besonders interessant", erklärt Singer.

Seit vergangenen Sommer gebe es daher laut Singer das Angebot mit Bitcoins die Sitzungen zu bezahlen. Abgewickelt wird das Ganze von einer externen Firma, die die Bitcoins entgegennimmt und der Therapeutin den entsprechenden Betrag direkt in Euro rückgewechselt überweist. Die Praxis sieht also nie etwas von den digitalen Münzen. Singer selbst besitze auch im Privatleben keine. Nachsatz: "Auch bei uns hat jedoch noch niemand diese Möglichkeit in Anspruch genommen."