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Seit kurzem ist Google Street View in Österreich wieder aktiv. Am Ende soll wohl die flächendeckende Erfassung unserer Republik stehen. Bis auf Weiteres untersage ich als freier Bürger an dieser Stelle in der im Eigentum der Republik Österreich stehenden "Wiener Zeitung" die Aufnahme meiner Liegenschaft aus folgenden Gründen:
Ich habe keinen privaten Internetzugang, und daran wird sich auch vorläufig nichts ändern, da zu viele smarte Augen und Ohren aus meinen vier Wänden, meinen Gedanken, Worten und Taten Kapital schlagen und Schlüsse ziehen wollen, die ich als denkender, mündiger Bürger durchaus selbst zu artikulieren in der Lage bin.
Google ist ein selbstbewusstes, gewinnorientiertes Unternehmen. Da für Google Street View die Zustimmung der Datenschutzbehörde einzuholen war, liegt kein staatlicher Auftrag vor. Es geht um ein kommerzielles Projekt zwischen Geschäftspartnern, von denen einer vor Tatsachen gestellt wird und dann Einspruch erheben "darf". Wenn ich etwas will, ist es eine Frage des Anstands, meinerseits beim Betroffenen höflich und begründet vorstellig zu werden - nicht umgekehrt.
Nun bietet Google an, aufgenommene Objekte unkenntlich zu machen. Was passiert mit den Daten? Wem gehören sie? Wie kann der Staat einem kommerziellen und nicht einmal europäischen Dritten erlauben, etwas in Daten zu verwandeln, das ihm gar nicht gehört? In einer Zeit, in der Daten als "Gold der Zukunft" gelten, erwarte ich, dass jeder Bürger ein Recht auf seine Daten hat. Alles andere erscheint wie eine Enteignung - bis hin zur 1848 abgeschafften Leibeigenschaft, nur digital. Es muss also auch ein Recht geben, Daten der Liegenschaft gar nicht erst aufnehmen zu lassen.
Der dritte Grund ist ein sicherheitstechnischer. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn Kriminelle Google Street View nutzen? Der Innenminister? Google? Oder verbleibt wieder alles Risiko beim Bürger? Steht nicht dahinter als Konsequenz, dass die "Festung Europa" bis in Kopf und Herz jedes Einzelnen dekliniert wird?
Als jemand, der einst vereidigt wurde, Österreich und seine Neutralität nach Kräften zu verteidigen, frage ich, inwieweit Google Street View neutralitätsrechtlich unbedenklich ist. Google ist ein US-Konzern. Ist die unternehmensorganisatorische Trennung zwischen ziviler und militärischer Anwendung und Datenverarbeitung so klar, dass sich kein Widerspruch zum Neutralitätsgebot ergibt, keine fremden militärischen Mächte auf unserem Territorium operieren zu lassen oder - direkt oder indirekt - Militärbündnissen anzugehören? Daran knüpft die Frage, ob dieses Projekt verteidigungspolitisch akkordiert ist. Toleriert man, dass durch den weltweit freien Datenzugang fremde Heeresleitungen Satellitendaten mit den Aufnahmen von Google Street View kombinieren und daraus strategische Vorteile ziehen könnten? Inwieweit gilt Google selbst dank seiner Datenhoheit als geostrategischer Player? Und wie soll die Republik ihr Verhältnis zu diesem definieren?
Es geht um Souveränität auf persönlicher, staatlicher und europäischer Ebene und um Transparenz im Verhältnis zwischen Bürger, Staat und Wirtschaft. Demokratie schöpft Zukunft aus der Vielfalt ihrer Bürger. Es wäre ein Signal von Entspannung und Vertrauen, ließe sich die restaurativ zugespitzte Allianz von Innovation und Zentralisierung wieder in einen offenen Dialog und einen pluralistischen Prozess in einem freien, fairen Markt überführen.