Nach verpatzter Volksbefragung fordert Josef Leitner "totales Spekulationsverbot".
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"Wiener Zeitung": Herr Leitner, bei Ihnen "geht nix weiter". Ihre "Nerven vor der Landtagswahl liegen blank". Wer hat das gesagt?
Josef Leitner: Die SPÖ Wien?
Das lässt sich der Parteichef im größten Bundesland von einem Wiener Parteisekretär ausrichten?
Auf solche unbedeutenden Aussagen reagiere ich nicht mehr. Ich habe außerdem keine Kritik an der SPÖ-Wien geübt, sondern an Bürgermeister Michael Häupl, der das Bundesheer-Thema für die Tagespolitik missbraucht hat.
Sind Sie enttäuscht vom Ergebnis gegen das Berufsheer?
Überhaupt nicht. In Niederösterreich gab es eine Beteiligung von mehr als 60 Prozent, das schreit nach mehr. Zum Ergebnis: Wenn die Volksbefragung so schlecht vorbereitet ist, ohne wirkliche Diskussion, platziert wenige Wochen vor wichtigen Landtagswahlen, dann darf man sich nicht wundern, wenn ein gutes Konzept keine Mehrheit findet und die Leute lieber auf Nummer sicher gehen.
Hat der Termin der Volksbefragung kurz vor der Niederösterreich-Wahl Ihren Wahlkampf verhagelt?
Ich verhehle nicht, dass ich deswegen bitterböse war.
Dem Termin hat wohl auch Kanzler Werner Faymann zugestimmt.
Ich weiß nicht, wer aller zugestimmt hat. Ich habe das Datum jedenfalls ein paar Minuten vor der Öffentlichkeit erfahren.
Nach der verpatzten Volksbefragung: Sollen SPÖ-Geschäftsführer Günter Kräuter und Laura Rudas Parteimanager bleiben?
Ich versteh mich mit beiden gut, menschlich ist alles okay. Aber die SPÖ hat Kampagnisierungsprobleme.
Wie will die SPÖ nach den historischen Verlusten 2008 im sehr kurzen Wahlkampf den großen Sprung vorwärts machen?
Einerseits mit einem totalen Spekulationsverbot, andererseits mit einer besseren Versorgung für Kinder und Senioren.
Reichen die aktuellen Entwürfe für das Spekulationsverbot?
Mir gehen sie zu wenig weit. Neben dem Verfassungsgesetz gibt es eine Bund-Länder-Vereinbarung und dann noch weitere Beschlüsse der Länder. Das ist ein bisschen viel. Ich bin für gleiche Rechte und Pflichten vom Neusiedlersee bis zum Bodensee und null Spielraum für die Bundesländer, wenn es um Kapitalgarantien für Steuergelder geht.
Sie werfen Erwin Pröll Spekulationsverluste mit Wohnbaudarlehen vor. Das versteht doch niemand.
Oh doch. In einem Satz: Er hat aus 8,2 Milliarden Euro Vermögen 4,4 Milliarden Euro gemacht. In drei Sätzen: Er hat ein Vermögen von 8,2 Milliarden Euro um 4,4 Milliarden Euro verkauft und damit spekuliert. Die Differenz wollte er über hohe Zinsen aufholen. Das hat er nicht geschafft.
Die SPÖ hat dem Deal im Jahr 2001 zugestimmt. Wo waren Sie?
Ich war Mitarbeiter der Arbeiterkammer und sehr zornig. Man kann Spekulanten nicht schimpfen und selbst spekulieren.
Dann waren Sie wegen der Spekulationen in Salzburg unter Genossin Gabi Burgstaller auch zornig?
Was dort in der Finanzabteilung passiert ist, ist ein Fall für die Gerichte. In Niederösterreich kommt erschwerend dazu: Die Spekulation war von Pröll gewollt.
Zurück nach St. Pölten: Fürchten Sie nicht, vom Duell zwischen Erwin Pröll und Frank Stronach überstrahlt zu werden?
Wir haben gute Programme. An der kuriosen Diskussion der beiden Herren beteilige ich mich nicht.
Sie gelten als uncharismatisch.
Es gefällt mir immer, wenn Politologen, die ich nie gesehen habe, solche Außenurteile treffen.
Ihr Wahlziel?
Über 27 Prozent. Die SPÖ muss wieder gesunden, wir haben uns in ein paar Jahrzehnten halbiert. Ich will aus dieser Wahl gestärkt hervorgehen, dann bleibe ich Landeshauptmann-Stellvertreter.
Wenn nicht, bleiben Sie es nicht?
Das haben Sie gesagt.
Tut Stronach Niederösterreich gut?
Frank Stronach hat viel Geld investiert und viele Jobs geschaffen. Sein betriebswirtschaftliches Know-how hat ihn dort hingebracht, wo er ist. Das ist hoch anzuerkennen. Und es ist sein gutes Recht, sich in die Politik einzubringen. Aber wir haben die besseren Konzepte.
Enttäuscht es sie, dass die von Stronach gegründete Magna von Niederösterreich nach Wien siedelt?
Ja, weil damit Arbeitsplätze eines wichtigen Unternehmens verloren gehen.
Stronachs Hauptwahlkampfthema sind Niederösterreichs Rekord-Schulden. Was ist dagegen zu tun?
Wenn wir mit dem Spekulieren aufhören, können wir 3 Milliarden Euro zum Schuldentilgen nehmen und weitere 500 Millionen Euro in einen Zukunftsfonds stecken. Bei den Förderungen, der Verwaltung und in der Werbe- und Eventmaschine des Landes gibt es ein weiteres Sparpotenzial von 200 Millionen Euro. Ein Beispiel: Die Landwirtschaftskammer bekommt jährlich 20 Millionen Euro, obwohl unsere Bauern leider immer weniger werden.
Zur Person
Josef Leitner (41) ist Landeshauptmann-Stellvertreter und seit 2008 Landeschef der SPÖ-Niederösterreich. Davor war er Referent in der Arbeiterkammer. Der Familienvater hat einen Doktortitel in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Nach dem historischen Verlust der SPÖ-NÖ bei der Wahl 2008 unter Heidemaria Onodi (25,5 Prozent) will strebt er nun wieder 30 Prozent an.