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Jagdeinladungen der Telekom untergraben "Vertrauen zur ÖIAG." | Höhere Grundsteuer nur, wenn sie aus Betriebskosten genommen wird.
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"Wiener Zeitung": Rund um die Telekom-Affäre wird nun deren vollständige Privatisierung gefordert. Sie werden als Gewerkschafter vermutlich wenig Freude damit haben . . .
Werner Muhm: Mein kritischer Punkt dabei ist die ÖIAG selbst. Herr Beyrer hat gesagt, dass er seinerzeit an Jagden von Mensdorff-Pouilly als Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV, Anm.) teilnehmen konnte, weil die IV ein privater Verein sei. Es lenkt also ein privater Verein die Staatsholding ÖIAG, das macht es mir schwer Vertrauen zu haben, gebe ich zu.
Oder will die SPÖ nur Positionen in der ÖIAG bekleiden?
Ich habe das Gefühl, dass sich in der SPÖ niemand dem Vorwurf aussetzen möchte, es geht ihr nur um Posten. Es geht um fehlendes Vertrauen. Die ÖVP schaut dem Spiel der Industrie einfach zu. Die beiden Betroffenen - Beyrer als jetzigen ÖIAG-Chef und Herrn Geiger als Aufsichtsrat - die Jagdgesellschaften aufklären zu lassen, finde ich schon erstaunlich.
Was soll die Republik Ihrer Meinung nach tun? Telekom und OMV sind börsenotierte Unternehmen, die ÖIAG hält Minderheitsanteile.
Na ja, es geht um ein Bekenntnis des Staates zu diesen Beteiligungen. Die Regierung könnte das abgeben. Es geht hier nicht nur um die Industrie, sondern auch um den Verbund, der für die heimische Energieversorgung sehr wichtig ist, und um die Bundesforste. Dort spielt das Thema Wasser eine Rolle.
Finanzministerin Maria Fekter hat aber im Parlament gesagt, dass die bisherigen Privatisierungen ein Erfolg waren und deutlich zur Schuldenreduzierung des Staates mitgeholfen haben. Das ist ja nicht ganz unwichtig in Zeiten wie diesen.
Richtig, aber Österreich muss ein Industriestandort bleiben. Wenn ich jetzt höre, dass die Telekom ein Übernahmekandidat ist, weil sich deren Eigenkapital von 2,8 auf 1,5 Milliarden Euro reduziert hat, liegt das auch an den üppigen Dividendenzahlungen dieses Unternehmens. Das Ende der Tabak-Produktion, oder die Übernahme des Edelstahl-Konzerns Böhler durch die Voest, sind keine Ruhmestaten. Dass Herr Grasser als Minister versuchte, die Voest durch Magna übernehmen zu lassen, wohl auch nicht.
Im Umfeld der ÖIAG werden ja auch die 2009 erfolgten Staats-Beteiligungen an den Banken verwaltet. Die Erste Bank will zurückzahlen, kann das aber derzeit nicht. Mischt sich der Staat nicht generell zu viel ins Wirtschaftsgeschehen ein?
Der Staat hat die Banken vor zwei Jahren aufgefangen, die Schuldenlast hat sich dadurch deutlich erhöht. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese etwa drei Prozentpunkte höhere Staatsschuld große private Vermögen abgesichert hat. Noch einmal: Die Regierung soll eine gemeinsame Linie finden, wie sie zu diesen Beteiligungen steht.
Soll die Republik an Banken beteiligt bleiben? Finanzministerin Fekter hat gesagt, dass Sie die Volksbank AG nicht verstaatlichen wolle.
Der Staat hat aber - mit Ausnahme der Bank Austria - in allen Großbanken Kapital drin. Das könnte schon für eine Bereinigung im Bankenbereich genutzt werden. Dazu gehört auch das enorm starke Engagement in Osteuropa. Mir ist das zu hoch. Es sollte reduziert werden, auch wenn dies in diesen Ländern zu Marktanteilsverlusten führt.
Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny hat diese Osteuropa-Beteiligungen aber trotz aller Risiken als Erfolgsgeschichte bezeichnet. Sind sie das für Sie nicht?
Doch, aber wir müssen das Volumen überdenken. Die Sorge um die Finanzierung der Pensionen hat jedenfalls den Zinsabstand heimischer Staatspapiere zu den deutschen nicht steigen lassen. Das Osteuropa-Engagement der Banken aber sehr wohl.
Raiffeisen hat in Polen eine Bank gekauft. Damit konnte die Marktposition in dem großen EU-Land verbessert werden. Das ist verwerflich?
Ich verstehe die betriebswirtschaftliche Vorgangsweise von Raiffeisen. Aber wahr ist auch, dass die Bank auch auf Risiko der Republik größer geworden ist, ohne dass es das von mir geforderte Bekenntnis der Regierung zu staatlichen Kapital-Engagements gegeben hat. Das Finanzministerium geht sehr fürsorglich mit Raiffeisen um.
Raiffeisen zahlt immerhin Zinsen für dieses Kapital, das ist ja nicht bei jeder Bank der Fall . . .
Gut. Aber mein Thema ist die Positionierung der ÖVP, und die ist in wirtschaftspolitischen Fragen sehr widersprüchlich. Ich weiß nicht, was die eigentlich will. Finanzministerin Fekter spricht von einer notwendigen Blutspur beim Budget, gleichzeitig will die ÖVP einen automatischen Inflationsausgleich bei den Familienförderungen. Einerseits ist sie für Vollprivatisierung, aber in den Ländern tut sich nichts. Es soll keine Vermögenssteuern geben, aber eine Verländerung der Grundsteuer wäre denkbar. Die Volkspartei spricht von Leistung, aber wo liegt die Leistung beim Erben?
Womit wir bei der Steuer-Debatte wären. Ich nehme an, Sie sind für die Erhöhung der Grundsteuer?
Mir geht es bei der Steuer-Debatte vor allem darum, dass sich die Leute nicht fürchten, also muss sie sehr präzise geführt werden. Eine Erhöhung der Grundsteuer kann ich mir nur dann vorstellen, wenn es ausreichende Freigrenzen gibt, um den vielzitierten Mittelstand nicht zu belasten. Und die Grundsteuer muss aus den Betriebskosten-Abrechnungen herausgenommen werden, sonst wird sie auf Mieter überwälzt. - Das kommt nicht in Frage.
Und Sparen?
Ohne Sparen wird es nicht gehen, aber wir müssen gleichzeitig sicherstellen, dass die aus dem Finanzbereich stammende Krise nicht den Sozialstaat kappt.
Sie sind also auch gegen Fekters Vorschlag, "golden handshakes" stärker zu besteuern?
Dabei geht es meist um eine Überbrückung bis zum Pensionsantritt. Die Gefahr, die ich sehe, ist aber, dass das vor allem Arbeitnehmer trifft, die sich mittels Vergleichen von einem Arbeitgeber trennen, aber zu jung sind, um in Pension zu gehen. Solche Vergleiche beim Arbeitsgericht würden durch Fekters Maßnahmen schwieriger gemacht.
Werner Muhm ist seit 1990 in der Arbeiterkammer, seit 2001 deren Direktor. Davor war er volkswirtschaftlicher Leiter des ÖGB. Er ist verheiratet und hat ein Kind.