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"Ich weiß nicht, was ich damals wusste"

Von Werner Reisinger

Politik

Peter Goldgruber, Generalsekretär des Innenministeriums, verwickelt sich vor dem U-Ausschuss in Widersprüche.


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Wien. Anfangs wirkt Peter Goldgruber gut vorbereitet und selbstbewusst. Im Laufe der Vernehmung aber gibt der Generalsekretär im Innenministerium (BMI) immer wieder Widersprüchliches an, er gerät durch die Fragen der Abgeordneten immer stärker unter Druck, widerspricht sich oft selbst. Mal will er aufgrund von Medienberichten aktiv geworden sein, mal beteuert er, dass mediale Berichterstattung für seine Anweisungen keine Rolle spielte.

Aber der Reihe nach. Vieles von dem, was Goldgruber zu Protokoll gibt, ist aufsehenerregend: So habe er - nach den Razzien am 28. Februar im BVT und an den Privatadressen von beschuldigten BVT-Mitarbeitern - prüfen lassen, ob gegen die Extremismus-Referatsleiterin im BVT, Frau G., dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen seien. Aus Medienberichten und "mündlichen Informationen" habe er erfahren, dass im Büro von S. G. Akten frei herumliegen würden und möglicherweise eine vorschriftswidrige Amtsführung vorliege.

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Goldgruber widerspricht hier klar der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis. Aus vom "Falter" publizierten Schriften von Kardeis geht nämlich hervor, dass Goldgruber Kardeis beauftragt hatte, Frau G. entweder in Pension zu schicken oder in die Sportabteilung des BMI zu versetzen. Vor dem Ausschuss stellte Goldgruber zuerst in Abrede, das so gesagt zu haben. Man solle Frau Kardeis dazu befragen. Nach der Befragung sprach der BMI-Generalsekretär dann von "unterschiedlichen Wahrnehmungen" des Gesprächs mit Michaela Kardeis. Zur Erinnerung: Vor dem Ausschuss hatte S. G., die nur Zeugin im WKStA-Verfahren ist, ausgesagt, in einem vertraulichen Gespräch habe ihr Kardeis mitgeteilt, dass "die (das Kabinett Kickl, Anm.) mich weiterhaben wollen", und ihr nahegelegt, in Pension zu gehen.

"Angeboten, zu helfen"

Dass er von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl den Auftrag bekommen habe, "im BVT aufzuräumen", da dieses "so korrupt wie noch nie" sei, will Goldgruber ebenfalls so nicht gesagt haben. Fakt ist aber: Im staatsanwaltlichen Tagebuch von WKStA-Ermittlerin Ursula Schmudermayer ist die Aussage genau so protokolliert. Goldgruber sagt dazu, das Prädikat "aufräumen" stamme aus einem Medienbericht, "seit dem hängt mir das nach". Kickl selbst aber habe er "mehrmals informiert, immer nachdem eine bestimmte Aktivität geplant war - so wie es sich aus meinem Empfinden für einen Beamten gehört, dass man den Vorgesetzten informiert", sagt Goldgruber. Eine Stunde später - es geht um einen Bericht an ihn aus dem BVT über eine geplante Hausdurchsuchung bei einem FPÖ- und Burschenschafts-Mitglied - habe er darum ersucht, solche Informationen künftig nicht mehr zu erhalten.

Dass er das "Konvolut" von anonymen Vorwürfen gegen BVT-Beamte an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übergeben habe, gibt Goldgruber allerdings zu. Nur woher und warum er wusste, dass ausgerechnet Ursula Schmudermayer die Ermittlungen in der Causa BVT führt, ist Goldgruber nicht mehr so recht erinnerlich. Aus "persönlichen Gesprächen" habe er das erfahren, sagt er. Und: "Die Staatsanwaltschaft hat den Eindruck vermittelt, dass sie ermitteln möchte, aber nicht genau wisse, wie." Da habe er angeboten, zu helfen.

"Wirtschaftlich zweckmäßig"

Bekommen habe er das "Konvolut" von Anwalt Gabriel Lansky, der habe auch Andeutungen gemacht, dass die WKStA bereits ermittle, erinnert sich Goldgruber dann. Weil er eine Mehrfachanzeige verhindern wollte, sei er mit dem Konvolut direkt zu Ursula Schmudermayer gegangen. "Ich bin ein Anhänger davon, wirtschaftlich zweckmäßig vorzugehen", sagt Goldgruber.

Wen er als Jurist als zuständig für etwaige Ermittlungen zu den Vorwürfen im "Konvolut" erachtet habe, will Werner Amon von der ÖVP wissen. "Das BVT", sagt Goldgruber. "Und da ist es Ihnen nicht komisch vorgekommen, dass Sie das Konvolut von einem bekommen, der will, dass gegen das BVT ermittelt wird?", erwidert Amon. Bereits im Juli 2017 wusste der damalige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl von der Existenz des "Konvoluts" und den darin enthaltenen Vorwürfen. Das ging aus einer Anfragebeantwortung Kickls am 19. März hervor. Er habe Goldgruber Anfang 2018 gebeten, "die Sachverhalte zu prüfen", sagte Kickl damals. Wieso er glaube, dass Kickl die Sachverhalte nicht selbst zur Anzeige gebracht habe, wenn er schon seit Sommer 2017 davon gewusst habe? "Meines Wissens nach ist privates Wissen kein Grund, um etwas zur Anzeige zu bringen", sagt Goldgruber.

Strafanzeige gegen Goldgruber

Ebenso verwirrend wirkt Goldgrubers Befragung beim Thema Amtsverschwiegenheit der Belastungszeugen. Stephanie Krisper von den Neos konfrontiert den BMI-Generalsekretär mit seinen eigenen Aussagen gegenüber dem "Standard", wonach ihm die Identität von vier Belastungszeugen nicht bekannt gewesen sei. Die Zeugen seien mündlich von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden, sagt Goldgruber auch heute. Krisper: "Wie konnten Sie die Zeugen P. und W. bei Ihren Gesprächen mit Ihnen von der Amtsverschwiegenheit entbinden, wenn Sie damals angeblich noch nicht wussten, dass es sich um Zeugen handelt?" - "Ich habe nicht gesagt, dass ich Sie bei den Gesprächen entbunden habe", sagt Goldgruber. "Aber die Zeugen haben das gesagt", sagt Krisper und zitiert aus deren Aussagen vor dem Ausschuss. "Ich weiß nicht, was ich damals wusste", fasst Goldgruber zusammen.

Peter Pilz will jedenfalls eine Anzeige samt Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien einbringen. Und zwar weil Goldgruber vor dem Ausschuss zugibt, dass er bei einer Besprechung am 29. Jänner von BVT-Direktor Gridling wissen wollte, wo genau verdeckte Ermittler des Verfassungsschutzes in schlagenden, deutschnationalen Burschenschaften eingesetzt waren - und zwar nach Ende der ersten schwarzblauen Koalition. Eine schriftliche Anfrage Goldgrubers an das BVT hatte das Extremismus-Referat zuvor recht knapp und einsilbig beantwortet. Für Pilz ist klar: Das sei versuchter Amtsmissbrauch und reiche für eine Suspendierung Goldgrubers. Die Liederbuch-Affäre vom Jänner 2018, die kurz vor der niederösterreichischen Landtagswahl den FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer zu Fall gebracht hatte, rückt so erneut ins Zentrum des Interesses.

Dass er als Generalsekretär einer - wohl zumindest mittelfristig bevorstehenden - großen Reform des Polizei- und Sicherheitsapparats zum Opfer fallen könnte, bezeichnet Goldgruber nach seiner Befragung als "Gerücht": "Möglicherweise werden viele enttäuscht sein, wenn diese nicht eintreffen."

Lett: "Kein Zeugenvermittler"

Kein Vermittler von Belastungszeugen will am Nachmittag dann Udo Lett sein. Der Kabinettsmitarbeiter von Herbert Kickl weist bei der Befragung, die zum Schluss nicht-medienöffentlich geführt wird, größere Erinnerungslücken auf. "Das waren zu dem Zeitpunkt, als ich mit ihnen Kontakt hatte, keine Zeugen", sagt Lett zu seinen Vorabgesprächen mit den Belastungszeugen. "Zu Zeugen wurden sie erst, als die Staatsanwaltschaft sie geladen hat." Er aber habe zwar mit den Zeugen gesprochen, sie aber nicht "vermittelt". Widersprüche auch von ihm: Am 13. Februar habe die Zeugin P. ihn angerufen - und nicht umgekehrt, wie auch Goldgruber zuvor ausgesagt hatte.