Wein & Co wird Filialen nicht in Raucher- und Nichtraucherbereich trennen. | Wirtschaftskrise führte nicht zu Umsatzrückgängen. | "Wiener Zeitung": Unternehmen, die Luxusprodukte herstellen oder verkaufen, mussten im vergangenen Jahr erhebliche Umsatzeinbrüche verzeichnen. Teurerer Wein und teure Spirituosen sind ebenfalls Luxusprodukte. Haben Sie aufgrund der Wirtschaftskrise ähnliche Auswirkungen verspürt?
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Heinz Kammerer: Entweder stimmt Ihre Theorie nicht, oder wir sind ein Sonderfall.
Das ist keine Theorie, sondern das sind Fakten aus den veröffentlichten Geschäftsberichten der entsprechenden Unternehmen.
Dann ist es der Beweis für die Richtigkeit unserer Strategie als Demokratisierer der Weinwelt. Wein & Co verkauft ja überwiegend Weine zu ganz normalen Preisen, was vermutlich der Grund ist, dass wir keine Umsatzrückgänge hatten. Wir sind ja keine Vinothek, die hauptsächlich teure Spezialitäten führt.
Sie bedienen den Massenmarkt?
Es ist uns gelungen, eine Marke aufzubauen, die für Qualität zu vernünftigen Preisen steht. In Österreich interessieren sich etwa 700.000 bis 800.000 Menschen für Wein. Davon sind 250.000, also ungefähr ein Drittel, Kunden bei uns. Denen bieten wir sorgfältig ausgewählte, handverlesene Weine zu vernünftigen Preisen, die schon bei 3,99 Euro beginnen.
Kann ein Winzer mit einem Wein, der einen Endverbraucherpreis von 3,99 Euro hat, überhaupt noch etwas verdienen?
Selbstverständlich. Es gibt auf der ganzen Welt keinen Wein, der in der Erzeugung mehr als 25 Euro kostet. Das gilt auch für einen Chateau Petrus aus dem Bordeaux, der dann 1000 Euro pro Flasche kostet. Bei jedem Wein, der teurer als 50 Euro ist, sind Liebhaberei und Image für den Preis verantwortlich. Um solche Weine zu kaufen, muss man entweder Sammler oder ein besonderer Liebhaber sein, der bereit ist, für die letzten drei oder vier Prozent an absoluter Spitzenqualität derartige Preise zu bezahlen. Das ist aber nicht unser Geschäft.
Sie verkaufen in den Wein-&-Co-Filialen aber auch solche teuren Weine.
Das dokumentiert unsere Kompetenz.
Die in versperrten Glasvitrinen ausgestellten teuren Burgunder und Bordeaux, die einige hundert Euro kosten, dienen also hauptsächlich Marketingzwecken?
Wir wollen zeigen, dass wir auch diese Weine führen, aber unser Durschnittsverkaufspreis liegt bei etwa 16 Euro. Wir machen ungefähr 80 Prozent unseres Umsatzes mit Wein und davon gut zwei Drittel mit österreichischem.
Nehmen österreichische Weine in ihrer Beliebtheit zu oder ab?
Die Österreicher nehmen immer noch leicht zu, aber die Tendenz ist verflachend. Als wir begonnen haben, haben wir zu zwei Drittel ausländische Weine verkauft, was vor allem damit zu tun hatte, dass die Österreicher damals nicht in der Lage waren, vernünftige Rotweine zu machen. Ab 1997 hat sich das geändert, und ab dann ist der Anteil der österreichischen Weine am Gesamtverkauf massiv gestiegen. Wir bemühen uns sehr, das jetzt wieder ein wenig zugunsten der Ausländer zu korrigieren.
Weil Sie mit ausländischen Weinen mehr verdienen?
Gar nicht. Aber zum einen gibt es bekanntlich mehr Ausland als Inland, und zum anderen wäre es ja furchtbar, wenn wir am Schluss nur mehr Blaufränkischen und Zweigelt in den Regalen hätten.
Wie beurteilen Sie die Qualität der Weine des Jahrgangs 2009?
Unsere Einkäufer sagen mir, Burgund ist großartig, Bordeaux ebenso, aber die Verkostungen sind erst im April. Die Österreicher, die den Mumm hatten, ordentlich herauszuschneiden, haben zwar sehr wenig, aber sehr guten Wein produziert. Die anderen, die diesen Mut nicht hatten, werden ein bisschen wässrig oder schwammerlhaft sein. Das ist in Zeiten der Krise vielleicht gar nicht schlecht, weil der Export ohnehin stark eingeknickt ist und auch der Absatz über die heimische Spitzengastronomie ist deutlich zurückgegangen.
Allerdings gibt es bislang keinen österreichischen Spitzengastronomen, der zugegeben hätte, dass er nennenswerte Geschäftsrückgänge verzeichnen musste.
Dann hat es bisher keiner zugegeben, aber es ist natürlich so. Ich weiß es von den Winzern und den Gastronomiegroßhändlern.
Sie gelten als vehementer Gegner des derzeitigen Nichtraucher-Gesetzes, das in Lokalen unter anderem die räumliche Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen vorschreibt.
Weil das ein völlig vertrotteltes Gesetz ist, bei dem jeder, der nur halbwegs mit Hausverstand gesegnet ist, sofort sieht, dass es nicht funktionieren wird und sogar kontraproduktiv sein wird. Lokale bis zu 80 Quadratmeter können sich nämlich als Raucherlokal deklarieren, was bedeutet, das es möglicherweise bis zu 15.000 solcher kleiner, verstunkenen Lokale geben könnte, weil jeder Gastronom weiß, dass es geschäftsschädigend ist, wenn man in einem Lokal nicht rauchen darf.
Das gilt aber nur, solange es nicht alle Lokale betrifft.
Genau das ist ja das Problem, dass es nicht alle betrifft. Wir haben es ja als Einzige wirklich ausprobiert und hatten bis zu 15 Prozent Umsatzrückgang in der Gastronomie. Deshalb lautet meine Forderung: gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle. Aber dazu fehlt, was ich nicht verstehe, der politische Mumm. In Italien, Spanien, Frankreich gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, dass in engen Räumen, wo viele Leute anwesend sind, nicht geraucht werden darf. In Theatern, Flugzeugen, Autobussen darf man ja auch bei uns nicht rauchen. Aber bei Lokalen macht man Größenunterschiede. Das wird die Kommunikationsgastronomie wie Bars, Kaffeehäuser und Discos ganz arg treffen.
Und die Restaurants in den Wein-&-Co-Filialen würde es natürlich auch treffen.
Ab 23.00 Uhr brauchen wir dann nicht mehr geöffnet zu haben, weil nach dem Essen niemand mehr zu uns auf ein Glas Wein kommen wird. Nicht nur die Raucher selbst, sondern auch deren Freunde, die selbst gar nicht rauchen. Die werden dann in eines der 15.000 Raucherkammerln gehen. Ich werde mich daher strafen lassen, solange ich es mir leisten kann.
Sie könnten auch, wie vorgeschrieben, eine räumliche Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen vornehmen.
Das ist bei unseren Filialen aus baulichen Gründen nicht möglich. Außerdem kostet das sicher 50.000 Euro pro Betrieb. Wir könnten uns das leisten, aber viele andere Gastronomen haben das nötige Geld nicht. Und Kredit bekommt er von seiner Bank keinen, weil die Geschäfte derzeit ja nicht so toll laufen. Außerdem bin ich sicher, dass die EU-Kommission in spätestens drei Jahren ohnehin ein EU-weites Rauchverbot in Lokalen verordnet.
Stichwort Feindbilder. Wie ist Ihr Verhältnis zu Spar?
Entspannt.
Vor noch nicht allzu langer Zeit gab es aber noch wechselseitige Klagen und man warf sich alle möglichen Unfreundlichkeiten an den Kopf.
Als Spar so etwa im Jahr 2000 seine Weinwelt aufgezogen hat, sind die zu unseren Winzern gegangen und haben denen Geschichten erzählt, die alle nicht gestimmt haben, und haben die Winzer, was die Preispolitik betrifft, hinters Licht geführt. Sie haben die Winzer dazu gebracht, dass sie ihnen Weine in Kleinstmengen verkauft haben, und haben die Weine dann unterm Ab-Hof-Preis verschleudert. Und wenn man sie dann im Online-Shop bestellen wollte, haben sie die Weine gar nicht gehabt. Und alle Prozesse, die es damals gab - unter anderem, weil ich Spar-Chef Gerhard Drexel vorgeworfen habe, sich usbekischer Teppichhändler-Methoden zu bedienen - haben wir gewonnen.
Das klingt aber nicht gerade nach entspanntem Verhältnis.
Mittlerweile schon. Aber damals musste ich mich leider wehren, weil die ja voll auf uns losgegangen sind. Die haben zum Beispiel bei Google für Inserate das Kennwort "Wein & Co" gekauft und wer auf den Link geklickt hat, ist bei Spar gelandet. Das war ein Musterprozess, den wir gegen solche Methoden gewonnen haben. Aber irgendwann haben wir uns dann zusammengesetzt, uns die Hand geschüttelt und gesagt: Wir geben Ruhe. Jetzt ist es ein ganz entspanntes und unaufgeregtes Verhältnis.
Das Verhältnis zu Rewe, dem Eigentümer der Handelsketten Billa und Merkur, war andererseits nie durch solche Auseinandersetzungen belastet.
Weil die nicht so aggressiv agiert haben. Rewe-Österreich-Chef Frank Hensel ist ein sehr geschickter Kerl. Der macht das außerordentlich gut. Und wir stehen in einem positiven Kontakt und reden sogar über verschiedene Kooperationsmöglichkeiten.
Welche Region bevorzugen Sie derzeit?
Ich mag südafrikanische Weine sehr gerne. Die haben dort perfekte klimatische Voraussetzungen und mittlerweile auch viel Know-how. Ihre Weine sind sehr fleischig, sehr fruchtbetont, mit einem guten Säurerückhalt, und sie haben mehr Kraft als viele europäische Weine.
Was ist der beste Wein, den Sie je getrunken haben?
Auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen protzig klingt, aber das ist natürlich wirklich der Mouton Rothschild 1945. Wenn man den einmal im Leben getrunken hat - und ich habe dieses Vergnügen ein paar Mal genossen -, dann weiß man: So großartig kann Wein sein.
Nachdem Normalsterbliche kaum in den Genuss eines Petrus 1945 kommen werden: Was ist Ihr derzeitiger Lieblingswein in erschwinglicher Preiskategorie?
Das ist ein südafrikanischer Cabernet Sauvignon namens "The Mint" vom Weingut Thelema. Ein fantastischer Wein, ein wirklicher Genuss. Der kostet 25 oder 28 Euro, und ich habe meinen Keller damit vollgestopft.
Zur PersonHeinz Kammerer, geboren 1948 in Wien, studierte nach der Matura an der Handelsakademie an der damaligen Hochschule für Welthandel. Nach dem Studienabschluss als Diplomkaufmann im Jahr 1971 war Kammerer vorerst als Exportsachbearbeiter für den Teppichhersteller Eybl tätig, ab 1973 dann für eine Handelsagentur für Heimtextilien.
1976 gründete er das Fliesen- und Sanitärhandelsunternehmen Ikera, das er 1998 verkaufte, um sich auf die 1993 gegründete Weinhandelskette Wein & Co. zu konzentrieren, die zuletzt mit 17 Filialen sowie einem Online-Shop einen Umsatz von 42 Millionen Euro erwirtschaftete. Kammerer brachte durch Klagen die österreichische Getränkesteuer zu Fall und gilt als vehementer Gegner der Ladenschlussregelungen sowie des Nichtrauchergesetzes, das nur in größeren Gastronomiebetrieben eine bauliche Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen vorschreibt.