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"Ich will mehr Frauen in Führungspositionen haben"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EU-Kommissarin Viviane Reding im Interview mit der "Wiener Zeitung". | "Wiener Zeitung": Sie schlagen eine 40-prozentige Frauenquote in börsenotierten Unternehmen vor. Wie soll das durchgesetzt werden? | Viviane Reding: Noch habe ich das nicht vorgeschlagen. Zuerst einmal werden wir uns Anfang 2011 mit den Präsidenten und Vorstandsdirektoren der großen börsenotierten Unternehmen zusammensetzen, um zu sehen, ob die in Eigeninitiative mehr Frauen in Führungsposition unterbringen können.


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Nur wenn die Entwicklung dann nicht positiv ist, muss man daran denken, das mit gesetzlichen Maßnahmen auf europäischer Ebene durchzusetzen.

Warum sollten Unternehmen das freiwillig machen?

Es gibt ja Konzerne, wie die Deutsche Telekom zum Beispiel, die das bereits zur Unternehmenskultur erhoben haben. Solche Eigeninitiativen werden wir fördern, weil sie auch im Interesse der Unternehmen sind. Unsere Studien haben gezeigt, dass Betriebe mit ausgeglichenen Geschlechterstrukturen ihren Börsenwert innerhalb von drei Jahren 1,7 Mal so stark steigern konnten wie vergleichbare Betriebe, die einseitige Strukturen haben.

Haben Sie Verständnis dafür, dass bei zwei gleich gut qualifizierten Bewerbern für einen Job eher der Mann genommen wird, weil der Unternehmer befürchtet, das die Frau schwanger werden und für längere Zeit ausfallen könnte?

Ich würde mir wünschen, dass er sich dann auch um den Mann Sorgen macht, der womöglich Vater wird und dann länger nicht zur Verfügung steht, weil er seinen Vaterpflichten nachkommt. Da muss es noch ein Umdenken geben.

Die Väterkarenz müsste also ausgebaut werden?

Ja. Gesellschaftlich gesehen trifft die Verantwortung den Vater gleichermaßen wie die Mutter; mit der Ausnahme natürlich, das Kind in die Welt zu setzen.

Als Telekomkommissarin haben Sie bereits gezeigt, dass sie hart durchgreifen können, wenn die Industrie nicht spurt. Glauben Sie, die Konzerne haben ihre Lehren daraus gezogen?

Die Quoten sind das Damokles-Schwert. Mein Ziel sind nicht Quoten, sondern mehr Frauen in Führungspositionen zu haben. Nur wenn das anders nicht funktioniert, gebrauchen wir das Damokles-Schwert.

Außer dem Punkt mit den Quoten sind Ihre Vorschläge recht vage. Was ist die neue Qualität Ihrer Strategie?

Das will ich nicht gelten lassen. Wir kündigen sehr konkrete Vorschläge an. Die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen beträgt im EU-Durchschnitt immer noch 18 Prozent. Ich werde mich mit den Sozialpartnern an einen Tisch setzen, um zu sehen, wie man die Transparenz in den Betrieben erhöhen kann, damit die versteckte Diskrepanz bei den Einkommen offen gelegt wird. Im Rahmen einer Strategie gegen Gewalt gegen Frauen planen wir die Genitalverstümmelung von Frauen europaweit zu kriminalisieren und so endgültig abzuschaffen.

Gibt es neue Erkenntnisse über die Zulässigkeit der Roma-Abschiebungen in Frankreich? Wird es am Mittwoch ein Strafverfahren geben?

Unser juristischer Dienst prüft derzeit die Antworten aus Paris. Das Gutachten wird dem Kollegium der Kommissare vorgelegt, das dann entscheidet. Ob es schon nächsten Mittwoch soweit ist, liegt an Präsident Jose Manuel Barroso.

Viviane Reding ist EU-Kommissarin für Justiz und Grundrechte.