Vater soll Sohn mit heißem Wasser verbrüht und auf ihn eingestochen haben: 20 Jahre Haft.
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Wien. Die Tochter sei ein Dämon, seine Frau eine "Weltmeisterin im Provozieren" und "sehr aggressiv", hatte der Angeklagte behauptet. Dienstagabend wurde der 59-jährige Familienvater im Wiener Straflandesgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er soll am 8. Mai 2016 in Wien-Floridsdorf seinen im Halbschlaf befindlichen, 17-jährigen Sohn mit heißem Wasser übergossen und mit einem Küchenmesser schwer verletzt haben.
Die Geschworenen bejahten mehrheitlich den inkriminierten Tötungsvorsatz. Der Angeklagte wurde mit 6 zu 2 Stimmen des versuchten Mordes für schuldig befunden. Bei der Strafbemessung wurde die Heimtücke der Tat erschwerend gewertet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Rudolf Mayer meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Seine eigene Familie habe ihn auf die Straße vertrieben, unter Betrug habe man ihm sein Haus weggenommen, sagt der 59-Jährige beim Prozess. Aufs Übelste sei er von seiner Frau beschimpft worden. Ständig habe ihn seine Familie belogen. Zum Tatzeitpunkt sei er deswegen verzweifelt gewesen, unter enormen psychischen Druck habe er gestanden.
"Jetzt ist Schluss mit der Mitleidsmasche", fährt die vorsitzende Richterin Martina Krainz den Angeklagten an. Immer wieder sorgen die Aussagen des Angeklagten für fassungslose Blicke bei den Zuschauern und Prozessbeteiligten.
Als er seinen schlafenden Sohn mit kochendem Wasser übergoss, erlitt dieser laut Anklage Verbrühungen in der linken Gesichtshälfte, an der linken Hand und auf dem rechten Unterschenkel. Danach soll der Vater ihm mit einem Messer Schnittwunden am Hinterkopf und im Nacken zugefügt und in den Rücken gestochen haben. "Papa, bring mich bitte nicht um!", soll der 17-Jährige gerufen haben. Er konnte fliehen. Nur mit viel Glück hat er laut Gerichtsmediziner Christian Reiter überlebt.
"Schwer erklärbar und nachvollziehbar" sei die Tat, hält Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel fest. Zur dieser zeigt sich der Angeklagte weitestgehend geständig. Er habe den Sohn verletzen, aber nicht töten wollen.
Mühsame Vernehmung
Seine Vernehmung gestaltet sich als äußerst mühsam. In weitläufigen Antworten umgeht der Angeklagte die Fragen der Richter. Mehrmals wird er daraufhin ermahnt, er möge doch endlich konkret auf die Fragen antworten.
Der 59-Jährige ist äußerst emotional, gestikuliert wild, spricht laut. Teilweise schreit er seine Antworten regelrecht hinaus. "Es ist schön, zu sehen, wie Sie sich im Griff haben", sagt dazu der beisitzende Richter Christoph Bauer. "Mein Mandant ist Araber, nicht so ruhig wie wir Mitteleuropäer. Das muss man schon verstehen", sagt hingegen Verteidiger Rudolf Mayer.
Der Angeklagte, ein Akademiker und gebürtiger Ägypter, kam vor 33 Jahren nach Österreich. Mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern und einem Sohn lebte er in einer Reihenhaus-Siedlung in Floridsdorf. Nach einigen Jahren ließ sich die Frau scheiden. Im Scheidungsvergleich wurde festgelegt, dass die Frau mit den Kindern im Haus wohnen dürfe und der Mann sich nach einem neuen Heim umschauen muss. Mit dieser Entscheidung dürfte er sich nicht abgefunden haben. Mehrmals behauptet er, man habe ihn betrogen und in die Obdachlosigkeit getrieben. Er sei verzweifelt gewesen, sagt er.
Am Tag der Tat wurde dem 59-Jährigen ausnahmsweise von seiner Ex-Frau und Tochter erlaubt, in der ehelichen Wohnung zu übernachten. Da sie Probleme befürchteten, verbrachten sie die Nacht bei Verwandten. Nur der Sohn soll wegen einer starken Verkühlung im Haus zurückgeblieben sein.
"Was hat Ihr Sohn mit Ihrer Verzweiflung zu tun?", will Richterin Krainz wissen, woraufhin der Angeklagte wieder auf die ungerechte Behandlung seiner Familie ihm gegenüber verweist. "Und deswegen schüttet man kochendes Wasser auf seinen Sohn?", fragt Krainz. "Es tut mir leid", sagt der 59-Jährige.
"Ich war verzweifelt"
Der Sohn habe gelogen, sei nicht hinter ihm gestanden, sagt der Angeklagte. "Also war es eine Racheaktion?", sucht Krainz weiter nach dem Motiv. "Ich war verzweifelt", antwortet der 59-Jährige. Nach der Tat habe er keinen Arzt für seinen Sohn gerufen, da er "so verzweifelt und durcheinander" gewesen sei.
Warum er das Wasser ausgerechnet ins Gesicht, eine äußerst sensible Region, geschüttet habe, wird der Angeklagte ebenfalls gefragt. "Ich wollte ihn aufwecken", antwortet der 59-Jährige. "Wollten Sie ihn kampfunfähig machen?", wird nachgehackt. "Ich war verzweifelt", sagt der Angeklagte, immer und immer wieder. Der Sohn wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.