Lebenslang für einen Polizisten, der seine Frau erschossen und sein Kind erwürgt haben soll.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Er habe seinen Sohn versorgt, ihm wie immer Frühstück gemacht, erklärt der Angeklagte L. "Was dann?", fragt Stefan Apostol, der vorsitzende Richter. Stille. L. schweigt zunächst. Ein "Dann" bringt er heraus, bevor er weinend seine Antwort abbricht. Das Schluchzen übertönt seine Worte, die sich nur mehr zu vereinzelten Satzfetzen zusammenfügen.
"Dann" hat laut Staatsanwaltschaft Wien der suspendierte Polizist L. seinen einjährigen Sohn erwürgt. Einen Tag zuvor, am 02. Oktober 2016, soll er seine Frau C. mit einem Kopfschuss getötet haben. Die 25-jährige Kärntnerin war zu diesem Zeitpunkt mit seinem zweiten Kind schwanger. Die Staatsanwaltschaft wirft L. neben dem Verbrechen des Mordes deshalb auch Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren vor. L. zeigt sich zu den Vorwürfen geständig.
"Finde für mich selber keine Antwort"
Nach dem "Warum?" wird im Geschworenenprozess gegen L. am Donnerstag am Straflandesgericht Wien verzweifelt gesucht. Das Unverständliche soll verständlich gemacht werden. Doch auch der 24-jährige L. – ein kleiner Mann mit jugendlichen Gesichtszügen – kann sein Verhalten nicht nachvollziehen. "Ich wünschte, es wäre erklärbar, ich wünschte, ich hätte eine Lösung. Ich finde für mich selber keine Antwort", sagt er.
Mit gesenktem Kopf sitzt L. während der Eröffnungsplädoyers da. Regungslos blickt er nach unten. Auch als er vernommen wird, schaut er den Richtern nicht direkt in die Augen. Mit monotoner und klarer Stimme erzählt er zu Beginn noch über seine Beziehung zu C.
Im Jänner 2014 habe er sie kennengelernt, im März sei man zusammen gekommen. Wenige Wochen danach sei sie auch schon schwanger gewesen. "Wir haben uns relativ gut verstanden anfangs", erklärt er Richter Apostol. Alsbald habe es aber Probleme gegeben. C. habe ihm nicht erlaubt, seine Eltern zu besuchen. Ständig habe sie ihm Vorwürfe gemacht. Nie habe er genug für sie machen können. "Sie war fixiert auf mich", sagt er.
Es ist eine Darstellung, welcher die Opfervertreter und Anklagebehörde entschieden widersprechen. C. sei nicht die "grundlos eifersüchtige, kontrollierende Persönlichkeit", als die sie der Angeklagte beschreibe, meint Staatsanwältin Karina Fehringer.
Er habe jedenfalls an der Beziehung festhalten wollen, sagt L. mit zunehmend brüchiger Stimme. "Ich wollte keine perfekte, aber eine normale Familie haben und für mein Kind da sein. Deswegen habe ich nicht aufgegeben und es immer wieder probiert", meint der 24-Jährige, dem ein Justizwachebeamter zwischendurch Taschentücher bringt.
Wollte "von dem Ganzen weg"
Im Sommer 2016 fuhr seine Frau für einige Wochen nach Kärnten, um den Führerschein zu machen. Unmittelbar nach ihrer Abreise fing L. eine Affäre an. Seiner Geliebten machte er vor, dass er Single sei und seine "Ex" mit dem gemeinsamen Sohn in Kärnten lebe. Er habe "von dem Ganzen weg" und "Spaß haben" wollen, sagt er. "Es war schön. Meine Probleme waren für kurze Zeit weg", erklärt L.
C., die mittlerweile erneut schwanger war, wurde immer misstrauischer. L. kämpfte damit, sein Doppelleben aufrecht zu erhalten. Im September soll er laut Staatsanwaltschaft erstmals überlegt haben, seine Frau zu töten. Er googelte etwa nach Begriffen wie "Genick brechen", so die Anklage. Am 26. September soll er C. erstmals gewürgt haben.
Ein paar Tage später kaufte er dann bei einem Baumarkt eine Axt und Müllsäcke. Wie er sich das erklären könne, fragt Apostol. "Ich war so verzweifelt. Ich habe irgendeinen Ausweg gesucht." "Haben Sie schon mit dem Gedanken gespielt, sie zu töten?" – "Ja, beim Kauf schon. Aber ich habe den Gedanken dann verworfen".
Anfang Oktober 2016 wurde der Tatplan laut Anklage immer konkreter. L. googelte unter anderem nach "Hinrichtung durch Kopfschuss - was für ein Schadensbild". Er soll seine Glock aus der Dienstelle geholt und in der Wohnung versteckt haben.
Nach einem Streit soll L. am 02. Oktober seine Frau dannn mit einem Kopfschuss getötet haben. Als sie weinend im Bett gelegen sei, habe er die "Augen zugemacht und den Abzug betätigt". C. habe davon nichts mitbekommen, sagt L. Nachdem er ihr die blutige Kleidung ausgezogen und sie in die Badewanne gelegt habe, sei er mit seinem Sohn, seiner Geliebten und deren Kindern zum Spielplatz gegangen. Mit "Sry, hat länger gedauert wegen der C.", entschuldigte er sich per SMS für seine Verspätung.
Bei seiner Rückkehr habe er dann die Blutspur beseitigt, schildert L. Am selben Tag noch schlief seine Geliebte bei ihm in der Wohnung. Am nächsten Tag erwürgte er laut Anklage sein Kind. Beide Leichen soll er im Keller versteckt und anschließend in einen Koffer und eine Sporttasche gelegt haben. Mit ihnen reiste er in seine steirische Heimat Trofaiach, wo ihn Ermittler des Landeskriminalamtes Wien stellten. L. gestand ihnen die Tat.
Tötung sei "einer Hinrichtung gleichgekommen"
Er sei ein erwachsener Mann, ein Polizist, sagt Christina Salzborn, die beisitzende Richterin, zum Angeklagten. So unglücklich er auch gewesen sein möge, "warum ist es leichter sie zu erschießen, als zu gehen?", fragt sie. "Das frage ich mich auch jeden Tag. Ich kann es mir nicht erklären", antwortet L. Wie sein Leben denn weitergehen solle, wollte Richter Apostol zudem wissen. Er wünsche sich nur, dass seine Familie ihn besuchen komme, sagt L. weinend.
In ihrem Schlussplädoyer fordert Staatsanwältin Karina Fehringer die Höchststrafe für den Angeklagten. Die Tötung von C. sei "einer Hinrichtung gleichgekommen", so Fehringer. "Der Angeklagte hat bis zuletzt noch versucht, die Tat insofern zu rechtfertigen, als er ein schlechtes Bild von C. zu vermitteln versucht hat." Ihre Ermordung sei "objektiv nicht nachvollziehbar, noch weniger die Tötung eines 22 Monate alten Kindes". L., auf der Anklagebank sitzend, verfolgt ihre Worte nahezu regungslos.
Die Geschworenen – sie entscheiden alleine über die Schuld des Angeklagten und setzten dann die Strafe mit den drei Richtern gemeinsam fest – folgen Fehringers Forderung. Sie verurteilen den Angeklagten einstimmig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Zudem muss er der Familie die Begräbniskosten und einen Trauerschaden von insgesamt 70.000 Euro bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da sich L. drei Tage Bedenkzeit erbittet. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, verliert der suspendierte Polizist sein Amt.