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"Ich wüsste nicht, wer verloren hat"

Von Walter Hämmerle

Wirtschaft

Großbritannien wandelte sich vom abschreckenden Beispiel zum Vorbild. | Gegner bleiben bei ihrer Ablehnung. | Wien. "Ich wüsste nicht, wer verloren hat." Knapp und bündig fällt die Antwort von Bernhard Wewers, Präsident der deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienen-Personennahverkehrs, auf die Frage nach Gewinnern und Verlierern der Liberalisierung im öffentlichen Verkehr aus: 25 Prozent mehr Kunden, 300 neue Bahnhöfe, zahlreiche neue Strecken, zusätzliche Betreiber und 20 bis 30 Prozent Einsparungen für die öffentliche Hand dort, wo Dienstleistungen ausgeschrieben wurden. Für Wewers besteht kein Zweifel, dass die Liberalisierung zu einer Dynamisierung der Branche geführt hat.


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Davon betroffen sind immerhin bereits 12 Prozent der gesamten Zug-Kilometer, aber nur 5 Prozent der gefahrenen Personen-Kilometer. Wewers: "Die Deutsche Bahn AG hat nämlich die guten Strecken für sich selbst behalten und sich von den unattraktiven getrennt." Damit widerlegt Wewers die Befürchtung, mit der Liberalisierung würden unrentable Strecken zugesperrt werden.

Auch in Österreich gibt es Beispiele, wo erst neue Betreiber scheinbar unrentable Strecken zum Blühen gebracht haben, etwa die Außerferner-Bahn. Billiger geworden sind die Tickets für die Konsumenten allerdings nirgendwo. Und auch die Geldsorgen für den öffentlichen Verkehr werden in absehbarer Zeit nicht enden: Die öffentliche Hand muss sparen.

https://www.wienerzeitung.at/Images/2006/4/29/948_008_159098_290426eisen.png Kritiker der Liberalisierung beriefen sich jahrelang auf Großbritannien als abschreckendes Beispiel. Zwar ist unbestritten, dass insbesondere die Anfangsphase von Problemen geprägt war, mittlerweile gilt jedoch die Insel als "einziges wirkliches Boomland" beim öffentlichen Verkehr (Grafik), ist Josef Palfinger, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolitik, überzeugt. Vergleichszahlen sprechen eine deutliche Sprache: In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der auf britischen Gleisen gefahrenen Passagier-Kilometer um 40 Prozent, jene der Passagier-Fahrten um 38 Prozent, der Güter-Bereich gar um 49 Prozent.

Erfolgsbedingung: Starker Staat

Entscheidendes Kriterium für den Erfolg von Liberalisierungen ist nach Überzeugung Palfingers eine starke Rolle des Staates: Dieser müsse den Mut haben, Betreibern die Berechtigung auch rasch wieder zu entziehen, wenn sich herausstellt, dass diese ihre Aufgaben nicht erfüllen, zu denen sie sich vertraglich verpflichtet haben. Allerdings, gibt Palfinger zu bedenken, gäbe es dann die ÖBB schon längst nicht mehr, wenn der Staat seine Rolle in Österreich tatsächlich so interpretieren würde. "Rein regulierend, auf keinen Fall operativ tätig", so umschreibt Wewers seine Vision vom Staat in diesem Bereich. Einen starken Staat, das wollen auch die Gegner der von der EU vorangetriebenen Liberalisierung. Allerdings lehnen sie Ausschreibungen und Wettbewerb ab. Für Christian Felber von der globalisierungskritischen Organisation Attac ist klar, dass "Private nicht bestmöglichen Service, sondern maximalen Gewinn" anstreben. Und dies wiederum halte die Investitionen niedrig. Die öffentliche Hand, so lautet hier die Überzeugung, dürfe sich nicht aus der Verantwortung für die Verkehrsversorgung verabschieden.

Am Mittwoch, 3. Mai, findet zum Thema "Bim, Bus, U-Bahn: Wer kanns besser - Privat oder Staat? eine Diskussion von Management Club und "Wiener Zeitung" statt. Beginn um 19 Uhr, Palais Palffy, Josefsplatz 6, 1010 Wien.