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Idealisten, Piraten, Wutbürger und Sparfreaks

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Grazer Stadtpolitik ist höchst lebendig. Ein Blick auf die Zwerge.


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Sie sind die Träumer und Enttäuschten, die Empörten und Zornigen. Die Grüppchen abseits des politischen Mainstreams sind von jeher Avantgarde und Nachhut des Politikbetriebs zugleich, die in den Medien meist ein Schattendasein außerhalb der Wahrnehmung fristen. In Graz treten neben den bisher im Stadtparlament vertretenen Parteien - ÖVP, SPÖ, KPÖ, FPÖ, Grüne und BZÖ - fünf weitere, teils recht exotische Listen an. Ein Blick auf einige Zwerge im Grazer Wahlkampf.

Politik in Pink

Einst Chefsekretärin, jetzt stets prekäre Ein-Personen-Unternehmerin im grellrosa Outfit: Karin Rausch alias "Betty Baloo" versteht sich selbst als geerdete Alltagskünstlerin mit politischen Überzeugungen. Mit ihrem Team von der Betty Baloo Bande kandidiert sie auf Listenplatz 10. Für den Wahlkampf hatte die Bande 1000 Euro zur Verfügung, zum Großteil selbst finanziert, wie Rausch beteuert. Warum sie überhaupt kandidiert? Sie wolle ein Zeichen setzen, die Leute ermuntern, den Mund aufzumachen, vor allem wenn es um Themen wie Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Benachteiligung gehe. Rausch beteuert zu wissen, wovon sie spreche: In Graz und Wien betreibt die gebürtige Grazerin (Jahrgang 1964), die auch noch als Masseurin arbeitet, einen Arbeitslosenverein - einmal mehr ohne jede öffentliche Subvention. Politisch aktiv bleiben will Rausch auf jeden Fall, auch wenn es am Sonntag nicht für ein Mandat im Grazer Gemeinderat reichen sollte.

Am liebsten Sprachrohr

Die Piraten (Listenplatz 8) sind so etwas wie die Großen unter den Kleinen. Dank Wahlerfolgen in Deutschland auch in Österreich zum Medienphänomen aufgestiegen, steht für sie in Graz viel auf dem Spiel. 5000 Euro, zum größten Teil Spenden, standen für den Wahlkampf ebenso zur Verfügung wie 25 ehrenamtliche Aktivisten. Scheitern die Piraten in Österreichs zweitgrößter Stadt, könnte der Hype auch schon wieder vorbei sein. Dessen ist sich auch Spitzenkandidat Philip Pacanda bewusst. Der 33-jährige Innovationsmanager hat sich dafür extra ein Jahr Auszeit vom Beruf genommen. Sollte der Einzug klappen, wollen sich die Piraten, neben ihrer Kern-Agenda der digitalen Demokratie und eines freien Internets, als Sprachrohr für Bürgerinitiativen verwenden. Es finden sich aber auch Skurrilitäten im Programm wie die Forderung nach freiem Museumseintritt für alle Lehrer oder die nach einem globalen Verbot von Spekulation mit Rohstoff-Derivaten.

Klartext-Redner

Erdiger gibt sich da die "WIR - Wir Wähler" (Listenplatz 11). Spitzenkandidat Stefan Baumgartner hat "genug von all der Korruption auf Kosten unserer Steuergelder. Also tritt er am Sonntag an, um "Politiker und Hofbeamte aus ihren Palästen zu jagen". Der 28-jährige Jus-Student, der auch noch als Antiquitätenhändler und für eine Wiener Kanzlei arbeitet, klingt wie ein Wutbürger, will aber trotzdem keiner sein. Viel lieber sieht sich Baumgartner als einer, der Klartext redet und gegen Missstände ankämpft. Graz sieht er als in der Hand eines kleinen Klüngels, einer Geheimloge, die Politik, Wirtschaft und Medien kontrolliere. Das Budget betrug 2500 Euro, "selbst finanziert, ohne Spenden". Sollte es mit dem Gemeinderat nicht klappen, will Baumgartner auf jeden Fall weitermachen und bei den Nationalratswahlen kandidieren: "Ja, ich will in die Politik, um all die schlechten und korrupten Politiker hinauszujagen."

Energiesparfreak

Rainer Maichin und seine Liste "Einsparkraftwerk" (Listenplatz 9) haben eine klare Mission: die Welt und insbesondere Graz vom Irrweg eines ständig steigenden Energieverbrauchs abzubringen. Rolltreppen, die permanent auf Vollbetrieb laufen; Parkgaragen, in denen die ganze Nacht das Licht brennt; Weichenheizungen für die Straßenbahn, die ungeachtet der Temperatur den ganzen Winter durchheizen - all das ist dem im zweiten Bildungsweg studierten Energieeffizienz-Experten (derzeit auf Arbeitssuche) ein Gräuel, politisch wie persönlich. Und gemeinsam mit einem weiteren Energieeffizienzprofi und einem Solartechniker will er auch dagegen ankämpfen. Ausgegeben hat er dafür 1200 Euro, aus der eigenen Tasche, wie Maichin erläutert. An einem Erfolg zweifelt er nicht, weil "in fünf Jahren die Welt im Bereich Energieeffizienz schon ganz anders ausschauen wird als heute". Vor allem im Wohnbereich müsse die Politik endlich den Hebel ansetzen, um den Energieverbrauch nachhaltig zu senken.Fotos:wh (2)/privat