Recep Ihsan Eliacik kritisiert die Regierungspartei AKP.
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Der türkische Autor und Islamtheologe Recep Ihsan Eliacik, 52, vertritt in seinen Büchern und seiner Koranexegese die Idee eines islamischen Sozialismus und kritisiert die neoliberale Politik der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP).
"Wiener Zeitung":Sie kommen aus demselben ideologischen Lager wie der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan und Präsident Abdullah Gül. Wann haben Sie sich davon getrennt?
Recep Ihsan Eliacik: Das islamische Lager hat sich nach dem Putsch am 12. September 1980 geteilt. Wir sind der neu gegründeten Wohlfahrtspartei (deren stellvertretender Vorsitzender Erdogan später wurde und die 1998 gerichtlich aufgelöst wurde, Anm.) nicht beigetreten. Wir haben zwar einen islamischen, jedoch viel radikaleren Weg gewählt. Damals kritisierten wir die Oppositionshaltung der islamischen Parteien und später ihre Regierungspolitik.
Warum wurde die Bewegung "Antikapitalistische Muslime" gegründet?
Die AKP kam 2002 an die Macht. Die pro-islamische Szene in der Türkei wurde mit Macht, Vermögen und Geld auf die Probe gestellt und hat meiner Meinung nach diese Prüfung nicht bestanden. Bereits 2004 haben wir angefangen, die AKP und ihre Gleichgesinnten zu kritisieren, da sie den Kapitalismus islamisiert haben. Ich sage es so: Sie haben den Kapitalismus durch die islamische Gebetswaschung legitimiert. Im Jahr 2011 haben wir im Ramadan die sogenannten Bodentafeln organisiert, um gegen die Muslime, die ihr Fasten in Luxushotels brachen, zu protestieren. Diese Essen auf dem Boden bestanden aus dem, was alle mitbrachten. Jedermann war eingeladen, dabei mitzumachen. Am 1. Mai 2012 sind wir gemeinsam mit den Linksliberalen marschiert und haben gleichzeitig das antikommunistische Erbe der politisch-islamischen Bewegung abgelehnt. Wir waren auch bei der Gezibewegung vertreten. Die türkische Öffentlichkeit hat mit uns eine islamische Bewegung kennengelernt, die auch mit der regierenden islamischen Partei ein Problem hat.
Worin unterscheidet sich Ihre Interpretation des Koran von anderen?
Ich habe die Auslegung im heute gesprochenen Türkisch und in einer rationalen Sprache geschrieben. Im Mittelpunkt der Exegese liegt die symbolische Lesung der Koranverse und der Erzählungen. Ich habe dabei in erster Linie die Beziehung des Korans zu Kapital, Geld und Vermögen untersucht. Die Idee des Eigenkapitals bzw. dass das Kapital Gott gehört wird näher erklärt.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Kommunismus?
Ich bin der Meinung, dass der Islam der sozialistischen Weltordnung nähersteht. Der Islam ist keinesfalls kapitalistisch orientiert. Propheten beschreiben das Paradies als einen Ort ohne Grenzen, Klassen, Kriege und Ausbeutung. Der Koran lädt Menschen zu so einem Paradies ein. Das ist mit den kommunistischen und sozialistischen Ideen im Einklang. Bisher glaubte man, dass das im Jenseits stattfindet; dabei haben alle Propheten versucht, diesen Zustand schon auf der Erde zu erreichen.
Kann man Karl Marx in diesem Sinne als Propheten betrachten?
Das ist ein religiöser Begriff. Jemanden, der sich nicht als Prophet ankündigt, kann man auch nicht als solchen bezeichnen. Aber seine Botschaften sind jenen der Propheten ähnlich.
Ist Ihre Koranexegese ein Versuch, den Islam zu reformieren?
Es ist keine Religionsreform, aber eine Reform in Hinblick auf die Auffassung der islamischen Religion, also eine Reform der Deutung der Koranverse. Ich versuche Koranlesern die Welt nicht aus der Sicht der Reichen, sondern aus der Sicht der Armen zu zeigen, um sie besser zu verstehen. Tatsächlich entsteht am Ende eine ganz andere Auffassung des Korans.
Was ist Ihre Meinung zur Homosexualität vor dem Hintergrund des Islams?
Menschen sollten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden. Man darf die Rechte der Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht verletzen. Sie müssen als Homosexuelle anerkannt werden.
Meinen Sie die allgemeinen Menschenrechte oder auch das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und Kinderadoption?
Ja, auch die. Ich meine alle Rechte.