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Ideen für den Finanzausgleich

Von Helfried Bauer und Thomas Prorok

Gastkommentare
Förderungsparadies Abwasserbeseitigung: Diese Tafel in Oberösterreich zeigt das "segensreiche" Wirken mehrerer öffentlicher Akteure für die Abwasserbeseitigung selbst bei Kleinprojekten (13 Liegenschaften - teils Zweitwohnungen - mitten im Grünland). Die Gemeinde ist für die Baugenehmigung und die Kontrolle zuständig, das Landwirtschaftsministerium fördert aus dem Umweltfonds, das Land schießt zusätzliches Geld an die Hausbesitzer zu, die staatliche Kommunalkredit erledigt das Projektmanagement. privat

Spending Reviews - ein Lichtblick für strategische Verwaltungsreformen?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Im November 2016 ist der Finanzausgleich 2017 zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbart worden. Während es sich bei der Konkretisierung der meisten neuen Ansätze dieses für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben wichtigen Gesetzes spießt, sind die ebenfalls beschlossenen Spending Reviews grundsätzlich begrüßenswert. Sie werden bereits in Pilotprojekten erprobt. Auch Verfahrensvergleiche zwischen Ministerien, Ländern, Bezirkshauptmannschaften, Städten (Benchmarking) zur Suche verbesserter Lösungen bei der Erbringung einzelner öffentlicher Aufgaben sollen demnächst starten. Damit diese teils neuen Ansätze tatsächlich zu Reformen führen, bedarf es jedoch auch organisationskultureller Voraussetzungen in Politik und Verwaltung.

Worum geht es dabei?

Unter Spending Reviews werden in der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion - nicht erst seit heute - verschiedene Konzepte verstanden, die von verbesserten Ansätzen der Budgetierung (wie die seit einigen Jahren auch in Österreich beim Bund vorgeschriebene "Wirkungsorientierte Budgetsteuerung") bis zu grundsätzlicher "Aufgabenkritik" des öffentlichen Handelns reichen. Sie sollen Begründungen für politische Entscheidungen über neue Prioritätensetzungen, verbesserte Wirkungen und Leistungen sowie bezüglich zentraler oder dezentraler Verantwortlichkeit liefern.

Spending Reviews sind also mehr als das bisher dominierende pauschale und oberflächliche Kürzen von öffentlichen Ausgaben. Staaten wie Großbritannien, Niederlande und Deutschland setzen schon länger Spending Reviews ein, um öffentliche Aufgaben dauerhaft effektiver zu erfüllen. Sie können auch die Basis für eine Reform der staatlichen Aufgabenerfüllung hierzulande bieten und neue Spielräume für innovatives öffentliches Handeln eröffnen.

Was ist bisher geschehen?

Im Finanzausgleich 2017 wurde vereinbart, dass Spending Reviews als laufender Prozess zwischen den Finanzausgleichs-Partnern "sowohl die Aufgaben als auch die Ausgaben der einzelnen Bereiche ... daraufhin untersuchen, ob sie zeitgemäß sind, ob sie die gewünschten Resultate bringen, wo es sinnvolle Ansatzpunkte für Kürzungen und Einsparungen gibt und wo Aufgaben umverteilt und Ausgaben umgeschichtet werden müssen.

Bundesintern wurden bereits erste Studien zum Katastrophenfonds und zum Familienlastenausgleichsfonds durchgeführt. Sie sind entgegen den Ankündigungen nicht öffentlich; dem Vernehmen nach beschäftigen sie sich vor allem mit Einsparungen im Bereich der Bundesverwaltung. Auch das im Finanzministerium hiefür ausgearbeitete Handbuch bleibt bisher vertraulich.

Derzeit läuft eine Spending Review-Studie im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft an, die ebenenübergreifend angelegt ist. Es sind nicht nur die Bundesverwaltung, sondern alle drei staatlichen Ebenen sowie die Kommunalkredit AG damit befasst.

Neun Bundesländer - und noch mehr verschiedene Normen

Die Siedlungswasserwirtschaft umfasst die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung auf der Ebene der Gemeinden. Sie ist ein Musterbeispiel für Verflechtungen mehrerer Politikbereiche, für ungeheuren Verwaltungsaufwand und für Parallelförderungen noch dazu in einem Bereich der vergleichsweise simplen kommunalen Infrastruktur. In einem Bericht des Rechnungshofes zur Kanalsanierung (Reihe Bund 2013/8) wird festgestellt, dass Abwasserentsorgungssysteme (zum Beispiel Hausanschluss, Ortskanal, Abwasserreinigungsanlage) "technisch nicht trennbare Einheiten (sind), aber in jedem Bundesland bis zu drei unterschiedlichen Normen (Wasserrecht, Kanalgesetz, Baurecht) unterliegen, die von verschiedenen Behörden (mittelbare Bundesverwaltung, Gemeinden, Landesverwaltung) vollzogen werden".

Zudem bestehen bei der Finanzierung solcher Gemeindeeinrichtungen (und auch etlicher lokaler Genossenschaften) problematische Mehrfachförderungen, obwohl den Hauseigentümern beziehungsweise Mietern seit Jahrzehnten Gemeindegebühren gemäß dem jeweiligen Finanzausgleichsgesetz (derzeit nach Paragraph 16 Absatz 1) in beträchtlicher Höhe vorgeschrieben werden. Somit besteht kaum ein sachlicher Bedarf nach Förderungen von Bund und/oder Land für den Aufbau und die Erhaltung dieser Gemeindeinfrastruktur. Trotzdem ist im neuen Finanzausgleichsgesetz 2017 - nach anfänglicher Ablehnung seitens des Bundes - die Fortführung der jahrzehntelangen Bundesförderungen über den Umweltfonds beschlossen worden.

Die Herausforderungen von Spending Reviews

Grundsätzlich geht es um eine bisher meist nicht bewältigte Verwaltungs- und eine gleichzeitige Finanzierungsreform bei den großen "Gemeinschaftsaufgaben" im Staat.

Im "Economic Survey" über Österreich vom Juli 2017 verweist die OECD (wie schon in früheren Jahren) auf "inefficiencies in education, health, care and public administration" hin sowie auch darauf, dass "funding and management responsibilities are too fragmented across government layers". Die OECD empfiehlt, "to undertake an in-depth spending review" in diesen Bereichen, um zu grundsätzlichen Finanzausgleichsreformen ("to align taxing and spending responsibilities across government layers"), aber auch zu effektiverem Verwaltungsmanagement zu gelangen.

Darüber hinaus sollten Trägerschaft und Finanzierung von öffentlichen Aufgaben nicht nur aus ökonomischen Blickwinkeln, sondern auch aus Gesichtspunkten von Demokratie (Bürgerpartizipation) und Autonomie der subnationalen Gebietskörperschaften geregelt werden. Dies schließt nicht nur das Betonen des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz ein (also neben der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auch die Aufbringung der Mitteln stärker in die politische Verantwortung des jeweiligen Akteurs zu stellen), sondern auch mehr Transparenz. Die gegebene Intransparenz der Verfahren und Ergebnisse von Spending Reviews wird bereits von verschiedenen Seiten kritisiert, gilt es doch zentrale politische Fragen offen zu beantworten: Werden die jeweils gesetzten Ziele erreicht? Wie wird dies festgestellt? Welche Schlussfolgerungen für nachhaltige Reformen wären daraus zu ziehen (Umverteilung von Aufgaben, Übergang zu innovativeren Verfahren, regional unterschiedlicher Regelungsbedarf und ähnliches)?

Zur Durchführung von Spending Reviews und Benchmarking-Studien braucht es auch eine Fortführung der Bemühungen um ein zeitgemäßes Haushaltsrecht aller drei staatlichen Ebenen, wobei der Bund hier seit einigen Jahren eine Vorreiterrolle übernommen hat. Konkret bedeutet dies, dass etwa die Instrumente der "wirkungsorientierten Folgenabschätzung" sowie der Spending Reviews und von Benchmarking entsprechend abgestimmt werden. Dies ist derzeit nicht der Fall, denn beim Bund wird die wirkungsorientierte Folgenabschätzung (im Rahmen der Budgetierung) vom Bundeskanzleramt koordiniert, während die Spending Reviews offensichtlich vom Finanzministerium initiiert und gesteuert werden. Und wer sorgt für die ebenenübergreifende Koordinierung von Zielen und deren Evaluierung, um die gesamtstaatlich wichtigen Leistungsbereiche zu analysieren und zu verbessern?

Gemeinsame Aufgabe auf gleicher Augenhöhe

Klar ist, dass Spending Reviews nur dann funktionieren werden, wenn diese als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden auf gleicher Augenhöhe durchgeführt werden. Hierfür bedarf es gemeinsamer Grundhaltungen der Zusammenarbeit, welche von Transparenz und Vertrauen geprägt sind. Geheimniskrämerei oder gar ein Austricksen des Gegenübers sind hier von vornherein auszuschließen. Die Zusammenarbeit muss auch getragen werden von Kritikfähigkeit, der Offenheit gegenüber Innovationen und der Einbeziehung der Bürger. Die vergangenen Reformansätze haben oftmals gezeigt, dass diese "Softfacts" keine entscheidende Rolle gespielt haben und zum Scheitern der Bemühungen beigetragen haben.

Wichtig ist auch, dass die Spending Reviews auf einem gemeinsamen Verständnis von modernem Public Management aufbauen, welches strategische Koordination, Prioritätensetzung und faktenbasierte Steuerungsinformationen (zum Beispiel mit gemeinsam anerkannten Datengrundlagen) erfordert. Hiefür könnten auch administrative Innovationen hilfreich sein. Beispielsweise wäre zu überlegen, ob für die Steuerung von gebietskörperschaften-übergreifenden Leistungen und deren Verbesserungen im Sinne von Spending Reviews ein gemeinsames Gremium von Bund, Ländern und Gemeinden einzusetzen ist. Vor ähnlichen Herausforderungen standen Bund, Länder und Gemeinden in den 1970ern im Bereich der Regionalpolitik und Raumplanung, was zur Gründung der Österreichischen Raumordnungskonferenz geführt hat.

Gefordert sind nun die Parlamente und die Bürger. Die Parlamente müssen sich in die Strategiedebatte und in die Kontrolle der Regierungen stärker einbringen. Auch die Bürger haben - nicht nur bei den anstehenden Wahlen - die Möglichkeit, Reformen und eine strategische Koordination von Bund, Ländern und Gemeinden einzufordern. Die Regierungen haben dies bisher nicht zustandegebracht.

Helfried Bauer ist Finanzwissenschafter, Autor zahlreicher Beiträge zur Reform des Finanzausgleichs und zu Public Management.
Thomas Prorok ist Politologe und stellvertretender Geschäftsführer des KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung.