Etwa ein Fünftel der österreichischen 15- bis 16-jährigen Schüler fällt im OECD-Bildungsvergleich in die Risikogruppe der schlechten Leser und Mathematiker. Österreichs Schüler sind im besten Fall Mittelmaß, wie es Günter Haider vom österreichischen PISA-Zentrum, verantwortlich für den nationalen Bericht, ausdrückt. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer will nun für Ende Jänner zu einem Reformdialog einladen. Auch das Angebot von SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer, die Zwei-Drittel-Mehrheit bei Schulgesetzen abzuschaffen, wird geprüft.
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Die Bildungsministerin hat sich bei der offiziellen Präsentation der PISA-Studie - bei der die vorab veröffentlichten Daten bestätigt wurden - gestern für eine "unaufgeregte" und sachliche Diskussion ausgesprochen. Ende Jänner soll ein Reformdialog mit allen Parteienvertretern, gesellschaftlichen Gruppierungen und ausländischen Experten stattfinden. Dabei will Gehrer bereits einzelne Maßnahmen auf den Tisch legen: Die Nachprüfungen sollen in die letzte Ferienwoche vorverlegt werden. Die Kinder sollen schon ein Jahr vor Schuleintritt an der Volksschule eingeschrieben werden, um bei Bedarf schlecht Deutsch sprechenden fünfjährigen Kindern Kurse anzubieten.
Haider sieht den ersten Ansatz bei der Lehrerbildung. Man brauche Lehrer, die einen individualisierten Unterricht anbieten können. Laut Gehrer soll die Lehrer-Weiterbildung auch für die AHS und BHS verpflichtend werden, für Pflichtschullehrer ist sie das bereits.
Bestätigt wurde gestern im Ö-Konvent von Volksanwalt Peter Kostelka das Angebot Gusenbauers, die Zwei-Drittel-Materien im Schulbereich abzubauen. Dies sei von Anfang an ein Ziel der SPÖ gewesen, um die in Zeiten der Großen Koalition eingezogenen innenpolitischen Blockaden abzubauen. Die Bildungsministerin begrüßte dieses Angebot mit einer Einschränkung: In der Verfassung müsse es eine "schlanke Grundgesetzgebung" geben, die Ebene darunter durchforstet werden.
Die Ministerin lehnt auch eine gemeinsame Schule nicht mehr ab, man müsse aber das "politische Reizwort Gesamtschule vermeiden". Sie sei für eine offene Diskussion: "Wenn es richtig ist, dass man in einer gemeinsamen Schule mit Individualisierung mehr erreicht, dann müssen wir daran arbeiten." Der finnische Experte Rainer Domisch riet in der ORF-Sendung "Offen gesagt": "Sorgen Sie dafür, dass die Menschen, die in der Schule arbeiten, also Lehrer und Schüler, sich wohl fühlen. Schaffen Sie alle Einrichtungen ab, die Angst bereiten, lassen Sie so gut wie niemanden eine Klasse wiederholen, schaffen Sie viele Tests und Prüfungen ab."
Mädchen sind im Lesen besser als die Burschen
Geschlechterspezifische Vorurteile werden von der PISA-Studie nur zum Teil bestätigt. In den Kompetenzen Naturwissenschaften und Problemlösen gibt es kaum signifikante Unterschiede - in Österreich liegen in diesen beiden Sparten die Mädchen leicht vorne. Einen leichten Vorsprung haben die Burschen nur in der Mathematik: Dieser ist im OECD-Schnitt etwas größer als in Österreich.
Einen klaren Unterschied zwischen Mädchen und Burschen gibt es nur im Lesen. So erreichten die Burschen in Österreich nur 467 Punkte, die Mädchen hingegen 514 (Österreich gesamt: 491). Der geschlechtsspezifische Abstand von 47 Punkten ist einer der größten in den getesteten 41 Staaten.
Extrem große Unterschiede bestehen in Österreich zwischen den Schulsparten. So ist der Abstand der beim Test der Lese-Kompetenz erreichten Punkte zwischen AHS (572 Punkte) und Polytechnischen Schulen (397 Punkte) in Österreich mit 175 Punkten größer als jener zwischen der Gesamtwertung des Siegers Finnland (543) und dem Letztgereihten Tunesien (375 Punkte). In Österreich hat ein Fünftel aller "Poly"-Schüler eine Lese-Kompetenz, die nicht ausreicht, die einfachsten Lese-Aufgaben in PISA zu bewältigen.