Kleiner Knochen führt zum Genom des Neandertalers. | New York. (ap) Ein kleiner, 38.000 Jahre alter Knochen ermöglicht es Wissenschaftern, das Erbgut des Neandertalers zu entschlüsseln: Bisher seien mehr als eine Million Bausteine der DNA identifiziert worden, berichtete Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. In den kommenden zwei Jahren hoffe man, die meisten der 3,3 Milliarden Baueinheiten analysiert zu haben. Die Untersuchungen stellten eine regelrechte "Zeitmaschine" dar, sagte der Genforscher Edward Rubin vom Lawrence Berkeley National Laboratory.
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Der in Kroatien entdeckte Knochen biete Erkenntnisse über den Neandertaler, die auf anderem Weg nicht möglich seien. Wissenschafter gehen davon aus, dass die Daten Hinweise auf die DNA-Veränderungen liefern, die bei der Entwicklung der modernen Menschen eine Rolle gespielt haben. Diese traten relativ spät in der menschlichen Evolution auf, nachdem sich die Vorgänger des Neandertalers und des heutigen Menschen auseinander entwickelt haben.
Anhand der bisherigen Analyse könne man davon ausgehen, dass das Erbgut des Menschen und des Neandertalers zu mehr als 99 Prozent identisch seien, sagte Rubins. Seine Expertengruppe veröffentlichte ihre Forschungsergebnisse in der aktuellen Ausgabe von "Science", Pääbo und seine Kollegen die ihren im Magazin "Nature".
Beiden Untersuchungen liegen DNA-Proben des in Kroatien entdeckten Knochens zu Grunde. Dieser sei eigentlich "ziemlich klein und uninteressant" und habe lange Zeit mit zahlreichen weiteren in einer Kiste in einem Museum in Zagreb gelegen, erklärte Pääbo. Dadurch wurde er allerdings vergleichsweise wenig berührt, ein wichtiger Vorteil bei den jetzigen Untersuchungen. Er stammt ersten Ergebnissen zufolge von einem Mann.
Der Neandertaler (Homo neanderthalensis) ist ein Verwandter des modernen Menschen (Homo sapiens), allerdings wohl kein direkter Vorfahre. Stattdessen handelt es sich nach heutigen Erkenntnissen aus Funden und DNA-Analysen um eine Nebenlinie, die sich schon vor rund 600.000 Jahren abgespalten hat.
Warum der Neandertaler nach wenigen Jahrtausenden der Koexistenz mit den heutigen Menschen ausstarb, ist unklar. Einige Anthropologen vertreten die These, dass sich die beiden Arten in der Zeit ihrer Koexistenz miteinander vermischt haben könnten. Allerdings ergaben Untersuchungen des Erbguts in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, deutliche Unterschiede. Die meisten Forscher gehen daher heute davon aus, dass Homo sapiens und Homo neanderthalensis keine gemeinsamen Nachfahren gezeugt haben können.