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Ideologie und Hochzeiten sind der Kitt für Bin Ladens Terrornetz

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Washington/Kabul - Am Dienstag hat die Interpol den ägyptischen Arzt Ayman Zawahiri zur Verhaftung ausgeschrieben. Er gilt als der Ideologe und zweite Mann hinter Osama Bin Laden, der sich auf wenige loyale Mitarbeiter stützt, die oftmals durch Heirat verwandtschaftliche Bindungen zu ihm haben. Zawahiri, Chef der ägyptischen Jihad-Organisation, der immer wieder mit großen Terroranschlägen in Zusammenhang gebracht wurde, wird wie Osama Bin Laden in Afghanistan vermutet.


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Seine erste Haft trat der 1951 geborene Zawahiri bereits mit 15 Jahren wegen Mitgliedschaft in der extremen Moslembruderschaft an. Nach dem Mord an Präsident Anwar al Sadat im September 1981 wurde er erneut festgenommen, beteuerte aber, mit dem Anschlag nichts zu tun zu haben und wurde nach dreijähriger Haftzeit wieder freigelassen. Er hielt sich danach in Saudi-Arabien, in Pakistan, im Sudan und in Afghanistan, aber auch in Europa und Amerika auf. 1991 erhielt er in Dänemark politisches Asyl. Für seine Reisen verwendete er drei verschiedene Pässe, einen ägyptischen und zwei auf den Namen Amin Othman ausgestellte Reisedokumente aus der Schweiz und Frankreich.

Zawahiri gilt als Drahtzieher der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im Jahr 1998 und für das Attentat in Luxor, bei dem 1997 70 Touristen getötet wurden. Man vermutet auch, dass er hinter einem Komplott steht, bei dem 1995 Ägyptens Präsident Hosni Mubarak ermordet werden sollte. Zawahiri gilt als das Meisterhirn hinter Bin Ladens Terrornetz Al Qaeda.

Als militärischer Führer dieses Netzes wird der 1944 geborene Ägypter Mohammed Atef betrachtet, dessen Tochter im Jänner dieses Jahres im afghanischen Kandahar einen Sohn Bin Ladens geheiratet hat. Auf seinen Kopf haben die US-Behörden ein Lösegeld in der Höhe von 5 Mill. Dollar ausgesetzt. Ataf, ein enger Mitarbeiter Zawahiris, ist nach Ansicht der US-Geheimdienste für die Bombenanschläge 1998 auf die US-Botschaften in Afrika, aber auch für die Angriffe gegen US-Soldaten in Somalia im Jahr 1993 verantwortlich und soll jetzt in afghanischen Ausbildungslagern das Training neuer Al Qaeda-Mitglieder überwachen.

Als sein Nachfolger für die Organisierung internationaler Anschläge gilt der 1973 in Saudiarabien geborene Abu Zubaydah. Ahmed Ressam, ein Algerier, der im Zusammenhang mit einem geplanten Anschlag in Los Angeles festgenommen worden war, der anlässlich der Millenniumsfeiern 1999 hätte stattfinden sollen, belastet Zubaydah schwer. Zubaydah habe ihm 1998, als er mit ihm nach seiner Ausbildung in einem Lager in Afghanistan nach Kanada gekommen war, beauftragt, kanadische Pässe für andere Terroristen zu kaufen, die bei Operationen in den USA hätten verwendet werden sollen. Abu Zubaydah wurde im Vorjahr in Jordanien in Abwesenheit zum Tode verurteilt, weil er in Terrorpläne gegen touristische Einrichtungen verwickelt war, die anlässlich der Millenniumsfeiern hätten ausgeführt werden sollen.

Bin Ladens Verwandte: Rückkehr nach Saudi-Arabien

Aus Angst vor Repressalien gegen ihre Familien und ihre wirtschaftlichen Interessen sind in den letzten Tagen zahlreiche Verwandte Osama Bin Ladens aus dem Ausland nach Saudi-Arabien zurückgekehrt. Die Zahl der Geschwister des US-Staatsfeindes Nummer 1 variiert nach verschiedenen Angaben zwischen 51 und 55. Fünf von ihnen, die in den USA lebten, haben nach Angaben der Zeitung "The Independent" am 18. September vom Bostoner Flughafen Logan, dem gleichen, von dem eine Woche zuvor jene Flugzeuge gestartet sind, die in die Türme des World Trade Centers prallten, die Heimreise nach Saudiarabien angetreten.

Am 15. und 16 September hatten sich drei Bin Laden Brüder in Cannes getroffen und waren anschließend nach Ägypten geflogen, unter ihnen Yeslam Bin Laden, der die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt und einer Finanzgesellschaft vorsteht, der im Familienbesitz stehenden Saudi Binladen Group (SBG), die unter anderem Baufirmen, Firmen für Ausstattungen für die Ölindustrie, sowie für Elektronische Geräte, Telekommunikation und Satelliten umfasst, und etwa 100 Filialen in Steuerparadiesen hat.