Beim ersten Europa-Besuch des US-Präsidenten in Großbritannien geht es auch um Nordirlands Zukunft nach dem Brexit.
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Cornwall in Südwest-England ist ein idyllischer Ort, wo gerne TV-Serien gedreht werden. In der Vergangenheit war es auch eine Spielwiese für Piraten und Schmuggler. Die Einheimischen dort sind besonders stolz auf die Halbinsel. Es gibt eine eigene Sprache und Cornish-Nationalisten, die einen Sonderstatus anstreben. Hier kann man viele Brexit-Anhänger finden, vor allem Fischer, die wiederum enttäuscht vom Handelsabkommen sind, das der britische Premier Boris Johnsons mit der EU abgeschlossen hat.
Und ausgerechnet Cornwall ist aktuell die Bühne für die Weltpolitik. US-Präsident Joe Biden absolviert seinen ersten Europa-Besuch in Großbritannien, der für die Regierung in London große Erleichterung mit sich bringt. Ein Besuch Bidens zuerst in Berlin, Brüssel oder Paris wäre erniedrigend gewesen für Johnson, obwohl er angeblich wenig von der "special relationship" zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten hält. Der in New York geborene britische Premier hat viel Zeit in der USA verbracht und ist politisch schwer einzuordnen. Eine Frisur à la Donald Trump macht aus ihm jedenfalls keinen US-Republikaner.
Zum Glück hat Großbritanniens politische Kultur noch immer wenig gemeinsam mit jener der USA. Johnsons Finanzen sind genau so chaotisch wie seine Frisur. Er kann liberal handeln und muss wegen der Corona-Pandemie viel mehr staatliche Intervention in Kauf nehmen als ein sozialdemokratischer Politiker. Als US-Pudel hat Johnson auch versagt. Sein ehemaliger Chefberater Dominic Cummings hat vor kurzem in einem parlamentarischen Ausschuss erzählt, Johnson habe sich geweigert, auf Trumps Verlangen den Irak zu bombardieren.
Derzeit ist Nordirland ein Zankapfel zwischen London und Brüssel, und beide hoffen auf US-Präsident Biden als ehrlichen Makler. Er ist aber wegen seiner engen Verbindung zu Irland in den Augen vieler befangen und kein neutraler Player. Der Post-Brexit-Streit über die Grenze in der Irischen See aber droht außer Kontrolle zu raten. Ein Handelskrieg zwischen dem Ex-Mitglied und den EU-27 sieht für niemanden besonders schmeichelhaft aus.
Das verhassteNordirische Protokoll
David Frost, der für die britische Regierung mit der EU verhandelt, ist einer der letzten Brexit-Mohikaner in der Downing Street. Er würde lieber heute als morgen das verhasste Nordirische Protokoll abschaffen, statt ewig über mühsame Kompromisse zu diskutieren. Andere in Großbritannien hoffen auf Flexibilität und eine pragmatische Linie der EU, die in den vergangenen fünf Jahren seit dem Brexit-Referendum selten sichtbar war. Die EU hat wenig Vertrauen, dass die Briten sich an die Verträge halten, und in London wiederum vermutet man, dass man sich in Brüssel nicht für Frieden in Nordirland interessiert, sondern im Gegenteil das Leben dort kompliziert machen will, um zu zeigen, was einem Abtrünnigen passiert.
Natürlich hat die Regierung in London das Protokoll unterschrieben und hätte auch dessen Inhalt kennen müssen - aber die genaue Implementierung und die Auswirkungen waren nicht offenbar, wie die EU jetzt teilweise zugibt. Bedauerlicherweise haben beide Seiten in ihrem eigenen Streit die politische Instabilität und Emotion in Nordirland unterschätzt. Die Ulster-Unionisten, die sich mit Großbritannien eng verbunden fühlen, sind im Grunde genommen Nationalisten. In der Vergangenheit habe sie sich oft von London im Stich gelassen gefühlt. Der "englische Verrat" ist dort tief im politischen Bewusstsein verankert.
Die EU hat sich auch verpflichtet, alle Gruppen in Nordirland zu unterstützen, aber auch davon ist wenig spürbar. Viele in Nordirland haben das Gefühl, dass sich niemand wirklich für sie interessiert und sie einfach einen Spielball der Politik darstellen. Niemand scheint ihre Seite zu vertreten, auch wenn alle so reden, als würden sie ihre Standpunkte verstehen. Das politische System arbeitet einfach nicht für sie, sondern gegen sie. Das Ergebnis sind Gewaltausbrüche auf den Straßen, wo Jugendliche radikalisiert werden können; Menschen, die keine Hoffnung auf etwas Besseres haben und nichts über das Nordirische Protokoll wissen.
Das ist das Dilemma, in dem die USA, die EU und die Regierung in London stecken. Sie reden am eigentlichen Problem vorbei. Und das könnte teuer kommen. Der Juli ist traditionell ein heißer Monat in Nordirland. Die Paraden durch "feindliche Straßen" haben das Potenzial zu destabilisieren. Dazu kommt, dass die Politik in Nordirland selbst äußert prekär ist. Arlene Foster von der Democratic Unionist Party (DUP), die als Erste Ministerin aufgegeben hat, wird ersetzt werden - aber die innenpolitische Krise in Nordirland ist damit nicht gelöst.
Die Regierung in London könnte einseitig teils des Protokolls verlängern, um die Beziehung zu den Unionisten zu entschärfen. Damit würde sie zwar ein Vertragsverletzungsverfahren mit der EU riskieren, doch das wäre das kleinere Übel. Die EU sollte auch überlegen, ob das Beharren auf Punkt und Beistrich in Bezug auf das Protokoll nicht kontraproduktiv für den Frieden in Nordirland ist, der in den Verhandlungen ein so wichtiger Punkt war. Die Zeit wird zeigen, ob die idyllische Landschaft von Cornwall durchschlägt oder ob das getrübte Klima von Bodmin Moor, wo man auf Granit beißt, die Oberhand behält.