Höchstrichter gegen den Präsidenten. | Neu-Delhi. Der von Präsident Pervez Musharraf geschasste Oberste Richter, Iftikhar Chaudhry, hat das pakistanische Volk zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen. Der Jurist und der General sind seit langem erbitterte Widersacher.
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Ungern wird Musharraf an den 7. Mai 2005 zurückdenken, als Richter Chaudhry in seiner Gegenwart den Amtseid als Chef des Obersten Gerichtshofs abgelegt hat. Seither hat sich der zuvor regimetreue Chaudhry als einer der hartnäckigsten Gegner des Präsidenten entpuppt. Der Jurist war am letzten Samstag, nach der Verhängung des Ausnahmezustandes, abgesetzt worden, und steht nun unter Hausarrest. Dennoch gelang es ihm am Dienstag in einer Telefonbotschaft an die protestierenden Anwälte in Islamabad, Musharraf offen zu kritisieren und die Wiederherstellung der Verfassung zu fordern.
Der unbeugsame Richter weiß Allah auf seiner Seite. "Es ist eine Zeit der Prüfung, die mir Gott auferlegt hat. Ich werde mich der Situation in der Weise stellen, wie der Schöpfer es wünscht", zitiert ihn die indische Zeitung "The Hindu". Chaudhry ist überzeugt, dass ihm Gott schon bei seiner letzten Auseinandersetzung mit dem Präsidenten beigestanden hat. Und er hat Grund dazu: Im März diesen Jahres hatte ihn Musharraf zum ersten Mal als Gerichtspräsident abgesetzt. Die Entscheidung löste monatelange Massenproteste aus. Im Juli war Chaudhry zurück im Amt.
Es war nicht das erste Mal in der 50-jährigen Geschichte des Gerichtes, dass ein Präsident den Chef des Supreme Courts entlässt. Doch es war das erste Mal, dass das Gericht selbst den Akt des Präsidenten als verfassungswidrig einstufte, und Chaudhry wieder zu seinem Vorsitzenden machte.
Die erste Entlassung des Obersten Richters wurde unter anderem damit begründet, dass der Jurist auf einen Mercedes als Dienstwagen bestanden zu haben. Doch die Entscheidung war politisch. Der Top-Jurist hat sich in seiner Amtszeit keinen Konflikt gescheut und sich so bei den Einflussreichen und Mächtigen unbeliebt gemacht.
Der mutige Richter führte im Fall der Privatisierung der Stahlindustrie sogar den Premierminister vor. Er und seine Kollegen stoppten den Plan wegen Korruptionsverdachts. Im Fall vermisster Personen, die angeblich von fremden Geheimdiensten entführt worden waren, zitierte Chaudhry Militär und Innenministerium vor die Richterbank.
Chaudhry liebt das Rampenlicht und hat schon einmal erklärt, bei der Wahl gegen Musharraf antreten zu wollen.
Und noch kurz vor der Verkündung des Ausnahmezustandes bot der Richter Musharraf die Stirn. Er versammelte das Kollegium und erklärte den Notstand für verfassungswidrig. Dann umstellten paramilitärische Truppen sein Dienstgebäude.