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Igor Soboliew, Stratege hinter den Protesten in Kiew

Von Alexander U. Mathé

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Ehemaliger Journalist organisiert Blockaden und berichtet dem Europäischen Parlament über die Situation in der Ukraine.


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Igor Soboliew ist einer der großen Strategen hinter den Maidan-Protesten in Kiew. In der ukrainischen Hauptstadt plant er, wo genau Blockaden aufgestellt werden sollen, in Straßburg berichtet er dem Europäischen Parlament über die aktuelle Lage in der Ukraine und zurück in der Heimat hält er die Massen mit kühlem Kopf in Zaum. "Steine zu werfen bringt nur Verletzte und nimmt uns unsere moralische Überlegenheit", setzt er sich für möglichst gewaltfreie Proteste ein. Dies alles in dem Bestreben, das System in der Ukraine zu ändern und Wiktor Janukowitsch loszuwerden. An die Fersen des Präsidenten hatte sich Soboliew bereits 2004 als Wirtschaftsjournalist geheftet. Eines seiner Hauptanliegen war es, die ukrainischen Fernsehstationen von der Zensur zu befreien. Er wurde zum Chef der Kiewer Mediengewerkschaft, stieß in seinem Kampf jedoch sehr schnell an seine Grenzen. Die zeigten sich schon bei seinen Arbeitgebern: Oligarchen, denen die Sender gehören, bei denen Soboliew arbeitete und die ihn entließen. In einem Fall sogar direkt nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages. Seine Frau und Mutter seiner zwei Kinder, Marischka Padalka, ist eine populäre Fernsehmoderatorin, er hingegen hat seinem Beruf als Journalist den Rücken gekehrt. Zu groß ist seine Enttäuschung und seine Verbitterung darüber, dass sein Beruf in einem korrupten System untergegangen ist. Vor allem der investigative Journalismus habe in der Ukraine normalerweise keinen Effekt. "Wenn beispielsweise in Belgien jemand eine Aufdeckergeschichte über einen Bürgermeister schreibt, weiß er, dass es am nächsten Tag einen großen Skandal und Empörung der Öffentlichkeit geben wird", erklärt Soboliew. Nicht so jedoch in der Ex-Sowjetrepublik. "In der Ukraine würde so etwas nicht passieren. Das wäre undenkbar." Allerhöchstens diene es dem Staatsanwalt, seine Taschen zu füllen, der unter dem Verweis darauf, dass sogar die Presse schon davon wisse, vom Tatverdächtigen Bestechungsgeld im Austausch für Untätigkeit kassiere. Anstatt über verfehlte Politik zu berichten beschloss Soboliew selbst politisch aktiv zu werden. Er gründete die Organisation Volia. Diese stürmte im Sommer das Kiewer Rathaus aus Protest darüber, dass die Bürgermeisterwahl um zwei Jahre verschoben wurde. Damit hat die Stadt mehr als drei Jahre lang kein offizielles Oberhaupt und wird de facto vom von Präsident Janukowitsch eingesetzten Stadtverwaltungschef Alexander Popow geleitet. Dennoch plädiert Soboliew weiter für gewaltlose Proteste gegen die Staatsgewalt. "Man muss ihnen das Gefühl vermitteln, dass es nicht nötig ist, sie hinauszuwerfen", sagt Soboliew. Selbst Janukowitsch solle sehen, dass es möglich sei, einfach zu gehen.