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"Ihr gestunkenen Grundwehrdiener"

Von Petra Tempfer

Politik

Vermehrte Kritik über Ranghöhere.|Unteroffiziere klagen am häufigsten.


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Wien.

"Du hast einen Intelligenzquotienten wie eine Bodenfliese", "Scheißinvaliden" und "Ihr gestunkenen Grundwehrdiener" - Aussagen wie diese, wie sie Unteroffiziere im Vorjahr gegenüber Rekruten getätigt haben, zählen noch zu den harmloseren. Die derberen werden hier aus Gründen der Ästhetik und des Niveaus besser nicht wiedergegeben. Sie betreffen diskriminierende Beschimpfungen aus der Fäkalsprache, sind homosexuellen- und behindertenfeindlich.

Besagte Grundwehrdiener ließen die Erniedrigungen jedenfalls nicht auf sich sitzen und beschwerten sich bei der Parlamentarischen Bundesheerkommission. Wie viele Beschwerden welcher Art im Vorjahr bei dieser eingingen, präsentierte am Dienstag der amtsführende Vorsitzende Paul Kiss (ÖVP). Demnach ist die Zahl der Beschwerden 2011 gegenüber dem Jahr davor um fast 50 Prozent auf 504 angestiegen. 2010 waren es noch 337 Meldungen. Warum es zu diesem Anstieg kam, konnte Kiss zwar nicht beantworten. Er verwies allerdings auf das Jahr 2009, als noch mehr Beschwerden als im Vorjahr, nämlich 556, bei der Kommission eingingen. Im langfristigen Vergleich sinke die Zahl seit 2006: Damals wurde der Höchststand von 664 erreicht.

Mehr Beschwerden von Soldatinnen im Heer

Im Vorjahr waren es laut Jahresbericht 3421 Anfragen, die Personen an die Kommission herantrugen. In besagten 504 Fällen wurden Beschwerdeverfahren eingeleitet, 78 Prozent wurde schließlich Berechtigung zuerkannt. 17Prozent der Beschwerden waren von Grundwehrdienern eingebracht worden - der Großteil von Unteroffizieren (46 Prozent), gefolgt von Chargen (16 Prozent) und Offizieren (11 Prozent). Signifikant zugenommen haben Beschwerden von Soldatinnen (von drei auf 15 Meldungen). Hier handelte es sich laut Kiss in erster Linie um Personalangelegenheiten. Etwa, wenn eine ersehnte Beförderung doch nicht stattfand.

Die meisten Meldungen, 48Prozent, betrafen dieses Thema der Personalangelegenheiten. Dicht gefolgt werden sie von Beschwerden über Führungskräfte im Zuge der Ausbildung und im Dienstbetrieb. 40 Prozent fallen in diesen Bereich, der laut Kiss die schwerwiegenderen Fälle wie etwa eingangs erwähnte Beschimpfungen beinhaltet. "So artikuliert man sich einfach nicht, wenn man entsprechend geschult ist. Diese Ausdrucksweisen kommen von Unteroffizieren, die sich offensichtlich nicht im Zaum halten konnten", meinte dazu Kiss.

In dieselbe Sparte fielen Schikanen und unzureichende militärärztliche Betreuung. Ein Beispiel: Weil nach dem Reinigen des Klosetts durch einen Rekruten dennoch eine Schokoriegelverpackung darin schwamm, musste dieser den gesamten Sanitärbereich generalreinigen. Alle anderen Rekruten hatten währenddessen im Kampfanzug 3 mitsamt schwerem Gepäck und Waffe anzutreten und in Marschformation eine dreiviertel Stunde lang einen Hügel hinauf- und hinunterzulaufen, bis die Reinigung abgeschlossen war. "Und das in der größten Hitze", so Kiss. Rekruten, die der Erschöpfung nahe waren, mussten bis zum Schluss mitmachen.

Bei einem weiteren Rekruten brachte indes ein routinemäßiger Suchtgift-Schnelltest ein positives Ergebnis. Der Truppenarzt leitete allerdings nicht die gesetzlich vorgeschriebene Suchtgifttestung ein - sondern gab das Schnelltest-Ergebnis unberechtigterweise an die Bezirksverwaltungsbehörde weiter. Ein Unteroffizier erläuterte dem Rekruten daraufhin die Problematik des positiven Tests - dass mehrere Grundwehrdiener zuhörten, beachtete er nicht. Folge war der Spitzname "Opium-Junkie" für den Rekruten unter den Kameraden.

Verteidigungsminister setzt entsprechende Sanktionen

Welche Konsequenzen das für die jeweiligen Ausbildner hatte, ist Kiss nicht bekannt. "Die Kommission ist lediglich Prüf- und Kontrollorgan des Nationalrats", sagte Kiss. Die Akte zu jedem einzelnen Fall werde dem Verteidigungsminister übergeben, der entsprechende Sanktionen setze. In vielen Fällen werde der Ausbildner von seiner Tätigkeit abgezogen.

Ein solcher zählt laut Kiss zu den "schwarzen Schafen", die in jedem Unternehmen zu finden seien. In Anbetracht der rund 50.000 Personen, die im Heer den Dienst versehen, sei die Zahl der "Unbelehrbaren" jedoch gering.