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"Ihr teilt unseren Schmerz"

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Abschied vom ermordeten Priester Jacques Hamel. Bewusst waren Muslime eingeladen.


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Paris/Rouen. Zu seinen Lebzeiten hat Jacques Hamel wohl nur noch selten so gut besuchte Messen gekannt. Nicht nur im Inneren des Gotteshauses, sondern auch vor dem davor aufgestellten Bildschirm drängten sich die Besucher. Rund 2000 Menschen kamen gestern zum Trauergottesdienst für den 85-jährigen Priester in die Kathedrale von Rouen.

Denn so bescheiden Hamel sein Leben führte, der seit Jahren in Rente war und nur noch als Aushilfspfarrer einsprang, so groß war die Bestürzung über seine brutale Ermordung am Dienstag vergangene Woche in einer Kirche in Saint-Etienne-du-Rouvray. Zwei Islamisten waren während einer Morgenmesse mit Messern bewaffnet eingedrungen, hatten Hamel die Kehle durchgeschnitten und einen 86-jährigen Kirchenbesucher schwer verletzt. Eine weitere Gläubige und zwei Ordensschwestern nahmen sie als Geiseln, während eine dritte Nonne entkommen und die Polizei rufen konnte. Diese erschoss die Terroristen, zwei 19-jährige Männer, die dem Geheimdienst für ihre Radikalisierung und mehrmaligen Versuche, nach Syrien zu reisen, bekannt gewesen waren. Einer von ihnen stammte aus der französischen Alpenregion, der andere aus Saint-Etienne-du-Rouvray.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich zu der Tat bekannt, die Antiterror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt. Dass erstmals ein katholischer Priester während einer Messe angegriffen wurde, gilt als neue Dimension der Barbarei. Aber auf sie sei nicht mit einem Religionskrieg zu antworten, sondern "mit Gebeten, Verzeihen und Brüderlichkeit", so der Bischof von Rouen, Dominique Lebrun, der die gestrige Messe hielt. "Wir sind zusammengekommen, wie Jacques Hamel es nicht gemocht hätte: in einer feierlichen Zeremonie, mit bekannten Persönlichkeiten, vor den Kameras", erklärte er, um anzufügen: "Aber wir sind hier auch, wie Vater Jacques es gemocht hätte: gemeinsam, bereit zu kommunizieren, achtsam aufeinander, ohne jemanden auszuschließen. Denn Jacques Hamel war bekannt dafür, den Dialog mit der muslimischen Gemeinde gesucht zu haben und lud diese zu Sonntagsmessen ein. Er zelebrierte auch in der zweiten Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray, die auf demselben Gelände wie die Moschee der Stadt steht, die erst vor einigen Jahren gebaut wurde.

Denn die Muslime brauchten ein Gebetshaus, während die Katholiken mehr Platz hatten, als sie nutzten: Auch in Frankreich verzeichnen die christlichen Kirchen einen starken Mitgliederschwund. Ein gemeinsamer Verein kümmert sich um Hausaufgabenhilfe und Kulturangebot für Kinder beider Glaubensgemeinschaften, Parkplätze werden gemeinsam genutzt. "Moschee in Trauer" prangte nach dem Anschlag vor dem muslimischen Gebetshaus. Anders als in anderen Städten oder Region Frankreichs leben hier Christen und Muslime selbstverständlich und weitgehend ohne Spannungen zusammen.

Damit das so bleibt, haben die Vertreter aller Religionsgemeinschaften ihr Einvernehmen in der Ablehnung von Gewalt durch Radikalisierte zum Ausdruck gebracht, die Präsident François Hollande gemeinsam im Elysee-Palast empfing. Der Dachverband der Muslime CFCM rief diese auf, am Sonntag in den katholischen Gottesdienst zu gehen.

Pfarrer Auguste Moanda, den Hamel vertreten hatte, betete in der Moschee der Stadt: "Ihr teilt unseren Schmerz", sagte er den Muslimen. Zugleich geht die Regierung verstärkt gegen Moscheen vor, in denen Hassprediger hetzen: Rund 20 solcher Stätten wurden Innenminister Bernard Cazeneuve zufolge seit Dezember geschlossen.