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Alpbach. Normalerweise ist es relativ einfach ins Kongresszentrum des Europäischen Forum Alpbach zu gelangen, solange man seine Teilnehmerkarte bei sich trägt. Montagnachmittag war das aber anders: Denn da wurden die beiden Eingänge in das Gebäude zu einem Symbol eines illegalen oder legalen Grenzübertritts. Letzteres war den Besuchern nur mit dem richtigen Pass in der Hand möglich. So wollten die Interessensgemeinschaften zur Reflexion darüber anregen, welche Privilegien man aufgrund einer Zufälligkeit wie etwa dem Geburtsort genießt.
Das Forum Alpbach Netzwerk, ein Zusammenschluss aller Clubs und IGs, welche Stipendien für eben diese Veranstaltung vergeben, haben diese Aktion spontan ins Leben gerufen, um "Unverständnis für die willkürliche europäische Asylpolitik zum Ausdruck zu bringen", erklärt die Präsidentin der IG Wien Eva Maria Titz. Anlass dafür gab ein Panel mit dem Titel "Sackgasse Europa? Asyl- und Flüchtlingspolitik auf dem Prüfstand", die kurz später im großen Saal stattfand.
Auf dem Podium diskutierten dort Filmemacherin Nina Kusturica, EU-Asylexperte Julian Lehmann, der Bürgermeister der kurdisch-irakischen Stadt Erbil Nihad Qoja, Caritas-Wien-Chef Klaus Schwertner und der umstrittene deutsche Autor Thilo Sarrazin (Moderation Corinna Milborn). Schon im Vorhinein ließ die bevorstehende Teilnahme des für seine rassistischen Aussagen bekannten Sarrazin die Wogen unter den Stipendiaten hochgehen. "Das ist so ein wichtiges Thema. Wir wollten das nicht an einer Person aufhängen", setzt Titz entgegen.
Vor dem Kongresszentrum wurden Fake-Pässe ausgeteilt. Welchen man bekam? Glückssache. Die Besucher wurden entweder zum österreichischen oder amerikanischen Staatsbürger oder im Gegensatz dazu zu einer Person aus dem Kosovo, aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Im kosovarischen Pass steht geschrieben: "We are sorry to inform you that you that your passport does not allow you to enter European soil without facing major obstacles that render legal entry virtually impossible. This is a status that you share with the majority oft he world’s population."
Versuchte man damit durch den Haupteingang - dem legalen Weg - zu kommen, stellte sich einem eine Menschenkette in den Weg. Ein Abschiebebescheid wurde überreicht. So blieb nichts anderes übrig, als über den Hügel hinauf zum Terrasseneingang zu gehen. Dort stand zwar ebenfalls eine grimmig dreinschauende "Menschengrenze", dazwischen konnte man jedoch einen Durchschlupf finden. "Sie betreten das Gebäude hiermit illegal. Seien Sie gewappnet", wird einem mit auf den Weg gegeben.
Den Rücken der Pässe zierte übrigens ein Zitat von Bertolt Brecht: "Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird."