Umstrittener "Nomaden-Plan" in Rom. | Mindestens 10.000 Roma leben in meist illegalen Lagern. | Wien/Rom. Die römische Feuerwehr konnte am Sonntagabend nur mehr die verkohlten Leichen der vier Kinder einer Roma-Familie aus den Überresten einer Baracke bergen. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno, der sich am Unglücksort eingefunden hatte, sprach von einer "schrecklichen Tragödie" und verlangte einmal mehr, dass "diese verdammten illegalen Lager aus Rom verschwinden müssen".
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Eigentlich hätte laut dem im Juli 2009 verabschiedeten, umstrittenen "Nomaden-Plan" das Problem der teilweise seit Jahrzehnten bestehenden illegalen Roma-Lager in der Hauptstadt schon im Juni 2010 gelöst sein sollen. Rom wollte die Bewohner der Lager in 13 neue Lager mit einer Kapazität von 6000 Personen umsiedeln und mehr als 80 bisherige Lager zerstören. Auch das aus fünf behelfsmäßig errichteten Baracken bestehende Lager an der Via Appia, wo sich am Sonntagabend die jüngste Tragödie ereignete, war von den Behörden schon mehrmals abgerissen worden. Nicht zuletzt, weil die Kapazität der neuen Lager bei weitem nicht ausreicht. Nach offiziellen Angaben leben etwa 10.000 Roma in und um Rom in meist illegalen Lagern. Tatsächlich dürften es aber mehr sein.
Seit rund einem Jahrzehnt verstärkt Italiens Rechte ihren Kampf gegen die Minderheiten. Im Mai 2000 hatte ein Bürgermeister einer Kleinstadt bei Mailand Bauern fünf Millionen Lire aus der Gemeindekasse angeboten, wenn sie auf einem städtischen Areal, wo Roma ihre Wohnwagen abgestellt hatten, Gülle ausgießen.
Ausschreitungen gegen Roma-Lager
2008 ließ die Regierung Berlusconi eine umstrittene Zählung der Roma durchführen. Unter dem Motto "Null Toleranz gegenüber kriminellen Ausländern" wurde ein Klima geschaffen, in dem es zu Ausschreitungen gegen Roma-Siedlungen kam. In Neapel, wo etwa 2000 Roma lebten, griffen jugendliche Mopedbanden im Mai 2008 Roma- Siedlungen mit Molotow-Cocktails an. Die Feuerwehr, die die Brände löschen wollte, wurde vom umstehenden Mob beschimpft. Lega-Nord-Chef Umberto Bossi - zu den Ereignissen von Neapel befragt - meinte. "Die Leute machen das, was die politische Klasse nicht fertiggebracht hat."
2008 und 2009 wurden in fünf italienischen Regionen - Latium Rom, Kampanien, Lombardei, Piemont und Veneto - Notstandsgesetze erlassen, um einer angeblichen Bedrohung der staatlichen Sicherheit durch "Nomaden" begegnen zu können. Gezielte Durchsuchungen von Roma-Siedlungen wurden angesetzt. Dutzende illegale Behelfssiedlungen an der Peripherie von Rom, Mailand und Neapel wurden abgerissen.
Bereits im August des Vorjahres starb ein dreijähriges Roma-Kind unter ähnlichen Umständen wie jetzt die vier Kinder. Auch damals fiel Bürgermeister Alemanno nichts Besseres ein als der Abriss der illegalen Siedlungen. Die Opposition beschuldigte Alemanno, seit seinem Amtsantritt im Frühjahr 2008 keine konkreten Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation der Roma unternommen zu haben.