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Illegitim, aber hoffnungsvoll

Von Martyna Czarnowska, Nikosia

Europaarchiv

Wenn kommenden Sonntag rund 140.000 Wahlberechtigte Nordzyperns zu den Urnen gerufen werden, dann wählen sie ein international nicht anerkanntes Parlament. Denn die 1983 gegründete Türkische Republik Nordzypern besitzt nur für die Türkei Legitimität. Der Ausgang der Abstimmung hat dennoch größte Bedeutung für die gesamte Europäische Union: Sollte Zypern nicht als politisch geeinter Staat im Mai 2004 der EU beitreten, dann befindet sich ein besetztes Gebiet mitten im EU-Territorium.


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Die Wahlen im Norden werden im Süden aufmerksam verfolgt. Zwar ist es für die Republik Zypern ein illegitimer Urnengang, doch ist dessen Ergebnis wegweisend für die Zukunft des gesamten Inselstaates: Wenn kommenden Sonntag in Nordzypern die Opposition gewinnt, stehen die Chancen auf eine Wiedervereinigung der Republik gut.

Seit 1974 ist die über 9.000 Quadratkilometer große Insel geteilt. Türkische Truppen hätten den Norden besetzt, heißt es im Süden. Türkische Truppen wollten die türkische Minderheit vor Übergriffen schützen, heißt es im Norden. Die Türkische Republik Nordzypern, isoliert und wirtschaftlich zu Grunde gerichtet, ist nur von der Türkei anerkannt. Doch auch diese könnte nun an einer schnelleren Lösung des Zypern-Problems interessiert sein - in der Hoffnung auf eine baldige Aufnahme von Verhandlungen über einen EU-Beitritt als Belohnung.

Für die Republik Zypern ist Ankara ein Problem, ebenso wie Rauf Denktash, "Präsident" im Nordteil und seit fast 30 Jahren Verhandlungsführer mit der griechisch-zypriotischen Seite. An der Türkei und an Denktash seien alle Verhandlungen gescheitert. "Es gab bisher keinen Gegenpart, mit dem wir verhandeln konnten", erklärt Erato Kozakou-Marcoullis vom Außenministerium. "Denn für Denktash gab es kein Problem: Er sah die Lösung in der Teilung der Insel." Doch erstmals gebe es im Norden vier Parteien, die sich offen gegen Denktash und Ankara aussprechen.

"Ja, Denktash und Ankara sind ein Problem", gibt auch Mehmet Ali Talat, Vorsitzender der oppositionellen CTP (Republikanisch Türkische Partei) im Norden, zu. "Doch die Schwierigkeiten liegen auch bei der griechisch-zypriotischen Regierung: Wir wissen nicht wie ernsthaft sie die Verhandlungen zur Wiedervereinigung führen will."

Die CTP ist eine von sieben wahlwerbenden Parteien, laut einigen Meinungsumfragen hat sie mittlerweile mehr AnhängerInnen als die Denktash-treuen Regierungsparteien UBP (Nationale Unionspartei) und DP (Demokratische Partei). 353 KandidatInnen bewerben sich um 50 Mandate.

Wahlbetrug im Vorfeld

"Wir werden die Wahlen gewinnen", zeigt sich Oppositionsführer Talat im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" überzeugt. "Danach werden wir mit anderen Oppositionsparteien eine Regierungskoalition bilden. Denktash bleibt zwar Präsident, doch zum Verhandler wird das Parlament den neuen Ministerpräsidenten bestimmen. Und diesen stellt die stärkste Partei." Sollte Talat der Wahlsieger sein, muss er zunächst einmal die Türkei überzeugen. "Das könnte schwierig werden", meint er. Denn die Regierung in Ankara sei sich nicht einig: Während die Militärs die strategische Bedeutung Zyperns unterstreichen, hat der türkische Außenminister sich für eine rasche Lösung ausgesprochen. Danach hänge vieles von der griechisch-zypriotischen Seite ab.

Diese spricht jedenfalls schon im Vorfeld von Wahlbetrug. Denn die Zahl der Wahlberechtigten sei allein in den letzten drei Monaten um 4.000 Personen gestiegen. Rund 80.000 türkischen ZypriotInnen stehen über 100.000 SiedlerInnen aus Anatolien gegenüber - für die Republik Zypern illegale ImmigrantInnen. Sie wurden von Denktash ins Land geholt, und sie werden für seine Politik stimmen, ist die Befürchtung. "Die Griechen übertreiben immer", kontert Talat. Zum einen stimmen die Zahlen nicht. Zum anderen werden auch viele SiedlerInnen die CTP wählen.