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Der Luzerner Verlag Quaternio ist ein Spezialist der Faksimile-Edition. Originalgetreue Reproduktionen erschließen dem heutigen Betrachter die Bilderwelten des Mittelalters.
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Faksimile: Oder wie der Lateiner sagte: Fac simile! - Mach es ähnlich! Diesem Auftrag wird der Luzerner Quaternio Verlag in vorbildlicher Weise gerecht. Denn das Geschäft des 2009 von Gunter Tampe, Clarissa Rothacker, Arne Domrös und Regula Schneider gegründeten Verlags ist die Faksimilierung von Meisterwerken der mittelalterlichen Buchmalerei. Künstlerisch bedeutsame Bilderhandschriften werden mittels modernster Fototechnik und alter Handwerkskunst bis ins feinste Detail originalgetreu reproduziert. Der Verlagsname leitet sich von Quaternion ab, einem Fachbegriff des Bücherhandwerks. Er bezeichnet die zu Viererlagen gebündelten Druckbogen.
Die Faksimiles sind jeweils mit Kommentarbänden versehen. Sie erschließen eine farbenprächtige, stilistisch vielfältige Welt. Und sie stellen die Verfügbarkeit von Werken sicher, die im Original oft nicht mehr zugänglich sind. Doch auch der Reproduktion haftet der Nimbus der Exklusivität an: Die Faksimile-Editionen von Quaternio erscheinen in einmaliger, streng limitierter Auflage. Diese liegt immer unter 1000, meist bei 680 handnummerierten Exemplaren.
Prunkeinbände
Die Ausnahme von der Regel bilden Handschriften, deren Einband nur unter höchstem handwerklichen und materiellen Einsatz faksimiliert werden kann. Als Beispiel führt Verlagsmitgründerin und -inhaberin Clarissa Rothacker das Speyerer Evangelistar mit seinem spätromanischen Prunkdeckel (Goldschmiedearbeit und Schmucksteine) an. Diese Faksimile-Ausgabe wurde mit 280 Exem-plaren limitiert, die bisher kleinste Auflage des Hauses.
Das Verlagsprogramm listet bereits viele Highlights der illuminierten Buchkunst auf. Da finden sich u.a. die Musikhandschrift Codex Gisle aus dem Jahr 1300; die Stundenbücher der Margarete von Orléans und der Maria von Medici oder der außerordentlich bilderreiche Peterborough-Psalter. Bei dieser Handschrift handelt es sich laut Verlag um den einzigen "Psalter überhaupt, der die Bilder zum Alten und Neuen Testament typologisch zusammenführt und nicht in getrennten Bilderzyklen aufeinanderfolgen lässt. So sind jeder Szene aus dem Neuen Testament mehrere Szenen aus dem Alten Testament zugeordnet." Ein nächstes Juwel ist der um 1420/25 entstandene Pariser Alexanderroman, der die Geschichte Alexanders des Großen erzählt. Oder das Gebetsbuch der Claude de France (siehe Abb.) im Miniaturformat von 69 x 49 mm. Claude wurde 1517 zur Königin von Frankreich gekrönt. Zu diesem Anlass gab sie ein handsames Gebetsbuch in Auftrag. Der Quaternio Verlag hat auch die Fibel der Claude de France faksimiliert, jenes Buch, nach dem Klein-Claude das Lesen erlernte.
Arbeitsetappen
Zu fast jeder Faksimile-Edition erscheint auch eine handgefertigte Dokumentationsmappe. Diese enthält neben zwei oder drei Original-Faksimileblättern ein Textheft mit Informationen zur Handschrift, von deren Entstehungsgeschichte über den heutigen Aufbewahrungsort - bis zu den Etappen der Faksimilierung.
Ein Projekt dauert im Schnitt 15 Monate. Es beginnt mit der fotografischen Aufnahme des Originals an dessen jeweiligem Aufbewahrungsort. Die Farben des ersten Andrucks werden so lange verglichen und korrigiert, bis sie dem Original perfekt entsprechen. "Für die Druckwiedergabe von Gold (und Silber) muss der Lithograf eigene Gold-/Silber-Auszüge erstellen", erklärt Clarissa Rothacker. Extrem zeitaufwändig sei die Wiedergabe der feinen Striche und Pünktchen von Pinselgold (Goldstaub, der unter die geriebenen Pigmente gemischt wurde). Die Wiedergabe von Blattgold erfolge nicht mit Echtgold, sondern mit Foliengold.
Der Luzerner Verlag hat übrigens zwei österreichische Spezialisten mit an Bord: die Grazer Druckerei Print & Art und die Schärdinger Buchbinderei Steinbrener. Quaternio wird seine Faksimiles auch auf der diesjährigen BUCH WIEN präsentieren - ein sinnlicher Luxus in Zeiten des E-Book.