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"Der Zeit ihre Kunst/
Der Kunst ihre Freiheit"
Der in goldnen Lettern gesetzte Wahlspruch der Wiener Secession hat nach 120 Jahren nichts an Aktualität und Brisanz verloren. Die Frage, wie zeitgemäße Kunst auszusehen habe, sorgt aktuell für Diskussionen. Wie politisch darf Theater sein? Soll Literatur problematische Aspekte der Integration thematisieren oder betreibt sie damit Hetze? Wann ist ein Gedicht nur ein Gedicht und wann wird Satire zur strafbaren Handlung? Wird Kabarett nach der Causa Böhmermann zur zahmen Vorlage für harmlose Schenkelklopfer? Unterwerfen sich Satiriker künftig einer Art vorauseilender Selbstzensur?
Die Fragen nach den Grenzen der Kunst thematisieren auch ihre Freiheit. Die Diskussion um ebendiese Freiheit bekommt gerade eine völlig neue Dimension - keine inhaltliche, sondern eine rein formale.
Schon nach den Anschlägen von Paris warnten Künstler davor, die künftig höheren Sicherheitsvorkehrungen würden Opernhäuser leeren. Wer will sich schon stundenlang im Abendkleid vor einem Nacktscanner anstellen. Nun stimmen die Festspiele in Bayreuth mit ein und melden Bedenken an, ihr neues Sicherheitskonzept könne zu Einschnitten führen. Neuralgische Zu- und Durchgänge sollen stärker kontrolliert werden, man passe sich den Gegebenheiten der Gesellschaft an, heißt es aus Bayreuth. Sollten sich diese Befürchtungen bestätigen und die Kontrollfreunde sich weiter durchsetzen, dann ist die Kunst selbst bald in Gefahr. Denn ein Umkehrschluss ist ebenso zeitlos: Ohne Freiheit keine Kunst.