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Im Alpendorf blüht die Zuversicht

Von Martyna Czarnowska, Alpbach

Politik

Praxiskompetenz, erfahrene MinisterInnen und Kontinuität: ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel setzt auf Bewährtes. "Die anderen können behaupten, dass sie etwas bewegen, wir haben es bewiesen", erklärte der Kanzler beim Bundeskongress der ÖVP in Alpbach. Der "Reformweg" solle fortgesetzt werden. Überraschungen kommen im Wahlprogramm daher kaum vor. "Lasst Schüssel und sein Team arbeiten" könnte denn auch das Motto nach dem Alpbacher Wochenende bleiben.


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So bunt ist Alpbach wohl selten. Auf den Hängen rund um das Tiroler Dorf leuchten das helle Grün der Wiesen mit dem Schnee in höheren Lagen im Sonnenlicht um die Wette. Von den Blumenkisten auf den Balkonen hängen Blumenblüten in allen Farben, die Bäume zwischen den Häusern färben sich gelb, braun und müdgrün. Bunt ist es auch auf den Straßen: grelle Transparente, Autobusse mit aufgemalten Köpfen und Parolen, Funktionäre in gelben Jacken. Die ÖVP hält ihren Bundeskongress ab. Was als "Programmprozess im Dorf der Denker" seit längerem geplant war, ist durch die vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode zur Wahlkampfveranstaltung geworden. Das Zukunftsprogramm wird zum Wahlprogramm.

700 ÖVP-Delegierte im "Dorf der Denker"

Rund 700 Delegierte bevölkern den Ort. Das Geschäft mit den internationalen Zeitungen hält sich in der Nebensaison trotzdem an seine Öffnungszeiten: Am Samstag wird zu Mittag zugesperrt, am Sonntag geschlossen gehalten. "Muss ich dann nach Brixlegg hinunter", fragt ein Kunde im Supermarkt. "Ach was, so wichtig kann das doch nicht sein", lautet die Antwort. Die AlpbacherInnen sind den Ansturm auf ihr Congress Centrum gewohnt. Auch die ÖVP hat sich hier bereits im Vorjahr auf den "Reformweg" begeben. Nun skizziert Bundeskanzler und Spitzenkandidat Wolfgang Schüssel seine "Ziele für Österreich".

"Wir haben den Kapitän, wir haben die Mannschaft, wir haben den Kurs", stimmt Klubobmann Andreas Khol das Publikum auf den Auftritt Schüssels ein. Dieser setzt auf Kontinuität. "In unserem Programm ist nicht alles neu", erklärt er. "Warum soll das Rad neu erfunden werden?" Er verweist auf die Erfolge der Regierung, streicht die Errungenschaften der einzelnen Ressorts hervor, bedankt sich bei den MinisterInnen. Die Lehrlingszahl im öffentlichen Dienst sei um 20 Prozent erhöht worden, das Bildungssystem werde reformiert, die Exportquote sei deutlich gestiegen, die Privatisierung von staatlichen Betrieben sei erfolgreich vor sich gegangen. "Ich brauche den Staat nicht als Kernaktionär. Eine ÖIAG neu könnte sich etwa um Beteiligungsmanagement bei ÖBB oder Verbund kümmern und als Beschaffungsagentur fungieren sowie Gegengeschäfte abwickeln - industrienah und politikfern", meinte Schüssel. Mit der Wirtschafts- verbindet er die Sozialpolitik. "Sozial ist, was Arbeit schafft", stellt der Parteiobmann fest. Dabei denke die ÖVP "nicht institutionenorientiert sondern personenzentriert".

Kernpunkt EU-Erweiterung und Warnung vor Rot-Grün

Zentral ist auch die EU-Erweiterung, zu der Schüssel neuerlich ein Bekenntnis ablegt. Vorwürfe der Opposition, sich zu wenig um die Erweiterung zu kümmern, weist er zurück: "Unter meinem EU-Ratsvorsitz haben wir die Erweiterungsverhandlungen aufgenommen. Wir schaffen den Spagat, eine Österreichpartei zu sein und gleichzeitig europäisch etwas bewegen zu können."

Eindringlich warnt der ÖVP-Obmann vor "rot-grünen Experimenten". Er verwies auf Deutschland: Dort gelte bei Steuern und Budget "das gebrochene Wort".

Mehr denn je rückt die ÖVP Wirtschaft und Beschäftigung in den Mittelpunkt. Den Menschen sowieso. "Wir wissen, dass der Mensch zählt, wir müssen es nicht plakatieren", meint daher Umweltminister Wilhelm Molterer. Am Vortag hatte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein eingeräumt, dass es zwar Probleme bei der Jugendbeschäftigung gebe. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich die zweitniedrigste in Europa sei. Und die Garantie der ÖVP bleibe aufrecht: Jeder Jugendliche solle eine Lehrstelle oder einen Lehrlingsplatz bekommen. Doch auch an andere Gruppen richtet die Volkspartei ihre Angebote: Die Frauenbeschäftigungsquote solle generell auf 65 Prozent angehoben, die Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen forciert werden. Die Rückkehr zur Vollbeschäftigung sei das wesentliche Ziel, postulierte der Arbeitsminister: "Ich halte das für möglich."

Wann die Steuerreform kommt, bleibt allerdings weiter offen. Laut Bartenstein "frühestens 2004". Angestrebt wird jedenfalls eine Senkung der Lohnnebenkosten und des Spitzensteuersatzes sowie die Entlastung mittlerer Einkommen durch eine Tarifreform. Einkommen bis 1.000 Euro monatlich sollen steuerfrei gestellt werden.

Tausend Euro beträgt auch der Mindestlohn für Vollzeitarbeit, den die ÖVP kollektivvertraglich festlegen möchte. Diese alte ÖAAB-Forderung war bis vor kurzem auf Widerstand seitens der Wirtschaft gestoßen. Dies gibt auch ÖAAB-Obmann Werner Fasslabend im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu. Doch die Bedenken seien nun ausgeräumt. An der Reihe seien jetzt die Sozialpartner, die sich darauf einigen müssen. Von einer gesetzlichen Regelung, wie von der FP im Falle einer Nicht-Einigung gefordert, hält Fasslabend wenig. "Wir gehen davon aus, dass Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern ablaufen müssen."

Schüssel als stärkster ÖVP-Obmann aller Zeiten

Einigkeit herrscht nach außen hin in der Bewertung der Stimmungslage. "Die Stimmung ist bestens", meint Wahlkampfleiter Reinhold Lopatka. Es gebe niemanden, der das Gegenteil behauptet. Die Aussage relativiert eine junge Delegierte aus der Steiermark: "Es gibt da und dort unzufriedene Stimmen." Gleichzeitig räumt sie aber ein, dass die Motivation sehr hoch sei. Für Lopatka ist dies in erster Linie ein Verdienst Schüssels. Noch nie sei ein ÖVP-Obmann so stark gewesen. Gleichzeitig habe er seine Funktion als Bundeskanzler in die Hände der WählerInnen gelegt - was diese zu schätzen wüssten.

Der Bundeskanzler selbst nimmt den Provinzialismus-Vorwurf des Schriftstellers Gerhard Roth, lediglich ein Landeshauptmann von Österreich zu sein, mit einem Lächeln entgegen. "Noch nie hat mir jemand ein schöneres Kompliment gemacht. Denn der Landesvater ist für alle da und für alles zuständig." Bevor er das wieder wird, ist allerdings das WählerInnenvotum abzuwarten, was auch Schüssel immer wieder betont. Daher bekommen die Kongress-TeilnehmerInnen noch ein Jausenpackerl mit einem "Nordtiroler Kaminwurzerl" auf den Heimweg - und die Parole: Jetzt geht's um die Wurst.