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Im Auftrag der Internetfreiheit

Von Alexander U. Mathé

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Alexander U. Mathé

Der Gründer des russischen Facebooks ist mittlerweile in freiwilligem Exil.


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Was dem Rest der Welt Facebook ist, das ist den Russen ihr VKontakte (VK). Auf Deutsch bedeutet das so viel wie "in Kontakt". Über das soziale Netz können Benutzer ein Profil anlegen und mit anderen Benutzern Informationen austauschen. Eigenen Angaben zufolge hat VKontakte 260 Millionen Nutzer; andere Schätzungen sprechen von mehr als 100 Millionen. Gegründet hat die Plattform Pawel Durow im Jahr 2006 und wurde daher gerne als russischer Mark Zuckerberg (der Gründer von Facebook) bezeichnet. Allerdings ist Durow kein Aushängeschild von Unternehmertum in Russland. Aufgrund der zunehmenden Zensur und staatlichen Kontrolle des Internets ging er auf Konfrontationskurs mit Präsident Wladimir Putin. Das endete mit seiner freiwilligen Exilierung. Heute nennt sich der 30-Jährige selbst einen Weltenbürger und schlägt seine Zelte auf, wo immer ihm danach ist: von Singapur über Berlin und London bis hin nach San Francisco. Durow, der in Italien aufgewachsen ist und Linguistik an der Universität Sankt Petersburg studiert hat, hatte seine ersten großen Differenzen mit der russischen Regierung im Dezember 2011. Tausende Menschen hatten sich in russischen Großstädten zu Protestmärschen versammelt. Die Organisation und die Verabredung dazu erfolgte großteils über VK. Der russische Geheimdienst forderte daraufhin Durow auf, sieben Gruppen bei VK zu schließen. Doch der Mann, der sich selbst als jemanden bezeichnet, der an den freien Markt glaubt, weigerte sich. Immer wieder versuchten die Behörden, über ihn Oppositionelle zu identifizieren oder gegen sie vorzugehen. Zuletzt weigerte sich Durow im April 2014, Daten über ukrainische Demonstranten vom Euromaidan an die Staatssicherheit zu übermitteln und die VK-Seite des bekannten Putin-Gegners Alexej Nawalnij zu blockieren. Irgendwann musste Durow jedoch einsehen, dass es Zeit ist, zu gehen. Das mag an dem Sondereinsatzkommando gelegen haben, von dem er berichtet. Es sei schwer bewaffnet vor seinem Haus aufgekreuzt, habe versucht, die Tür aufzubrechen, sei jedoch unverrichteter Dinge nach einer Stunde wieder abgezogen. Das mag auch an der Anzeige gegen ihn wegen Fahrerflucht und Widerstands gegen die Staatsgewalt gelegen haben, einem Vorfall, der sich laut Durow nie ereignet hat. Nach diversen Anteilsverschiebungen bei VKontakte entglitt ihm Ende April schließlich die Firma, die ihm zufolge "unter die totale Kontrolle" von zwei der besten Freunde Putins geraten sei. Immerhin konnte er, bevor er ins Exil ging, seine Anteile verkaufen, was ihm einen geschätzten Reichtum in dreistelliger Millionen-Dollar-Höhe bescherte. Sich darauf auszuruhen kommt für Durow jedenfalls nicht infrage: "Als ich noch in Russland lebte, habe ich ein paar sehr reiche Typen besucht. Ich habe große Schiffe, Privatflieger und Anwesen besucht - und ich weiß mit Bestimmtheit, dass ich das nicht für mich selbst will", sagte er in einem Interview mit der "New York Times". Derzeit bewirbt er seine App Telegram. Es handelt sich um eine Konkurrenz zum beliebten Dienst Whatsapp, der wegen diverser Sicherheits- und Datenschutzlücken in der Kritik steht. Diese Lücke schließt Durow eigenen Angaben zufolge mit Telegram. Immerhin weiß er, was für ein wertvolles Gut die Privatsphäre ist.