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Im außenpolitischen Programm der Hamas ist noch vieles unklar

Von Amy Teibel

Politik

+++ Korruptionsbekämpfung und Sozialpolitik als Schwerpunkte. | Hamas punktete bei den ärmeren Schichten.


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Jerusalem. (ap) Die Abgeordneten der Hamas-Mehrheit im palästinensischen Legislativrat haben eine klare Vorstellung für ihr innenpolitisches Programm: Sie wollen die bisherige Korruption in Regierung und Verwaltung überwinden, die Sozialpolitik fördern und die Ruhe auf den Straßen wiederherstellen. Wenn es aber um die Außenpolitik geht und den Umgang mit einem jüdischen Staat, dessen Existenz sie nicht anerkennen wollen, fehlt es der Hamas an einer klaren Vorstellung.

Wahlsieg als Lohn

Der erstaunliche Wahlerfolg der Hamas ist sowohl der Lohn für eine seit zwei Jahrzehnten betriebene Basisarbeit als auch ein Misstrauensvotum für die verkrustete Fatah-Partei, die das politische Leben der Palästinenser 40 Jahre lang bestimmt hat. Als Ableger der ägyptischen Moslembruderschaft sammelte die nach innen äußerst diszipliniert agierende Hamas vor allem bei den armen Palästinensern Punkte.

Hamas steht für

Mit ihren Anlaufstellen für Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialhilfe hat die Hamas bei den Palästinensern breite Anerkennung gefunden - selbst bei Palästinensern, die des Kreislaufs der Gewalt überdrüssig sind, in dem die Hamas mit ihren Selbstmordanschlägen und Raketenangriffen bisher eine zentrale Rolle gespielt hat. Dabei sind viele Experten der Überzeugung, dass die politischen und sozialen Flügel der Hamas eng mit ihrem militärischen Zweig verflochten sind.

In der konkreten politischen Gestaltung hat die Hamas so gut wie keine Erfahrung. Wie soll sie die palästinensischen Autonomiegebiete jetzt durch einen der schwierigsten Konflikte der Welt steuern?

"Wie ihr Programm aussieht, kann ich wirklich nicht sagen", meint Hanan Ashrawi, die bei den Palästinensern zu den Persönlichkeiten mit der größten politischen Erfahrung gehört. Die einstige Abgeordnete der Fatah wurde erneut ins Parlament gewählt, diesmal aber auf der Liste der neuen Partei Dritter Weg. Sie glaube nicht, dass die Hamas ihr politisches Programm bereits fertig formuliert habe, sagt Ashrawi. "Sie sagen, dass sie Reformen wollen. Das bedeutet aber nicht, dass sie dies auch in die Tat umsetzen."

Politische Beobachter wie Talal Okal von der palästinensischen Zeitung "Al-Ayyam", sind überzeugt, dass die Hamas eigentlich gar nicht an einer absoluten Mehrheit interessiert gewesen sei. Sie hätte es vorgezogen, die Verantwortung bei der Fatah zu belassen und diese punktuell ihren eigenen Vorstellungen zu unterwerfen.

Zu Kontakten mit

Jetzt aber befindet sich die Hamas vermutlich in einer Lage, in der sie gezwungen ist, mit Israel Kontakt aufzunehmen - und sei es nur in Fragen des täglichen Lebens wie der Strom- und Wasserversorgung oder dem Außenhandel. "Die Hamas kann sich nicht um den Alltag der Menschen kümmern, ohne sich mit Israel abzustimmen", sagt Okal. Ein Weg dazu könnte die Einladung an die Fatah sein, sich der Hamas-Regierung anzuschließen und dann die Kontakte mit Israel zu übernehmen. Diese Vorstellung hat die Fatah am Donnerstag bereits zurückgewiesen.

Bereit zur Fortsetzung der Waffenruhe

Ein anderer Weg aber könnte darin bestehen, dass die Hamas einen Teil ihrer militanten Ideologie aufgibt. Zwar hat einer der Hamas-Führer, Mushir al-Masri, erklärt, dass eine Anerkennung Israels und Verhandlungen mit seiner Regierung "nicht auf unserer Tagesordnung" stünden. Aber Mahmoud Zahar, der Führer der Hamas im Gazastreifen, hat seine Bereitschaft bekundet, die im vergangenen Jahr mit Israel vereinbarte Waffenruhe fortzusetzen, falls auch Israel dies tut.

Der israelische Terrorismus-Experte Yoram Shweitzer erwartet, dass die Hamas zwar offiziell am Grundsatz der Nichtanerkennung Israels festhalten wird, in der praktischen Politik aber einen pragmatischen Kurs steuern wird. "Aus Prinzip werden sie weiter sagen, dass sie alles Land zurückhaben wollen", erklärt Shweitzer. "Aber sie werden ganz pragmatisch die Existenz Israels akzeptieren."