Eine Woche vor dem geplanten Beginn der Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der EU schwindet auch in Zagreb die Hoffnung auf rechtzeitige Ergreifung des vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal angeklagten ehemaligen Generals Ante Gotovina. Die kroatische Außenministerin Kolinda Grabar-Kitarovic will dennoch die Gespräche am 17. März beginnen - und zählt auf Unterstützung aus Österreich.
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So zuversichtlich wie noch vor wenigen Tagen zeigte sich Kolinda Grabar-Kitarovic gestern nicht. "Wir sind uns bewusst, dass bis zum 17. März nicht genug Zeit gegeben ist, Ante Gotovina auszuliefern", räumte die kroatische Außenministerin nach einem Treffen mit ihrer österreichischen Amtskollegin Ursula Plassnik in Wien ein. Doch eine Hoffnung bleibe: die EU - und Tribunals-Chefanklägerin Carla del Ponte - davon zu überzeugen, dass Kroatien dennoch voll mit dem UNO-Tribunal in Den Haag zusammen arbeite. Immerhin seien von den 626 Bedingungen, die die EU an das Land gestellt habe, 625 erfüllt, betonte Grabar-Kitarovic. Allein im Vorjahr seien neun Personen nach Den Haag gefahren.
Auf die politischen und wirtschaftlichen Reformen, die das Land in den letzten Jahren vollbracht habe, verwies auch Plassnik. "Es wäre unfair gegenüber Kroatien, die Flinte ins Korn zu werfen", meinte sie - und brachte ebenfalls ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass das Land bis zum 16. März, wenn die AußenministerInnen zusammen kommen, die Kooperation mit dem UNO-Tribunal glaubhaft machen könne. Eine Vorentscheidung der Botschafter der EU-Staaten ist gestern nicht gefallen. Nächste Woche folgt die nächste Sitzung.
Österreich gehört - wie Ungarn und Slowenien - zu jenen Staaten, die für die baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien plädieren. Doch der Widerspruch - vor allem von Großbritannien und den Niederlanden - ist stark. Diplomaten in Brüssel rechnen kaum mehr mit Gesprächsbeginn am 17. März. Ähnlich skeptisch hatte sich zuletzt Erweiterungskommissar Olli Rehn gezeigt.
Noch kein Alternativplan
Dass der Termin aufrecht bleiben kann, glaubt auch Ivica Racan, Präsident der stärksten kroatischen Oppositionspartei SDP (Sozialdemokraten), nicht. "Ich bin eher pessimistisch", erklärte er gestern. Er wäre jedoch nicht sehr besorgt, falls der Beginn der Verhandlungen einige Monate aufgeschoben werden würde. "Kroatien muss auf jeden Fall seine Vorbereitungen fortsetzen", stellte Racan fest. Von einem Alternativplan bei einer Verzögerung wollte auch Außenministerin Grabar-Kitarovic nicht reden: Sämtliche anderen Optionen liegen an der EU, sagte sie.
Eine Möglichkeit wäre die Definition von "Zusammenarbeit". Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn deutete an, dass ein Beweis der vollen Kooperation mit dem UNO-Tribunal nicht notwendigerweise eine Auslieferung Gotovinas bis 16. März beinhalte.
Schwerwiegendes Urteil
Dennoch wiegt das Urteil der Chefanklägerin Carla del Ponte schwer. "Trotz aller öffentlichen und privaten Versicherungen aus Zagreb bleibt Ante Gotovina in Reichweite der kroatischen Behörden, und solange er nicht nach Den Haag überstellt wird, kann man nicht sagen, dass Kroatien voll mit dem Internationalen Tribunal kooperiert", schrieb sie an die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft.
Dennoch sollten die Beitrittsverhandlungen mit der EU nicht später als im Juni beginnen, hofft Zagreb. Denn in der zweiten Jahreshälfte übernimmt Großbritannien die EU-Ratspräsidentschaft.